30 Jahre Kinderrechts-Konvention: ein Grund zu feiern?
Am 20. November 1989 nahm die UN-Vollversammlung die Kinderrechtskonvention an, in der rechtlich verbindliche Standards zum Schutz von Kindern festgeschrieben sind. Das Übereinkommen wurde inzwischen von allen Staaten bis auf die USA ratifiziert. Dr. Meike Riebau, Head of Advocacy bei Save the Children Deutschland, erklärt im Interview, warum die Arbeit zu Kinderrechten heute wichtige ist denn je.
1. Eigentlich ist es einfach. Alle Kinder haben die gleichen Rechte – egal wo sie geboren wurden. Doch wie steht es aktuell um die Umsetzung der Kinderrechte?
Dr. Meike Riebau: Es ist eine gemischte Bilanz. Einerseits wurden global viele Fortschritte erreicht, zum Beispiel sterben heute weniger Kinder an vermeidbaren Krankheiten. Auf der anderen Seite gibt es einige sehr besorgniserregende Trends: Weltweit leben beispielsweise 420 Millionen Kinder in Kriegen und Konflikten, noch nie waren so viele Kinder weltweit auf der Flucht. Jede Minute werden vier Mädchen unter 15 Jahren verheiratet und die Klimakrise wirkt sich schon jetzt negativ auf die Rechte und das Leben von Kindern aus. Das sind sehr beunruhigende Zahlen, die zeigen, dass Kinder weltweit immer noch nicht wirksam geschützt werden und vielerorts Kinderrechtsverletzungen geschehen, ohne dass sie geahndet werden. Kinder haben das Recht, in Würde, Sicherheit und in einer gesunden Umwelt aufzuwachsen. Darum müssen wir stärker denn je daran arbeiten, dass Kinderrechte weltweit verbindlich eingehalten werden.
Schon gewusst?
Eglantyne Jebb, die Gründerin von Save the Children, verfasste 1923 die „Erklärung der Rechte der Kinder“. Ihrem vehementen Einsatz ist es zu verdanken, dass die Grundsätze ihrer Erklärung ein Jahr später vom Völkerbund als „Genfer Erklärung“ verabschiedet wurden. Sie dienten den UN-Kinderrechtskonvention als Grundlage.
2. Wie steht es um die Einhaltung der Kinderrechte in Deutschland?
Dr. Meike Riebau: Auch hier gilt: In Deutschland konnte in den letzten 30 Jahren einerseits viel erreicht werden. Grundsätzlich gibt nun es ein Bewusstsein dafür, dass Kinder eigene Rechte haben und das ist sehr schön. Ein wichtiger Erfolg ist, dass das Recht auf gewaltfreie Erziehung klar festgeschrieben und verankert ist. Dennoch gibt es auch hier immer noch großen Handlungsbedarf. Vor allem Kinder von alleinerziehenden Müttern und Kinder mit Migrationshintergrund sind besonders oft von Kinderarmut betroffen. Jedes fünfte Kind in der Bundesrepublik ist von Armut bedroht. Auch in puncto Bildungsgerechtigkeit haben wir in Deutschland noch einen langen Weg vor uns. Die Zukunft eines Kindes entscheidet sich sehr oft darüber, welchen Bildungsgrad die Eltern haben. Das muss sich ändern!
3. Save the Children Deutschland hat gemeinsam mit zahlreichen weiteren Organisationen an einem ergänzenden Bericht gearbeitet, der die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonventionen in Deutschland beleuchtet. Was ist das Besondere an diesem Bericht?
Dr. Meike Riebau: Unter der Leitung der National Coalition, einem Netzwerk an Kinderrechtsorganisationen haben sich zum ersten Mal 101 Organisationen zusammengeschlossen, um die Lage der Kinderrechte in Deutschland zu bewerten. Der Bericht bezieht sich direkt auf den Staatenbericht der Bundesregierung. Zwei Jahre lang haben wir zu den verschiedenen Themen gearbeitet, uns ausgetauscht und viel voneinander gelernt. Gemeinsam konnten wir der Bundesregierung 157 Handlungsempfehlungen in sehr unterschiedlichen Bereichen aussprechen, die nun den Vereinten Nationen vorgelegt wurden.
4. Was sind deine Wünsche oder Empfehlungen an die Bundesregierung?
Dr. Meike Riebau: Auch 30 Jahre nach Erlass der Kinderrechtskonventionen werden Kinderrechte oft nicht bedacht, weil sie immer noch zu unbekannt sind. Darum wünschen wir uns, dass Kinderrechte ins Grundgesetz mit aufgenommen werden und sie auf der gleichen Stufe wie alle anderen Rechte des Grundgesetzes stehen. Es wäre ein starkes Signal seitens der Bundesregierung, sich hinter Kinder zu stellen und ihren Rechten noch mehr Sichtbarkeit zu verschaffen. Außerdem fordern wir mehr Schutz und Förderung für die besonders vulnerable Gruppe der geflüchteten Kinder. Sie leiden besonders stark unter Diskriminierung, es gibt riesige Schutzlücken und beunruhigende Entwicklungen. Gerade jetzt müssen hier wichtige Weichen gestellt werden, damit diese Kinder eine Chance haben, gut anzukommen und sich langfristige Perspektiven aufzubauen. Nicht zuletzt möchten wir die Bundesregierung ermutigen, sich für die bisherigen Erfolge zu feiern. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie zufrieden die Hände in den Schoß legt, sondern stolz darauf zurückblicken sollte, was bereits erreicht wurde und mit doppelter Energie weiter an der Umsetzung der Kinderrechte arbeitet.