Afghanistan: „Einfach spielen zu können, ist etwas Besonderes“
Tanja Koch ist Regional-Referentin für Asien bei Save the Children Deutschland. Im Februar war sie zu einem Projektbesuch in Afghanistan und berichtet im Interview, mit welchen Herausforderungen Kinder dort zu kämpfen haben.

Wie ist die Situation für Kinder in Afghanistan?
Tanja Koch: Afghanistan ist weltweit eines der Länder, wo es am schwersten ist, ein Kind zu sein. Eine tägliche Herausforderung ist der Schulweg: Ist es sicher, heute in die Schule zu gehen? Kinder, die in umkämpften Gebieten wohnen, wissen oftmals nicht, ob sie das Haus verlassen können. Und kann ich überhaupt zur Schule gehen, oder muss ich meine Familie unterstützen und auf der Straße arbeiten? Viele Kinder können nicht sicher sein, dass sie morgen etwas zu essen haben. Einfach spielen zu können, ist auch etwas Besonderes.
Warum hast du Kabul besucht?
Tanja Koch: Ich war in Kabul für Save the Children Deutschland, um die drei Projekte zu besuchen, die wir in Afghanistan finanziell unterstützen. Das ist einmal ein Projekt im Bereich Kinderschutz in Faryab. Dabei geht es darum, dafür zu sorgen, dass Kinder ihre Rechte kennen und diese in den Schulen auch umgesetzt werden. Sie sollen wissen, dass körperliche Gewalt zum Beispiel durch die Lehrkräfte nicht in Ordnung ist. Gerade Mädchen sollten gestärkt werden und wissen, dass sie auch das Recht haben, etwas zu sagen. Genau das haben wir beobachtet: durch die Aktivitäten in den Schulen haben sich viele Mädchen getraut, zuhause in der Familie ihre Meinung zu sagen. Durch ein zweites Bildungs-Projekt in Kundus können 1.400 Kinder wieder zur Schule gehen, weil Save the Children die Ausbildung von Lehrinnen und Lehrern unterstützt. Das dritte Projekt ist im Bereich Gesundheit angesiedelt: Wir unterstützen die Arbeit von mobilen Gesundheitsteams in den Gebieten an der Grenze zu Pakistan.
Save the Children hat eine sogenannte Kinderrechtssituationsanalyse (englisch: Child Rights Situation Analysis, kurz: CRSA) für Afghanistan veröffentlicht. Worum handelt es sich dabei genau?
Tanja Koch: Die CRSA wurde Ende des vergangenen Jahres für Afghanistan gemacht und durchleuchtet alle Bereiche eines Landes aus der Perspektive der Kinder. Also zum Beispiel das Schulrecht, oder die Frage, ab wann Kinder als erwachsen angesehen werden und rechtspflichtig sind. Dabei haben wir gesehen: Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was auf dem Papier steht und dem, was umgesetzt wird. Beispielsweise gibt es in Afghanistan durchaus rechtlich eine Schulpflicht, aber es gibt kaum Möglichkeiten, diese wirklich durchzusetzen. Aber wir haben auch Erfolgsfälle zu verzeichnen: Viele Mädchen trauen sich gegen frühkindliche Ehen zu wehren. Viele Jungen, die von Kinderarbeit und Gewalt in der Familie berichten, sind in der Lage sich Hilfe zu suchen – weil sie wissen, dass das falsch ist und Netzwerke haben, an die sie sich wenden können.
Was können Menschen hier in Deutschland tun, um Kindern in Afghanistan zu helfen?
Tanja Koch: Jede und jeder kann unsere Petition unterschreiben, die sich gegen die Rückkehr von Kindern aus Deutschland nach Afghanistan einsetzt. Die Menschen sollten wissen, dass es nicht überall so ist wie hier. Man kann dort nicht einfach zur Schule gehen, indem man morgens in einen Bus steigt. Das, was wir hier haben, ist ein Luxus.