Bildungsprojekt in Guatemala startet mit Erfolg
Im November 2013 zu Beginn der Kaffeeernte wurden die Kindertagesstätten unseres Bildungsprojektes in der Kaffeeanbauregion Chiquimula eröffnet. Von November bis Februar ziehen viele Wanderarbeiter mit ihren Familien durch das Land, um Arbeit als Kaffeepflücker zu finden. Für ihre Kinder gibt es keine Betreuung, sodass viele Kinder die Eltern zur Arbeit auf den Feldern begleiten. Mit der Unterstützung von Tchibo schaffen wir für diese Kinder Alternativen.
Die Kinder werden in Kitas altersgerecht betreut. Darüber hinaus sorgen wir dafür, dass sie nach dem Ende der Pflücksaison, die sich mit dem Beginn des neuen Schuljahres überschneidet, einen reibungslosen Schulstart haben. Kathrin Wieland, Geschäftsführerin von Save the Children Deutschland, war bei der Kita-Eröffnung vor Ort und berichtet hier von ihrer Reise in die Region Chiquimula.
Kathrin, du bist zu der Eröffnungsfeier der Kitas nach Guatemala gereist. Wie war die Stimmung vor Ort?
Die Stimmung war sehr lebhaft und bunt, besonders die Kinder waren aufgeweckt und sichtlich erfreut. So war zum Beispiel die Begeisterung über die Lernmaterialien riesengroß. Die Kinder haben uns die Hefte bei der Besichtigung der Kita vor Neugierde fast aus den Händen gerissen und fingen gleich zu malen an. Für mich war es wirklich toll zu sehen, dass die Kinder diese Unterlagen mit so viel Freude angenommen haben.
Besonders gute Stimmung herrschte auch bei den gemeinsamen Essenszeiten. Jedes Kind bekommt in den Kitas zwei frisch zubereitete Mahlzeiten und einen Snack. Die Mädchen und Jungen sind es nicht gewohnt, so ausgiebig Essen zu bekommen. Die gute Stimmung beim Essen hatte aber auch ihre erschreckende Seite: Die Armut der Arbeiterfamilien war aufgrund der sichtbaren Mangelernährung der Kinder allgegenwärtig. Beim Essen schauten neugierige Kleinkinder aus der Nachbarschaft durch die Fenster herein. Als ich sie hereinbat und sie zum mitessen einlud, bekamen sie beim Anblick des Essens ganz große Augen und setzten sich ganz scheu dazu. Der Hunger in den ärmeren Bevölkerungsschichten Guatemalas, zu denen auch die Kaffeepflücker gehören, ist wirklich überall sichtbar.
Konntest du dir in der kurzen Zeit einen Eindruck davon machen, wie es den Kindern geht?
Die Mangelernährung der Kinder ist wirklich sehr erschreckend. Wir haben ganz viele Kinder mit aufgedunsenen Bäuchen gesehen, was ein Zeichen für Mangelernährung ist. Viele Kinder sind körperlich nicht altersgerecht entwickelt und auch die geistigen Entwicklungsrückstände waren evident. Eine Mutter erzählte mir, dass ihre Tochter 7 Jahre alt sei. Diese Kleine hatte ich vorher auf 4 bis 5 Jahre geschätzt. Aufgefallen ist mir außerdem, dass die Kinder selbst an diesem besonderen Tag total schmutzig waren. Etwas, das wir auch vermitteln möchten, ist, wie wichtig Hygiene im Hinblick auf Infektionsvorbeugung ist. Besonders die Kinder der mayastämmigen Kaffeepflücker sind heute in einem Teufelskreis aus Armut, mangelnder Bildung und Mangelernährung gefangen.
Welche Rolle spielen die Eltern im Kita-Projekt?
Eltern werden von Anfang an einbezogen. Es ist immens wichtig, ihnen zu vermitteln, dass Schulbildung für ihre Kinder ganz entscheidend ist und wie sie ihre Kinder unterstützen können. Nur wenn die Kinder auch von zuhause unterstützt werden, können sie das Gelernte umsetzen. Manchmal geht es um etwas für uns so Selbstverständliches wie Zähneputzen oder Händewaschen vor dem Essen. Außerdem erhalten die Eltern Schulungen zu projektrelevanten Themen wie Kinderrechten. Es sind auch Schulungen denkbar, in denen sie alternative Möglichkeiten zur Einkommensgenerierung wie bspw. Imkerei oder Ziegenzucht kennenlernen sollen, um nicht derartig abhängig vom Kaffeegeschäft zu sein. Im Fall einer Kaffee-Krise fällt für Familien ihre Einkommensquelle ersatzlos weg und so entsteht schnell eine existenzielle Notsituation. Gerade zurzeit gibt es in Guatemala einen Pilzbefall der Kaffeepflanzen, der die Ernten gefährdet bzw. zerstört und das Einkommen der Pflückerfamilien stark gefährdet.
Kitas sind in Mittelamerika nicht sehr verbreitet. Wie haben die Menschen das Projekt angenommen?
Im Gespräch mit den Eltern habe ich herausgehört, dass es extrem gut ankam. Die Mütter und Väter sind sehr froh über das – für sie oft unbekannte – Betreuungsangebot. Man muss bedenken, dass die Eltern ihre Kinder vorher wirklich direkt auf die Felder mitgenommen haben, weil sie nicht wussten wohin mit ihnen. In der Erntezeit ist es nämlich so, dass jede Hilfe gebraucht wird und kein Elternteil auf die Kinder aufpassen kann. Wenn die Kinder dann mit auf dem Feld sind, sind sie natürlich mehreren Gefahren ausgesetzt: Pestizide werden gespritzt, es wird mit Macheten hantiert, es gibt giftige Spinnen und Schlangen. Bezüglich der Kinderarbeit haben wir gehört, dass zwar die älteren Kinder pflücken müssen, jedoch die Jüngeren gar nicht wirklich mithelfen und eher eine „Last“ für die arbeitenden Eltern sind. Deshalb ist eine sichere Unterbringung der Kinder verbunden mit Mahlzeiten und Unterricht eine große Erleichterung für die Eltern. Und auch den größeren Kindern, die normalerweise beim Pflücken mithelfen müssen, bieten wir durch unser altersgerechte Betreuungsangebot eine Alternative. Dies wird sehr positiv aufgenommen. Die hohen Anmeldezahlen zeigen, dass das Projekt gut angenommen wird. Darüber sind wir sehr glücklich.
Save the Children hat das Projekt in Zusammenarbeit mit Tchibo entwickelt. Was ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Unternehmenskooperation?
Positiv überrascht hat mich die Art und Weise, wie Tchibo mit uns das Projekt entwickelt und persönlich begleitet hat. Gemeinsam haben wir im November die erste Kita eröffnet. In der Zusammenarbeit mit Unternehmen gibt es häufig die Erwartungshaltung, dass alles bis ins Detail vorher geplant werden soll. Oft tauchen in der Praxis vor Ort aber ganz andere Herausforderungen auf, mit denen man nicht gerechnet hat. Dann muss man das, was man auf dem Papier entworfen hat, anpassen. Hierzu ist Vertrauen in der Partnerschaft notwendig. Mit dem Projekt begeben wir uns mit Tchibo zusammen auf eine gemeinsame Reise, die ständigem Wandel und eigendynamischen Prozessen unterworfen ist. Deshalb ist ein reger Austausch und eine Vertrauensbasis wichtig, die in der Kooperation mit Tchibo von Beginn an wunderbar funktioniert.
Welche positiven Erinnerungen hast du an die Reise?
Besonders toll war für mich der intensive Kontakt mit unserem Team vor Ort, das sich wirklich Non-Stop um das Projekt kümmert. Es ist ein überaus kompetentes Team, das hochmotiviert und sehr reflektiert mit den Kindern und ihren Familien arbeitet.
Gibt es auch negative Erinnerungen?
Was mich wirklich schockiert hat, war die extreme Präsenz von Waffen. Überall sah man Sicherheitsleute mit Maschinengewehren und viele junge bewaffnete Männer mit Macheten oder Pistolen. Ich bin zwar früher sehr viel gereist, habe aber selten so ein Gefühl der allgegenwärtigen Gewaltbereitschaft wie jetzt in Guatemala. Die Waffenpräsenz in Guatemala zeugt auch von dem Leid, das diesem und anderen Ländern in Mittelamerika widerfahren ist. In unserem Projekt wollen wir die jetzige Generationen anders schulen, um ihnen Wege aus dieser Gewalt aufzuzeigen.