Blog: Save the Children auf der World Health Assembly
Rund die Hälfte der Weltbevölkerung hat derzeit keinen Zugang zu essentiellen Gesundheitsdienstleistungen; davon betroffen sind vor allem Kinder. Mariam Salloum war für Save the Children bei der 71. Gesundheitsversammlung in Genf und verfolgte für uns die politischen Debatten rund um das Thema.

Im Mai trafen sich in Genf Delegationen aus der ganzen Welt, unter ihnen Minister, Staatsoberhäupter, Regierungsvertreter, Vertreter internationaler Organisationen und die Zivilgesellschaft, bei der 71. Weltgesundheitsversammlung (World Health Assembly, WHA). Die Versammlung – als Hauptentscheidungsorgan der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – findet jährlich statt und in diesem Jahr zum ersten Mal unter Leitung des 2017 gewählten Generalsekretärs Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die zentrale Frage der diesjährigen Versammlung war es, welchen Beitrag die WHO in Zukunft leisten kann, damit die Agenda für nachhaltige Entwicklung mit ihren 17 Nachhaltigkeitszielen bis zum Jahr 2030 erreicht wird und insbesondere das dritte Ziel (SDG3): „Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters“. Auf diese Agenda einigten sich die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen im September 2015.
In einer Welt, deren Gesundheitsarchitektur unter anderem durch die Gründung zahlreicher Finanzierungs- und Durchführungsmechanismen, beispielsweise der Impfallianz Gavi und der Global Financing Facility, zunehmend komplex wird, ist dies eine große Herausforderung für die WHO. Um dieser zu begegnen, erklärte Dr. Tedros die Universelle Gesundheitsversorgung zum Kernthema der diesjährigen Versammlung. Universelle Gesundheitsversorgung bedeutet, dass alle Menschen Zugang zu bezahlbaren und qualitativen Gesundheitsdienstleistungen haben. Gleichzeitig ist es eines der Unterziele des SDG3. Rund die Hälfte der Weltbevölkerung hat derzeit keinen Zugang zu essentiellen Gesundheitsdienstleistungen; davon betroffen sind vor allem Kinder. Ein großer Anteil der Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren ist vermeidbar, vorausgesetzt sie haben Zugang zu essentiellen Gesundheitsdienstleistungen wie Impfungen oder Routineuntersuchungen. Um also Fortschritte bei der Erreichung einer universellen Gesundheitsversorgung, und so auch des SDG3 zu beschleunigen, forderte Dr. Tedros während eines Treffens des WHO Exekutivrats im Februar 2018 alle Mitgliedsländer dazu auf, drei Zusagen für die Universelle Gesundheitsversorgung vorzubereiten und im Rahmen der diesjährigen Weltgesundheitsversammlung zu präsentieren.

Obwohl also die Zeichen auf Wandel standen, waren die Ergebnisse der Versammlung alles in allem ernüchternd: Vergebens wartete die deutsche Zivilgesellschaft auf die Vorstellung der drei deutschen Zusagen. Zwar versprach Gesundheitsminister Jens Spahn in seiner Rede vor dem Plenum, der WHO 5 Millionen Euro für den erneuten Ebola Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo bereit zu stellen und unterstrich die Bedeutung universeller Gesundheitsversorgung (UHC). Allerdings gab es weder ein Forum noch eine Plattform, welche die WHO Mitglieder zu konkreten Zusagen veranlasste. Eine verpasste Chance, um Fakten für die Erreichung des dritten Nachhaltigkeitsziels zu schaffen. Auch überschattete der kürzlich wiederaufkeimende Nahostkonflikt an vielen Stellen die Verhandlungen. Enttäuschend aus unserer Sicht war außerdem, dass die „Resolution on Maternal, Infant and Young Child Nutrition“, die sowohl nationale Regierungen als auch die Privatwirtschaft insbesondere bei dem Thema „Schutz des mütterlichen Stillens“ in Verantwortung ziehen sollte, sprachlich stark abgeschwächt wurde. Der Grund dafür war politischer Druck. Obwohl Resolutionen nicht rechtlich bindend sind, schaffen sie moralische Richtlinien, die für die Arbeit der Zivilgesellschaft wichtig sind.
Dennoch gibt es in diesem Jahr noch eine weitere Chance, globale Gesundheit unter der Führung der WHO in eine neue Richtung zu weisen: In einem gemeinsamen Brief mit der norwegischen und ghanaischen Regierung forderte Bundeskanzlerin Merkel Dr. Tedros dazu auf, die Federführung der Ausarbeitung eines „Globalen Aktionsplans für ein gesundes Leben und das Wohlergehen aller Menschen“ (Global Action Plan for Healthy Lives and Well‑being for All) zu übernehmen. Und zwar bis zum World Health Summit 2018, der im Oktober in Berlin stattfindet. Der Plan soll ein koordiniertes Vorgehen verschiedener Akteure gewährleisten und die nötigen Schritte bis 2030 definieren. Anhand dieser könnten Organisationen wie Save the Children in ihrer politischen Arbeit Regierungen in die Verantwortung nehmen.
Zur Autorin: Mariam Salloum ist Advocacy Managerin für die Themen Ernährung und Gesundheit bei Save the Children Deutschland e.V. Im Mai war sie als Teil der Save the Children Delegation bei der 71. Gesundheitsversammlung in Genf.