Entlastungspaket hilft nicht gegen Kinderarmut
Wenn Sie ihren Blick über einen deutschen Spielplatz gleiten lassen, auf dem gerade fünf Kinder spielen, ist eines von ihnen – rein statistisch gesehen – armutsbetroffen. Soweit die Realität im viertreichsten Land dieser Erde. Steigende Inflationsraten sowie besonders hohe Lebensmittel- und Energiepreise treffen vor allem die Kinder hart, denen bereits vorher nicht ausreichend Geld zur Verfügung stand.
Armutsbetroffene Familien mit Kindern sind von der hohen Inflationsrate besonders betroffen. Denn wenn alles teuer wird, ist es immer schwerer, von wenig Geld zu leben. Ganz konkret: Einem alleinerziehenden Elternteil, das Hartz-IV bezieht, stehen im Monat 449 Euro zur Verfügung. Kindern zwischen 285 und 376 Euro. Von diesem Geld müssen sie den größten Teil ihrer alltäglichen Bedarfe, außer den Wohnkosten, bestreiten.
Entlastung ist wichtig
Die Bundesregierung hat sich richtigerweise dazu entschlossen, die Menschen in Deutschland in der Energiekrise und Inflation zu entlasten. Doch was bedeuten die Maßnahmen für armutsbetroffene Kinder und ihre Familien? Wir haben uns das neue Entlastungspaket genauer angeschaut.
Diese Maßnahmen sind für Kinder besonders relevant:
- Vertragsrechtliche Verhinderung von Strom- und Gassperren, damit kein Kind im Winter ohne Strom und Heizung leben muss.
- Gedeckelte Strompreise, damit Strom bezahlbar bleibt.
- Erhöhung des Kinderzuschlages auf maximal 250 Euro monatlich.
- Erhöhung des Kindergeldes um 18 Euro monatlich.
Auffällig ist: Die unmittelbaren zusätzlichen Entlastungen für Familien mit Kindern in Hartz-IV-Bezug fallen verschwindend gering aus. Die Regierung setzt in ihrem Entlastungspaket darauf, Hartz-IV-Leistungsberechtigte mit der Einführung des neuen Bürgergeldes zu unterstützen, das ab 01.01.2023 das sogenannte Hartz IV ersetzen soll. Die Regelsätze des Bürgergeldes sollen zwar an die Inflationsrate angepasst werden, an der Systematik der Berechnung ändert sich jedoch nichts.
Kinderarmut effektiver bekämpfen
Die Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlages kommt nicht bei armutsbetroffenen Kindern an, da es auf den Hartz-IV-Satz angerechnet wird. Auch wenn es bereits einige Entlastungen für Hartz-IV-Haushalte gab, reichen diese bisher nicht, um die Inflation konsequent abzufedern. Vor allem durch den Anstieg der Nahrungsmittelpreise ist die ohnehin vorhandene Gefahr von einseitiger Ernährung und Nährstoffmangel bei diesen Kindern noch einmal gestiegen. Denn der Hartz-IV-Satz lies schon vor der Inflation kaum gesunde Ernährung zu. Auch steigende Strompreise müssen von den Familien aus den Regelsätzen bezahlt werden.
Gegen Kinderarmut kann neben anderen strukturellen Veränderungen nur eine realistische Anpassung der Regelsätze auf ein deutlich höheres Niveau helfen. Wohlfahrtsverbände und andere zivilgesellschaftliche Akteure zeigen seit Jahren auf, dass es
- eine neue Berechnungsmethode bräuchte und
- der Regelsatz zur Teilhabesicherung bei über 600 € liegen müsste.
Höhere Regelsätze und 9-Euro-Ticket
Neben den höheren Regelsätzen haben sich viele Menschen für den Erhalt des 9-Euro-Tickets ausgesprochen. Das vergünstigte ÖPNV-Ticket war ein sehr effektiver sozialpolitischer Ansatzpunkt, um armutsbetroffene Familien finanziell zu entlasten und ihre Teilhabe zu steigern. Diese Familien erhalten nur 24 bis 40 Euro monatlich für öffentliche Verkehrsmittel. Durch das 9-Euro-Ticket konnten also konkret und unmittelbar einige Euro gespart werden. Das von der Bundesregierung eingeplante 49- oder gar 69-Euro-Ticket, das ab 2023 eingeführt werden soll, wäre für sie also weder entlastend noch überhaupt erschwinglich.
Fazit: Maßnahmen zu wirkungsschwach
Insgesamt bleibt das dritte Entlastungspaket also zu wirkungsschwach für die am meisten belasteten Menschen unserer Gesellschaft. Die konkrete Situation der Millionen von armutsbetroffenen Kindern in Deutschland wird es nicht verbessern. Das 9-Euro-Ticket als solidarisches Instrument der Sofortentlastung hätte über den Winter verlängert werden müssen. Für eine langfristige Lösung braucht es eine Art von vergünstigtem Sozial-Tarif, der Teilhabe langfristig sichert. Nur so ist der Besuch bei den entfernter lebenden Großeltern für armutsbetroffene Kinder kein Luxusgut.