Global Nutrition Report 2020: Mangelernährung weit verbreitet
Jahrzehntelang sank die Zahl der Hungernden weltweit, seit drei Jahren steigt sie allerdings wieder an. Im Mai wurde der Global Nutrition Report 2020 veröffentlicht. Er zeigt, dass in nahezu allen Ländern weltweit Formen von Mangelernährung verbreitet sind. Doch das Risiko, davon betroffen zu sein, ist sehr ungleich verteilt: Nach wie vor entscheiden Faktoren wie Einkommen, Herkunft oder Geschlecht darüber, ob ein Mensch Zugang zu einer gesunden Ernährung hat oder nicht.
Von den insgesamt 194 Ländern, deren Ernährungssituation im Bericht analysiert wurden, ist in 143 Ländern mindestens eine Form von Mangelernährung verbreitet. Jeder neunte Mensch weltweit leidet an Unterernährung, jeder dritte Mensch ist übergewichtig.
Klimawandel, Konflikte & Corona-Pandemie begünstigen Mangelernährung
Weltweit sind vor allem Menschen von Mangelernährung betroffen, die aus verschiedenen Gründen diskriminiert sind – zum Beispiel aufgrund ihrer finanziellen Situation, ihres Wohnortes oder ihrer Herkunft. Doch auch Konflikte, Wirtschaftskrisen und die Auswirkungen des Klimawandels, zu denen extreme Wetterereignisse wie immer öfter wiederkehrende Dürren zählen, sorgen für langandauernde Ernährungsinstabilität. Die Corona-Pandemie verschlimmert diese Probleme maßgeblich. Weltweit können Menschen nicht mehr arbeiten und verlieren somit ihre Einkünfte, gleichzeitig steigen Lebensmittelpreise an und Hilfslieferungen in Krisenregionen können nicht mehr gewährleistet werden. Zahlreiche Länder der Welt sind durch die Pandemie von Hungerkrisen bedroht. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen könnte sich die Zahl der Hungernden weltweit verdoppeln.
Mangelernährung tritt in vielen Formen auf:
- Unterernährung bedeutet, dass ein Mensch über einen längeren Zeitraum weniger Energie zu sich nimmt, als er eigentlich benötigt, um sein eigenes Körpergewicht zu halten und sich gesund zu entwickeln. Besonders Kinder in Entwicklungsländern leiden an dieser Form der Mangelernährung.
- Mikronährstoffmangel bedeutet, dass ein Mensch nicht genug Nährstoffe wie Mineralstoffe oder Vitamine zu sich nimmt. Auch die Unterversorgung mit Nährstoffen wirkt sich negativ auf die geistige und körperliche Entwicklung von Kindern und Heranwachsenden aus.
- Überernährung bedeutet, dass ein Mensch über einen längeren Zeitraum mehr Energie zu sich nimmt, als er eigentlich benötigt. Die Folgen: Übergewicht und in besonders schlimmen Fällen Fettleibigkeit.
In Breitbidge, einem Bezirk in Simbabwe nahe der südafrikanischen Grenze, kümmert sich Vimbai (38) allein um ihre Kinder. Schon vor Beginn der Corona-Pandemie haben klimabedingte Katastrophen wie die bereits seit letztem Jahr andauernde Dürre zu großen Ernteausfällen geführt und im Zusammenspiel mit einer fortwährenden Wirtschaftskrise und hohen Arbeitslosigkeit eine dramatische Ernährungskrise in dem Land ausgelöst. In Simbabwe sind 6 Millionen Menschen in städtischen und ländlichen Gebieten auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.
Um über die Runden zu kommen, ist Vimbai auf die Hilfe ihrer Nachbarn und der Emergency Health Unit von Save the Children angewiesen.
Corona-Pandemie verschärft bereits existierende Probleme
Auch in vielen anderen Ländern auf der Welt ist die Lage prekär. Während Heuschrecken und Dürren die Bevölkerungen Ostafrikas bedrohen, sind die Lieferketten für Hilfsgüter in Krisenländern wie dem Jemen unterbrochen. Zahlreiche Kinder können nicht zur Schule gehen, wodurch ihnen die oftmals einzige Mahlzeit am Tag fehlt. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt zusammenkommen und die am stärksten benachteiligten Menschen durch zusätzliche Finanzmittel unterstützen. Neben Sofortmaßnahmen wie der Versorgung mit Lebensmitteln muss die Bekämpfung der Ursachen von Mangelernährung konsequent angegangen werden.
Ungleichheiten in Ernährungssystemen müssen dringend adressiert werden
Der Global Nutrition Report 2020 betont die Dringlichkeit, bestehende Ungleichheiten im globalen Ernährungssystem zu adressieren und zu verhindern, dass sich diese durch die COVID-19-Pandemie vergrößern. Die überwiegende Mehrheit der Menschen hat keinen Zugang zu einer gesunden Ernährung und kann sich diese auch nicht leisten. Die Gründe hierfür sind komplex und finden sich entlang der ganzen Versorgungskette wieder. Um Mangelernährung langfristig zu reduzieren, müssen schon jetzt von Ernährungssystemen benachteiligte Gruppen besondere Aufmerksamkeit bekommen. Praktisch heißt das unter anderem, dass sich Entwicklungspolitik auf die am stärksten Betroffenen konzentrieren und diese in die Entwicklung von Programmen einbeziehen müssen.
Integration von Ernährungsmaßnahmen in eine Universelle Gesundheitsversorgung
Eine Empfehlung des Reports ist es, Ernährungsmaßnahmen langfristig in eine Universelle Gesundheitsversorgung zu integrieren. Insbesondere Kinder unter 5 Jahren tragen die Konsequenzen von Mangelernährung. Weltweit sind es 149 Millionen Kinder dieser Altersgruppe, die an durch Mangelernährung verursachten Wachstumsverzögerungen („Stunting“) leiden. Diese beeinträchtigen sie ein Leben lang. Ernährungsmaßnahmen machen derzeit nur einen kleinen Teil der nationalen Gesundheitsbudgets aus, obwohl sie sehr kosteneffektiv sind und Gesundheitsausgaben langfristig senken können. Sie müssen fest in Gesundheitsprogramme integriert werden. Konkret könnte das bedeutet, dass mobiles Gesundheitspersonal gefördert wird, um bereits früh Mangelernährung zu diagnostizieren und Eltern mithilfe von Aufklärungsmaßnahmen unterstützt, ihre Kinder gesund zu ernähren.
Mehr Informationen zum Global Nutrition Report 2020 und den Ergebnissen finden Sie hier.