Hand in Hand für die Kinderrechte
Ob Kitaplatz, Hilfen vom Jugendamt oder medizinische Versorgung: In Deutschland haben alle Kinder die gleichen Rechte – das verspricht die UN-Kinderrechtskonvention. Sie gilt auch für Mädchen und Jungen, die mit ihren Familien hierher geflüchtet sind. Doch oft leben sie unter schwierigen Bedingungen viele Monate, manchmal über Jahre in Erstaufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften. Mit zwei Projekten setzen wir uns für ihre Rechte ein.
„Kommen Kinder oder Jugendliche allein in Deutschland an, unterstützt unser Kinder- und Jugendhilfesystem sie direkt“, sagt Marie Nadjafi-Bösch, die das Projekt 'Kinder schützen, Strukturen stärken!' leitet.
Viele Eltern tragen nach der Flucht eine immense Last, manche verlieren dabei die Bedürfnisse der Kinder aus dem Blick. Andere haben Traumatisches erlebt, haben Angehörige zurückgelassen oder zunächst Schwierigkeiten, sich im neuen Land zurechtzufinden. Dazu kommen Sprachbarrieren. Die Situation in Gemeinschaftsunterkünften birgt zusätzliche Risiken: Es ist laut und eng, oft werden Sanitärräume und Küchen mit anderen geteilt. Viele Eltern können die gewohnten familiären Abläufe hier nicht aufrecht erhalten. Bis die Kinder in eine reguläre Schule oder einen Kindergarten gehen, entkommen sie dieser Situation kaum: Oft verbringen sie die meiste Zeit in der Unterkunft und haben wenig Möglichkeiten zum Kontakt mit Kindern außerhalb.
Die bestehenden Hilfen nutzen
Das Ziel unserer beiden Projekte: In Zusammenarbeit mit den kooperierenden Bundesländern und Betreibern von Unterkünften wollen wir systematisch bessere Voraussetzungen dafür schaffen, dass geflüchtete Kinder und Jugendliche ihre Rechte wahrnehmen können. "Wir wollen erreichen, dass Mindeststandards für den Schutz, aber auch für andere Kinderrechte in allen Unterkünften verankert werden", erklärt Stefanie Röhrs, die das zweite Projekt mit dem Titel 'Qualität in der Vielfalt sichern' leitet. Wichtig dabei: Es geht nicht darum, ein Parallelsystem für geflüchtete Kinder zu schaffen. Sondern dafür zu sorgen, dass die Familien die bestehenden Angebote und Hilfen kennen und nutzen können. Und dass nicht nur die Betreiber, sondern auch die einzelnen Mitarbeitenden in den Unterkünften für den Schutz und die Belange der Kinder sensibilisiert sind. "Das müssen manchmal keine riesigen Veränderungen sein. Wichtig ist zum Beispiel eine klar benannte Ansprechperson, die in Kontakt mit dem örtlichen Jugendamt steht", so Marie Nadjafi-Bösch.
'Kinderrechte-Check' für Unterkünfte
Beide Projekte begannen mit einer Bestandsaufnahme, im Projekt 'Kinder schützen, Strukturen stärken!' wurde zudem ein Rechtsgutachten zur bundesweiten Situation erstellt. In Berlin und Sachsen-Anhalt wurden sowohl Mitarbeitende als auch Familien in Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften systematisch befragt. In Niedersachen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg wurden die Strukturen und Konzepte für den Kinderschutz in Unterkünften unter die Lupe genommen. Welche Probleme nennen Bewohner*innen und Mitarbeitende für die jeweilige Unterkunft? Gibt es ein Kinderschutzkonzept? Werden Kinder an Entscheidungen beteiligt, können sie zur Schule gehen? Zum Einsatz kam in Berlin und Sachsen-Anhalt dabei ein spezieller Leitfaden, mit dem die Umsetzung der Kinderrechte ganz konkret überprüft werden kann: Dieser 'Kinderrechte-Check', den Save the Children bereits in einem früheren Projekt entwickelt hat, wurde dabei zugleich überarbeitet und kann künftig von Behörden, die für die Qualitätssicherung in Unterkünften zuständig sind, oder von Unterkünften selbst genutzt werden.
So werden die Projekte finanziert:
'Qualität in der Vielfalt sichern':
Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Kommission (AMIF), private Spender*innen
'Kinder schützen, Strukturen stärken!':
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), private Spender*innen, Kooperationspartner dieses Projekts: Plan International Deutschland e. V.
Unterkünfte wirken mit
Schon die Fragen des 'Kinderrechte-Checks' regten manchmal Änderungen an, erzählt Stefanie Röhrs. "So fragen wir zum Beispiel, ob es in der Unterkunft Beteiligungsformate für Kinder gibt, wie eine eigene Kindersprechstunde beim Sozialdienst. Eine Unterkunft hat diese Idee sofort aufgenommen und sie eingeführt." Doch die eigentliche Arbeit folgte erst nach der Bestandsaufnahme: die Schulung, Beratung und Begleitung einerseits einzelner Unterkünfte und andererseits der zuständigen Behörden auf Landesebene. "Hier ging es zum Beispiel darum, welche Standards Betreiber beim Kinderschutz oder der Kinderbetreuung erfüllen müssen, damit sie beauftragt werden können", sagt Nadjafi-Bösch.
Aber das Projekt zielt auch darauf, konkrete Verfahren für alle Unterkünfte zu entwickeln, die bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung greifen. Für Baden-Württemberg konnte das Projekt einen solchen einheitlichen Ablauf erarbeiten und im Bundesland verbreiten. Um Kinder besser zu schützen, schulten speziell ausgebildete Trainer*innen unter anderem Mitarbeitende des Sozialdiensts zu Themen wie interkultureller Sensibilität oder dem Erkennen psychischer Belastungen. "Besonders schön war zu sehen, wie sich die Zusammenarbeit mit den Unterkünften entwickelt hat", erzählt Röhrs. "Der gute Wille ist da, oft fehlen aber Strukturen oder auch Wissen. Hier bieten unsere Projekte Lösungen an."
So helfen die Projekte
- Drei Gemeinschaftsunterkünfte und eine Erstaufnahmeeinrichtung in Berlin und Sachsen-Anhalt wurden beispielhaft mit Blick auf die Kinderrechtssituation evaluiert und dabei unterstützt, sie zu verbessern.
- Die verantwortlichen Ministerien in Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein erhielten konkrete Vorschläge und Beratung, um Mindeststandards in Unterkünften sicherzustellen.
- Der „Kinderrechte-Check“, der 2020 veröffentlicht wird, bietet einen praxiserprobten Leitfaden, um Schwachstellen in Unterkünften zu erkennen und Lösungen zu finden.