Hunger, Armut, Taliban: Die schwierige Lage der Kinder in Afghanistan
Ein Jahr ist es her, seit die Taliban in Afghanistan die Macht übernommen haben. Seitdem hat sich die Situation vor allem für die Kinder im Land dramatisch verschlechtert. Sie haben Hunger, leiden unter seelischer Not und können oft nicht zur Schule gehen.
Parishad* ist 15 Jahre alt und lebt im Norden Afghanistans. Sie kann nicht zur Schule gehen, weil das Geld für Bücher und Hefte fehlt. Als die Familie auch ihre Miete nicht mehr zahlen konnte, bot der Vermieter an, eines der Kinder zu kaufen. Die Eltern lehnten ab – und verloren die Wohnung.
Kein Einzelfall
Machtübernahme der Taliban
Am 15. August 2021 brachten die Taliban Afghanistan wieder unter ihre Kontrolle. Daraufhin kam es zu dramatischen Fluchtversuchen aus dem Land, internationale Hilfen in Milliardenhöhe wurden zurückgezogen und Devisenreserven eingefroren. Das Bankensystem brach zusammen. Zur Wirtschaftskrise kam die schlimmste Dürre seit 30 Jahren.
Im Mai und Juni 2022 haben wir rund 1.450 Familien in Afghanistan zu ihrer Situation ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban befragt. Der daraus entstandene Bericht: Breaking point: Life for children one year since the Taliban takeover zeigt: Die Lage ist katastrophal. Rund 97 Prozent der Familien gaben an, ihre Kinder nicht ausreichend ernähren zu können, und dass Mädchen weniger Essen zu sich nehmen als Jungen. Fast 80 Prozent der befragten Kinder berichteten, dass sie im Vormonat hungrig zu Bett gegangen seien. Neun von zehn Mädchen machen sich Sorgen, weil sie kaum noch Energie zum Lernen, Spielen oder für ihre täglichen Aufgaben haben.
Kinderrechte werden mit Füßen getreten
Was Kinder und ihre Familien aus Afghanistan berichten, ist katastrophal.
- Mehr als 45 Prozent der befragten Mädchen können nicht zur Schule gehen; bei den Jungen sind es 20 Prozent. Gründe sind vor allem wirtschaftliche Not und das durch die Taliban verhängte Sekundarschulverbot.
- Es kommt immer häufiger zu Frühverheiratungen, weil es für viele Familien die einzige Chance ist, ihr Überleben zu sichern.
- 26 Prozent der Mädchen und 16 Prozent der Jungen zeigen Anzeichen von Depressionen.
- 27 Prozent der Mädchen und 18 Prozent der Jungen leiden unter Angstzuständen. Sie sorgen sich, schlafen schlecht oder haben Albträume. Vieles, was sie früher glücklich gemacht habe, sei nicht mehr möglich, etwa in Parks oder Geschäfte zu gehen, berichten vor allem Mädchen.
Sollte sich nichts an der Situation ändern, so werden noch mehr Kinder in Afghanistan ihrer Kindheit beraubt.
Dabei kann die Lösung nicht allein in Afghanistan liegen. Es muss jetzt Aufgabe der Staatengemeinschaft sein, sofort humanitäre Mittel bereitzustellen und einen Weg zu finden, die Wirtschaft zu stützen und das Bankensystem zu beleben. Je länger wir warten, desto mehr Kinder sind bedroht.
So hilft Save the Children
Wir unterstützen Familien wie die von Parishad* unter anderem mit Bargeldhilfen. Diese können sie nach ihren Bedürfnissen einsetzen.
Save the Children ist seit 1976 in Gemeinden in ganz Afghanistan aktiv und schützt die Rechte von Kindern auch in Zeiten von Konflikten, Regimewechseln und Naturkatastrophen. Wir leiten Programme in neun Provinzen und arbeitet mit Partnern in sechs weiteren Provinzen zusammen. Im August 2021 weitete Save the Children die Hilfe noch einmal aus. Wir leisten Unterstützung in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Kinderschutz, Wasser, Sanitär und Hygiene sowie Ernährungssicherheit und Existenzsicherung. Seit September 2021 hat Save the Children mehr als 2,5 Millionen Menschen erreicht, darunter 1,4 Millionen Kinder.
Jetzt für Kinder in Afghanistan spenden
Damit wir noch mehr Kinder in Afghanistan erreichen können, sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende. Mit rund 120 Euro können wir beispielsweise sechs Familien mit Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Öl und Bohnen etwa zehn Tage lang versorgen. Vielen Dank!
*Namen zum Schutz geändert.