In eigenen Worten: Luis* über sein Leben im urbanen Caracas, Venezuela
In dieser Textreihe kommen Kinder und Jugendliche selbst zu Wort. Der 13-jährige Luis* lebt mit seiner Familie in der venezolanischen Hauptstadt Caracas. Seitdem sein Stiefvater vor einem Jahr an Corona verstorben ist, hat die Familie große Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen. Save the Children stellt humanitäre und pädagogische Unterstützung für gefährdete Kinder wie Luis*und ihre Familien bereit, die von den Folgen der Wirtschaftskrise in Venezuela betroffen sind.
Luis* lebt mit seinem Bruder und seiner Mutter auf engstem Raum inmitten der Millionenstadt Caracas. Fließend Wasser oder ein Badezimmer hat ihre Wohnung nicht. Zugang zu Trinkwasser gibt es nur wenige Stunden pro Woche, den Großteil des täglichen Wasserbedarfs muss die Familie über einen Brunnen in der Nachbarschaft decken. Obwohl sie in einer engen Gemeinschaft leben, ist die Kriminalität in der Nachbarschaft weit verbreitet, manchmal kommt es sogar zu Schießereien. Dadurch fühlt sich Luis* oft sehr unsicher, wenn er mit seinem Bruder außerhalb der Wohnung spielt.
Durch die schwere Wirtschaftskrise im Land sind die Lebensmittelpreise in die Höhe geschossen, Luis* Mutter Emily versucht ihr Möglichstes, um ihr Einkommen als Privatlehrerin und durch den Verkauf von Kunsthandwerk aufzubessern. Derzeit unterrichtet sie 18 Kinder und berechnet jeder Familie umgerechnet einen US-Dollar pro Woche. Hier erzählt Luis* von den Herausforderungen, die seinen Alltag bestimmen und von seinen Wünschen für die Zukunft.
Ich heiße Luis*, bin 13 Jahre alt und habe fünf Brüder und eine Schwester. Ich lebe mit meiner Mutter, Emily*, und meinem Bruder Samuel* zusammen. Wenn ich groß bin, möchte ich Landwirtschaftsingenieur werden. Ich interessiere mich für die Landwirtschaft, weil mein Vater mich immer in den Garten mitgenommen und es mir großen Spaß gemacht hat, mit ihm zu säen und dort zu arbeiten.
Ich lerne gerne. Mathe ist mein Lieblingsfach, weil es besonders schwierig ist. Mein größter Traum ist es, hier wegzugehen und mit meiner Familie woanders zu leben. Ich mag die Gegend hier, aber ich hätte gerne ein großes Haus, mein eigenes Haus. Ich möchte mich sicher fühlen. Wenn man Basketball oder etwas anderes spielt, müsste man dann [keine Angst haben] und nicht weglaufen, wenn geschossen wird. Ich möchte sicher spielen können.
Das letzte Mal, [als geschossen wurde], war ich nicht hier. Ich war mit meinem Vater im Garten. Mein Bruder hat draußen Murmeln gespielt. Und meine Mutter hat ihm gesagt, er soll nach oben kommen, was er dann auch etwas genervt gemacht hat. Kurz darauf gab es eine Schießerei genau dort. Es war ganz in der Nähe von unserem Zuhause, auf der Straße.
Im Moment ist die Schule geschlossen. Was ich an der Schule vermisse, sind meine Freunde, meine Lehrer, weniger Zeit mit Hausaufgaben zu verbringen. In der Schule lernt man eben, aber im Moment lernen wir gar nichts. Alles dreht sich nur noch um Corona.
Gerade wurde ich in die zweite Klasse versetzt. Ich mache Hausaufgaben, die ich in meinem Ordner aufbewahre. Dann gehen Mama oder ich in meiner Schuluniform in die Schule und geben sie bei meinen Lehrern ab, die sie überprüfen und benoten.
Ich hätte Angst, mich anzustecken, wenn ich in die Schule gehe. Ich habe Angst vor dem Coronavirus und davor, krank zu werden, weil ich nicht weiß, was es mit mir machen würde. Vor dem Coronavirus sind wir immer rausgegangen, alles war in Ordnung. Aber mit der Pandemie mussten die Kinder um 17 Uhr zu Hause sein. Und wir konnten nicht einmal Wasser [aus dem Brunnen] holen, Dinge kaufen, nichts. Früher bin ich in die Geschäfte gegangen, um Cornflakes zu kaufen, oder Saft. Jetzt verkaufen sie nur noch abgestandene, nicht mehr frische Sachen.
Ich möchte spazieren gehen, aber jetzt kann man das nicht mehr.
In der Zukunft möchte ich Kindern helfen, die zum Beispiel unterernährt sind und kein eigenes Zuhause haben.
Anmerkung der Redaktion: Auf Grundlage des Projekts "Bereitstellung humanitärer Hilfe für gefährdete Kinder und ihre Familien, die von der Krise in Venezuela betroffen sind", half Save the Children dieser Familie mit pädagogischer Unterstützung für die Kinder sowie durch die Bereitstellung von Schutz- und Spielräumen.
Das Projekt wird an 18 Schulen durchgeführt, wo unter anderem auch Lebensmittelpakete und Lernmaterialien verteilt werden. Zudem fördert Save the Children Schüler*innengruppen, in denen Kinder und Jugendliche an öffentlichen Debatten teilnehmen und sich Gehör verschaffen können. Dieses Interview mit Luis* und seiner Familie wurde von einer Save the Children-Mitarbeiterin im August 2021 geführt.
* Name zum Schutz geändert