Keine Kompromisse bei Menschenrechten: So muss das Lieferkettengesetz nachgebessert werden
Nach jahrelangem Ringen um ein verbindliches Lieferkettengesetz hat die große Koalition nun eine Einigung erzielt. Das Resultat ist jedoch ernüchternd – vor allem in Hinsicht auf den Schutz von Menschen- und Kinderrechten in globalen Lieferketten. Als internationale Kinderrechtsorganisation fordern wir Nachbesserungen, etwa bei der Reichweite der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette und der festgelegten Unternehmensgröße.
Das Lieferkettengesetz ist eine wichtige Initiative, um Menschen- und Kinderrechte in globalen Lieferketten langfristig zu schützen und Unternehmen und Lieferanten verbindlich in die Verantwortung zu nehmen. Eineinhalb Jahre lang diskutierten CDU und SPD über den Vorstoß von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller und Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil, globale Lieferketten zukünftig gerechter und transparenter zu gestalten.
Zentrale Streitfragen waren dabei, ab welcher Unternehmensgröße ein solches Lieferkettengesetz greifen soll und zudem, inwiefern Unternehmen bei ihnen bekannten Menschenrechtsverstößen haften müssen. Bisher unterliegen Unternehmen einer sogenannten Sorgfaltspflicht in globalen Lieferketten nur auf freiwilliger Basis des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte. Für die Wahrung von Menschenrechten ist es jedoch entscheidend, dass die Sorgfaltspflicht verbindlich ausgeweitet wird – und das über Ländergrenzen hinweg.
Lieferkettengesetz soll ab 2023 gelten
Nun hat sich die große Koalition auf einen Kompromiss geeinigt. Die Diskussion über den Gesetzesentwurf dürfte damit jedoch nicht beendet sein. Denn das Lieferkettengesetz, das ab dem 1. Januar 2023 in Kraft treten soll, wird seinem ursprünglichen Anspruch aktuell nicht gerecht.
So wurde beim Streitpunkt der Unternehmensgröße entschieden, dass das Gesetz zunächst nur für Firmen mit über 3.000 Mitarbeitenden und ab 2024 mit über 1.000 Mitarbeitenden gelten soll. Damit wird der gesamte Mittelstand und somit die derzeit größte Gruppe von Unternehmen in Deutschland von den Verpflichtungen in Lieferketten ausgenommen. Zudem müssen dabei nur die eigenen Aktivitäten und die von direkten Lieferanten bewertet werden. Die zivilrechtliche Haftung entlang der gesamten Lieferkette und damit eine der wichtigsten Zielvorhaben wird demnach beim aktuellen Gesetz ausgeklammert.
Lieferkettengesetz: Status quo für Menschen- und Kinderrechte
Als internationale Kinderrechtsorganisation nimmt sich Save the Children bereits seit vielen Jahren dem Schutz von Kinderrechten in globalen Lieferketten an. Durch unsere langjährige praktische Erfahrung und Zusammenarbeit mit Unternehmen wissen wir, wie bereits kleine Investitionen in faire Lieferketten wichtige Verbesserungen herbeiführen können. Vor diesem Hintergrund erscheint das Lieferkettengesetz als ernüchternder Kompromiss, der sich für viele betroffene Menschen und Kinder in Lieferketten kaum bemerkbar machen wird.
So verändert sich zum Beispiel für Kinder auf Kakaoplantagen, die oft unter menschenunwürdigen Bedingungen und für einen Hungerlohn arbeiten müssen, so gut wie nichts. Denn deutsche Unternehmen werden nicht dazu verpflichtet sein, im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass Kinder nicht Opfer von Kinderarbeit werden und ihre Rechte auf Bildung, Gesundheit und Schutz gewahrt werden solange ihre Verantwortung nur zum direkten Lieferanten reicht.
Zudem muss die Einhaltung von Menschen- und Kinderrechten für alle Unternehmen gelten – und dies entlang der gesamten Lieferkette, also auch für Zulieferer der direkten Lieferanten von Firmen. Darüber hinaus werden Unternehmen derzeit durch die Unkenntnis von Verstößen geschützt, nach dem Motto: Wenn Firmen Menschenrechtsverletzungen nicht nachvollziehen können, müssen sie auch nicht handeln. Dieser Spielraum ist inakzeptabel und könnte aufgrund der Komplexität von Lieferketten schnell zweckentfremdet werden.
Daher leistet dieses Lieferkettengesetz für Menschen- und Kinderrechte weltweit derzeit nicht mehr, als den Status Quo aufrechtzuerhalten. Um für mehr Transparenz und Prävention zu sorgen, sowie die Aufarbeitung von Menschenrechtsverstößen zu fördern, muss die Bundesregierung insgesamt nachbessern.
Anmerkung der Redaktion: Ein ausführliches Statement von Save the Children zum Lieferkettengesetz finden Sie hier.
*Name zum Schutz geändert