Kinder in der Elfenbeinküste: “Mir springt täglich die Angst ins Gesicht”
Unsere Mitarbeiterin Ina Blümel ist in der Elfenbeinküste im Einsatz. Die ausgebildete Krankenschwester und Gesundheitsexpertin aus Norddeutschland arbeitet seit 8 Jahren in der Not- und Katastrophenhilfe.
„Es fehlt an Überlebensnotwendigem. Es gibt weder medizinische Geräte noch Medikamente. Die meisten Ärzte und Krankenschwestern sind während der Kämpfe in den vergangenen Wochen geflohen. Im größten Flüchtlingslager Duékoué leben derzeit 23.000 Menschen – und es gibt gerade einmal drei Hebammen für die vielen Schwangeren und jungen Mütter. Unter den Flüchtlingen sind viele Schwangere. Viele von ihnen müssen ihr Kind unter katastrophalen Umständen gebären. Einige bringen ihr Kind in den Büschen zur Welt. Sobald aber Komplikationen auftreten, wird es für Mutter und Kind lebensgefährlich. Das größte Problem, vor allem langfristig gesehen, ist, dass es nicht genug Hebammen gibt. Die wenigen Hebammen die es gibt arbeiten unter schwersten Bedingungen.Mir springt täglich die Angst ins Gesicht. Die Menschen, vor allem die Kinder in den Flüchtlingslagern, werden von ihrer Angst verfolgt, weil sie nicht sicher sind. So eine angsterfüllte Atmosphäre habe ich während meiner achtjährigen Arbeit als Katastrophenhelfer noch nie gespürt. Nach der Festnahme des ehemaligen Präsident Gbagbo wurden etliche Freudenfeuer entfacht. Es wurden laute Schüsse in die Luft abgegeben. Die Menschen in den Flüchtlingslagern zuckten vor Angst zusammen und waren völlig verstört. Die Kinder haben Angst. Die Angst beherrscht die Atmosphäre in den Flüchtlingslagern. Ich habe mit einem 14-jährigen Jungen gesprochen. Der Junge hat seine Mutter und seinen Vater verloren. Er ist alleine geflüchtet von Abidjan bis nach Bouaké. Er war tagelang alleine unterwegs. Er schilderte mir was er erlebt hatte, soweit er das in Worte fassen konnte. Er konnte überhaupt nicht begreifen was ihm passiert war. Kinder wie er haben in den vergangenen Wochen Unvorstellbares erlebt, Gewalt, Plünderungen, Schießereien, Vergewaltigungen. Am Ende konnten wir beide nur schweigen.
Wir fragen die Menschen, was sie am dringendsten brauchen. Die meisten sagen uns, dass sie wieder nach Zuhause zurückkehren möchten und endlich keine Angst mehr haben müssen. Es ist ganz wichtig für uns, neutral zu bleiben, Save the Children hilft allen Menschen, unabhängig davon ob sie Anhänger der einen oder anderen Partei sind! Neben den politischen Auseinandersetzungen gibt es auch interethnische Konflikte. Häufig sind die Menschen der einen Seite des Flusses gegen die Menschen auf der anderen Seite des Flusses. Mit dem Ende des Machtkampfs zwischen Gbagbo und Ouattara sind diese Konflikte nicht plötzlich beendet.
Wir arbeiten hier praktisch rund um die Uhr. Ich bin seit drei Wochen in Côte d’Ivoire und werde noch bis Anfang Juni bleiben. Es gibt so unendlich viel zu tun. Natürlich ist das kräftezehrend. Aber ich arbeite ja schon seit acht Jahren in solchen Katastrophenhilfe Einsätzen und kann das ganz gut aushalten. Der tägliche Kontakt zu meiner Familie: das ist Seelenpflege.”