MakerSpace: Ein Projekt für mehr Bildungsgerechtigkeit in Deutschland
Bildungserfolg hängt in Deutschland maßgeblich von der sozialen Herkunft ab. Gleichzeitig verändert die Digitalisierung in atemberaubender Geschwindigkeit unser Leben – und dazu unsere Arbeitswelt. Im Pilotprojekt MakerSpace beschäftigt sich Save the Children mit den Fragen rund um das Lernen der Zukunft. In enger Kooperation mit dem pädagogischen Projektpartner “Junge Tüftler gGmbH“ wollen wir digitale Bildung an Schulen verbessern und so für mehr Bildungsgerechtigkeit und -erfolg sorgen. Wie genau, verraten uns Julia, Elisabeth und Franz im Interview.
Das gemeinnützige Unternehmen “Junge Tüftler gGmbh“ setzt sich auf vielfältige Weise mit dem Thema digitale Bildung auseinander und möchte junge Menschen dazu befähigen, Technologie zielführend einzusetzen, um die Welt zu gestalten und daran teilzuhaben. Benachteiligte Kinder und Jugendliche werden hier fit für den Arbeitsmarkt der Zukunft gemacht, indem sie den Raum als digitale Lernwerkstatt zum Tüfteln und Ausprobieren nutzen können. Im Interview beantworten uns Julia, Elisabeth und Franz von “Junge Tüftler" Fragen rund um den MakerSpace und wie das praxisorientierte Projekt durch Save the Children trotz Corona-Pandemie fortgeführt werden kann.
Was ist ein MakerSpace und an wen richtet er sich?
Julia: Begriff und Konzept des MakerSpaces sind inspiriert von der Makerbewegung in Amerika. Es geht darum, zu “machen“, also schnell Ideen in einen Prototypen zu übersetzen. Dabei lernt man unheimlich viele verschiedene Dinge auf einmal, z.B., eine Maschine anzuwenden, Ideenentwicklung, Planung, Fertigung, aber auch Teamwork. Mit dieser Art zu lernen baut Save the Children auf einer langjährigen Tradition auf, auch in Deutschland gibt es das Konzept schon lange.
Wie lernt man im MakerSpace und wie profitieren die Kinder und Jugendlichen davon?
Julia: Der MakerSpace ist vor allem eine inspirierende Umgebung und funktioniert ganz anders, als wir Schule sonst kennen. Egal, wie Sie die Bänke in einem Klassenraum anordnen, Sie haben immer die Situation, dass an der Tafel jemand die*den Vorsager*in mimt und die anderen das so Gelernte auf verschiedene Arten wiedergeben. Im MakerSpace lernen Lehrkräfte und Schüler*innen gemeinsam, auf Augenhöhe. Denn weil auch die Pädagog*innen ausprobieren, lernen auch sie immer wieder dazu. So verwandeln sie sich von Wissensvermittler*innen zu Lernbegleiter*innen. Gleichzeitig bekommen die Kinder und Jugendlichen so auch mit, dass sie ernst genommen werden. Gerade für sozial benachteiligte Gruppen ist es wichtig, diese Erfahrung zu machen. Mit dem MakerSpace schafft Save the Children genau das und wir sind begeistert.
Elisabeth: Die Welt wird immer komplexer, wir wissen noch gar nicht, was noch alles auf uns zukommt. Die Lehrkräfte können den Kindern und Jugendlichen auch nur die Lösungen für heute beibringen. Deshalb brauchen wir jeden kreativen Kopf zum Lösen der Probleme der Zukunft. Kinder und Jugendliche sollen möglichst früh daran herangeführt werden, Ideen zu entwickeln und umzusetzen – und vor allem müssen sie lernen, sich das selbst auch zuzutrauen! Sie müssen durch Fehler lernen und begreifen – warum das eine funktioniert hat und das andere nicht. Sie entwickeln gemeinsam, üben dabei Aufgabenverteilung und persönliche Stärken und Schwächen zu analysieren und sinnvoll einzusetzen. Das sind wichtige Fähigkeiten, die sie für ihr ganzes Leben brauchen, sogenannte “21st Century Skills”.
Und wie funktioniert das?
Julia: Die traditionelle Schule vermittelt Wissen ja hauptsächlich auf eine abstrakte Art und Weise, sehr viel über das Texte lesen, Textverarbeitung, Textproduktion und Wissenswiedergabe. Das kommt einem bestimmten Teil von Kindern und Jugendlichen zugute, aber es gibt auch viele, die einen anderen Zugang zum Lernen haben. In den MakerSpaces werden auch andere Fähigkeiten angesprochen. Mädchen und Jungen nähern sich einem Projekt inhaltlich: sie setzen mit der Problematik auseinander. Dann Entwickeln und Bauen sie neue Lösungsansätze und Modelle, sogenannte Prototypen und begreifen auf diese Weise den Sachverhalt. Daher sprechen wir auch von "begreifenden Lernen“.
Außerdem wird viel in Gruppen gearbeitet, wobei sich unterschiedliche Kompetenzen sehr gut ergänzen können. Die Stärken der Einzelnen zu erkennen und sinnstiftend miteinander zu verbinden, ist das Besondere am MakerSpace. So spürt jede*r, dass sie/er mit dem eigenen Können wichtig für das Gelingen des Projektvorhabens ist.
Wie musstet ihr das Projekt aufgrund der Corona-Pandemie anpassen?
Elisabeth: Ein MakerSpace lebt vom gemeinsamen Machen und Ausprobieren, Drucken und Schrauben. Wegen Corona ist der Raum geschlossen. Deshalb konzentrieren wir uns gerade auf die Fortbildungen für die Lehrkräfte. Sie finden über Videokonferenzen statt, was nur halb so schön und auch eine Herausforderung ist.
Franz: Wir hatten gestern die Calliope-Schulung. Calliope mini ist ein Einplatinencomputer, der für Bildungszwecke entwickelt wurde und den man programmieren kann. Durch die Unterstützung von Save the Children haben wir im Vorfeld die Hardware an die Lehrkräfte gesendet. Ich habe dann die Handhabung vor der Kamera vorgemacht und sie konnten das zu Hause nachmachen. Hier muss man sich sehr gut eindenken können, falls mal etwas nicht gleich funktioniert, da ich nicht alles direkt sehen kann, wie wenn ich direkt daneben sitze. Aber das Feedback war bislang durchweg positiv.
Was wünscht ihr euch persönlich für das Projekt?
Julia: Ich wünsche mir, dass das Thema Strahlkraft entwickelt. Save the Children möchte mit dem Pilotprojekt ein Best-Practice-Beispiel geben – in der Hoffnung, dass andere Schulen inspiriert werden, ihren eigenen MakerSpace einzurichten und im Schulalltag zu verankern.
Ich finde es außerdem spannend, das Konzept weiterzudenken: Wo können solche Räume noch sein? Vielleicht auch in Bibliotheken oder in Instituten? Weil es darum geht, die Kinder beim Lernen auf die Zukunft, auf das Leben vorzubereiten, fände ich es schön, das auch an Orten stattfinden zu lassen, wo sie später arbeiten und wirken werden. Wenn man das miteinander verbinden kann, das wäre für mich eine schöne Vision.
Franz: Ich wünsche mir vor allen Dingen, dass das Projekt in die Breite geht. Aus unserer Sicht bereitet diese Art zu lernen ganzheitlicher auf das Leben vor als die herkömmliche Schule. Auch die Lehrkräfte scheinen sich hier übrigens weiterentwickeln zu können. In meinen Fortbildungen starten sie immer eher schüchtern – danach aber sagen sie: Das war super interessant, ich hätte mir das vorher gar nicht zugetraut, aber das kann ich auch selbst machen. Diesen Geist geben sie dann an die Schulkinder weiter.
Elisabeth: Ich hoffe, dass es nach den Sommerferien – oder wann Corona es wieder zulässt – ein bunter und vielfältiger Raum wird, der ganz unterschiedlich genutzt wird.
Dank großzügiger Partner und Unterstützer – wie Adidas, GSK, tesa, Vaude und Wacker Neuson - kann Save the Children Mädchen und Jungen auch hier in Deutschland unterstützen, die in der Corona-Krise besonders benachteiligt sind.