Mehr als 700.000 Rohingya-Kinder sind ohne Grundrechte
Sie sind die am meisten verfolgten Kinder der Welt: Hunderttausende Kinder, die zur muslimischen Minderheit der Rohingya gehören, werden in Asien systematisch diskriminiert und in ihren Rechten verletzt. Das dokumentiert unser neuer Bericht "No Safe Haven".

Der neue Report "No Safe Haven" von Save the Children beleuchtet die Situation der Rohingya-Kinder in Myanmar, Bangladesch, Malaysia, Thailand und Indonesien. Er zeigt: Diese Kinder haben nicht nur in ihrer Heimat Myanmar, sondern auch als Geflüchtete in vier asiatischen Ländern keinen Zugang zu Bildung und rechtlichem Schutz. Sie sind dadurch besonders gefährdet, Opfer von Ausbeutung, Kinderarbeit, Frühverheiratung und Menschenhandel zu werden.
Staatliche Gewalt gegen muslimische Rohingya
In Myanmar ist die muslimische Minderheit der Rohingya seit Jahrzehnten staatlicher Verfolgung und Gewalt ausgesetzt. 2017 eskalierte der Konflikt. Die Gewalt trieb hunderttausende Rohingya in die Flucht, die meisten von ihnen nach Bangladesch. An ihren Zufluchtsorten sind die Rohingya jedoch nicht vor Diskriminierung geschützt. Sie werden unter strengen Ausgangsbeschränkungen in Aufnahmelagern festgehalten oder sind gezwungen, monatelang unter Lebensgefahr auf Flüchtlingsbooten auf hoher See zu treiben, weil kein Land sie einreisen lässt. Etwa 450.000 Rohingya-Kinder sind in Flüchtlingslagern in Bangladesch gestrandet.
Cox's Bazar: Brandkatastrophe im größten Flüchtlingscamp der Welt
Wenn den Rohingya die gefährliche Flucht vor Verfolgung nach Bangladesch gelingt, kommen viele von ihnen nach Cox’ Bazar. Der Name des Distrikts im südöstlichen Bangladesch an der Grenze zu Myanmar ist ein Synonym geworden für das dort existierende größte Flüchtlingscamp der Welt. Von den dort lebenden 640.000 Menschen gehören die meisten zu den Rohingya. Das Camp machte zuletzt Schlagzeilen, als am 22. März dieses Jahres ein Feuer ausbrach, das 15 Menschen das Leben kostete und mehr als 10.000 Unterkünfte zerstörte. Das musste auch die sechsjährige Hafsana* erleben: Sie gehört zu den Rohingya und hat bei der Brandkatastrophe ihr Zuhause verloren. Sie und ihre Geschwister können nachts nicht mehr schlafen, weil sie Angst haben, dass das Feuer wieder ausbricht.
Corona schränkt Hilfe für Rohingya weiter ein
Die Covid-19-Pandemie hat die Situation für geflüchtete Rohingya weiter verschärft. Regierungen haben die Bewegungsfreiheit eingeschränkt und Staatsgrenzen geschlossen. Einige Staaten nutzen die Pandemie als Vorwand, um Flüchtlingsboote zurückzuweisen, undokumentierte Migrant*innen festzunehmen und Hilfen einzuschränken.
Der Bericht "No Safe Haven" fasst die größten Probleme der Rohingya so zusammen:
- Staatenlosigkeit und fehlender rechtlicher Status: Myanmar verwehrt der gesamten Rohingya-Bevölkerung die Staatsbürgerschaft. Doch auch keines der vier untersuchten Fluchtländer gewährt den auf ihren Territorien geborenen Kindern die Staatsbürgerschaft. Ebenso wenig werden sie offiziell als Geflüchtete anerkannt, da sie als Staatenlose kein Asyl beantragen können. Dadurch drohen ihnen Drangsalierung, Abschiebung und Gefangenschaft, zudem sind sie größtenteils vom Gesundheitssystem und anderen sozialen Dienstleistungen ausgeschlossen.
- Erschwerter Zugang zu Bildung: Entweder werden Rohingya-Kinder aufgrund explizit diskriminierender Gesetze vom Bildungssystem ausgeschlossen oder ihnen wird der Zugang verwehrt. In Thailand haben zwar alle Kinder, unabhängig von ihrem rechtlichen Status, ein Recht auf Grundbildung. Doch im Alltag findet dies keine Anwendung.
- Kinderehe und Schwangerschaft: Bildung für Mädchen wird angesichts finanziellen Drucks und kultureller Einstellungen als zweitrangig angesehen. Jugendliche Rohingya-Mädchen gehen deshalb tendenziell noch seltener zur Schule und werden früh verheiratet.
- Festnahme und Gefangenschaft: Diese sind für viele Rohingya-Kinder Realität, ebenso das Festhalten in Aufnahme- und Flüchtlingslagern.
- Diskriminierung: Diskriminierende Äußerungen werden teilweise von Regierungsbeamten in Medien verbreitet, wodurch die Sicherheit der Kinder gefährdet ist.