Red Hand Day: Ein ehemaliger Kindersoldat über seinen Ausweg aus der Rekrutierung
Der Red Hand Day erinnert an den Tag, an dem der Einsatz von Kindern zu Kriegszwecken offiziell verboten wurde: Am 12. Februar 2002 trat das entsprechende Protokoll zur Kinderrechtskonvention in Kraft. Die Rekrutierung von Kindern unter 18 Jahren gilt seitdem als Kriegsverbrechen. Dennoch werden weiterhin Kinder in Konfliktgebieten weltweit dazu gezwungen, die Kriege der Erwachsenen auszutragen. Yannik* aus der Demokratischen Republik Kongo war eines dieser Kinder.

Triggerwarnung: Dieser Artikel enthält Nacherzählungen von Gewalt.
"Die Kämpfer kamen in unser Dorf und sagten uns, dass sie uns töten, wenn wir uns ihnen nicht anschließen würden. Sie sagten, sie würden auch unsere Familien töten und unsere Häuser niederbrennen. Als ich das hörte, machte ich mir Sorgen um meine Familie und beschloss, mich den Kämpfern anzuschließen": So beschreibt Yannik* die erste Konfrontation mit der bewaffneten Gruppe, die ihn als Kindersoldaten rekrutierte. Im Anschluss wurde er mit anderen Minderjährigen in ein anderes Dorf geführt. Hier mussten sie eine Art Taufritual über sich ergehen lassen, das ihnen die Kraft verleihen sollte, gegen andere Soldaten zu kämpfen.
Kurz nach dem Ritual wurden die Jungen gezwungen, sich mit Holzstöcken bewaffnet anderen Kämpfern entgegenzustellen. Diese eröffneten das Feuer, sobald sie die Kinder sahen. Als Yannik* beobachten musste, wie andere vor ihm durch Schüsse getötet wurden, versteckte er sich im Busch. "Als wir unsere Freunde sterben sahen, rannten wir weg. Wir waren zu viert, als sie zu schießen begannen, aber zwei starben. Wir blieben als Paar zurück, ich und ein Junge aus einem anderen Dorf", erzählt Yannik*.
Ein sicherer Ort zur Trauma-Bewältigung

Im Busch harrten die Jungen aus, bis die Schüsse verstummten. “Als wir beschlossen, wieder herauszukommen, trafen wir einige Leute von Save the Children, die bei uns blieben und uns halfen”, so Yannik*. Als Yannik* den Mut fasst, wieder nach Hause zurückzukehren, trifft er auf seine verärgerte Mutter, die sich weigert, ihn wieder zu sich zu nehmen. Sie hat Sorge, dass die erlebten Gewalttaten ihren Sohn verändert haben könnten. Erst nach einiger Überzeugungsarbeit des lokalen Priesters lässt sie sich umstimmen und nimmt Yannik* wieder auf.
Um das Erlebte zu verarbeiten, verbringt Yannik* viel Zeit in einem Gemeinschaftsraum in seiner Gemeinde, der von Save the Children für Kinder wie ihn eingerichtet wurde. Dieser Ort gibt ihm ein Gefühl der Sicherheit, hier kann er spielen, erhält psychosoziale Betreuung und kann sich mit anderen austauschen. “Das hilft mir, zu vergessen, was mir widerfahren ist. Ich würde gerne wieder zur Schule gehen und irgendwann einen Job finden”, so Yannik* über seine Wünsche für die Zukunft.
Risiko einer Rekrutierung steigt für Kinder in Konfliktgebieten
Yannik*s Erfahrungen sind leider keine Ausnahme. Der letzte Bericht des UN-Generalsekretärs zu Kindern und bewaffneten Konflikten bestätigte 8.595 Rekrutierungen für das Jahr 2020 – mit dem Wissen, dass die Dunkelziffer weitaus höher liegen wird.
Das Risiko für Kinder in Konfliktgebieten, von Streitkräften und bewaffneten Gruppe rekrutiert und eingesetzt zu werden, ist zuletzt immer größer geworden. Im Vergleich zum Jahr 1990, wo dies weniger als fünf Prozent der Kinder betraf (99 Millionen), waren es im Jahr 2020 bereits 14 Prozent (337 Millionen). Damit hat sich dieser Wert seitdem verdreifacht. Das geht aus unserem aktuellen Bericht “Krieg gegen Kinder: Rekrutierung im Fokus” hervor.
Kinder werden wie in Yanniks* Fall nicht freiwillig zu Kriegsbeteiligten. Oft werden sie durch Gewaltandrohungen gezwungen, sich Konfliktparteien anzuschließen. In vielen Fällen kommt es auch zur Anwendung von Gewalt. Armut und fehlende Einkommensmöglichkeiten oder Perspektiven machen Kinder zudem besonders anfällig für die Manipulationsversuche von bewaffneten Gruppen.
Doch damit nicht genug: Auch der Ausstieg oder die Rückkehr aus einem Einsatz im Dienst bewaffneter Gruppen ist nicht einfach. Manche Kinder sind nicht mehr in ihrer Familie willkommen oder werden gesellschaftlich geächtet.
Wir stehen Kindern, die Opfer einer Rekrutierung wurden, bei und fordern: Die Welt muss den Krieg gegen Kinder stoppen. Staaten stehen in einer besonderen Verantwortung, Kinder vor schweren Verbrechen zu schützen und Verantwortliche für Kinderrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen. An diese Verantwortungen möchten wir am heutigen Red Hand Day erneut erinnern. Kinder wie Yannik*, die entweder Opfer einer Rekrutierung wurden oder in Konfliktgebieten aufwachsen müssen, haben wie jedes Kind weltweit ein Recht auf ein sicheres, selbstbestimmtes und gesundes Leben.