Unsere Schwerpunkte für 2021: Susanna Krüger im Interview
2020 hat uns einiges gelehrt. Vor allem die Corona-Pandemie wird die Welt weiterhin begleiten. Unsere Geschäftsführerin und Vorstandsvorsitzende Susanna Krüger verrät, welche Schwerpunkte sich Save the Children für 2021 setzt und was ihr dieses Jahr Hoffnung macht.
Ein neues Jahr bietet immer die Möglichkeit, das Vergangene zu reflektieren und einen Ausblick auf kommende Schwerpunkte und Herausforderungen zu geben. Genau darüber haben wir mit unserer Geschäftsführerin und Vorstandsvorsitzenden Susanna Krüger gesprochen. Hier erzählt sie uns, woran Save the Children 2020 gewachsen ist, welche Themen uns 2021 besonders am Herzen liegen und was sie trotz vieler Herausforderung weiterhin hoffnungsvoll stimmt.
2020 war ein besonders hartes Jahr, vor allem für Kinder in Not weltweit. Welche Lehren konnte Save the Children aus den Herausforderungen des vergangenen Jahres ziehen – auch im Hinblick auf zukünftige Notsituationen?
Als Organisation waren wir damit konfrontiert, dass die Zahl der Kinder, die weltweit in Krisen- und Kriegsgebieten leben müssen, gestiegen ist: von 415 auf 426 Millionen. Das ist ein bedrückender Fakt. Außerdem schlägt die Corona-Pandemie besonders hart in diesen Regionen zu, in denen Kinder kaum auf ärztliche Hilfe hoffen können. Wir werden uns deshalb weiterhin weltweit und mit allen Kräften in den Bereichen Gesundheitsvorsorge, Ernährung und Bildung engagieren.
Aber auch in Europa sind wir mit der Not der Flüchtlinge konfrontiert: In Bosnien, Griechenland sind die Lebensbedingungen für Flüchtlingskinder miserabel. Und gleichzeitig erleben wir auch hierzulande wie Familien durch die Pandemie in Armut hineingeraten und wie der Lockdown den Alltag der Kinder massiv verschlechtert: Sie haben Ängste, können bei dem digitalen Lernen nicht mithalten, sehen ihre Freunde und Großeltern nicht. Auch diese Corona-Folgen nimmt Save the Children sehr ernst
2021 wird uns die Corona-Pandemie weiterhin beschäftigen. Mit welchen Schwerpunktthemen und Zielen geht Save the Children in das neue Jahr?
Ich sehe Themen, die miteinander verzahnt sind: Der Krieg gegen Kinder hat gravierende Auswirkungen auf das Thema Hunger und Mangelernährung. Im Jemen herrscht seit fast sechs Jahren Krieg, dort sind wir mit einer drohenden Hungersnot konfrontiert. Viele Regionen Afrikas leiden hingegen besonders unter den Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernährung. In manchen Ländern sind Kinder viel zu klein für ihr Alter, das ein typisches Zeichen für Unterernährung. Das hat nachhaltige Folgen für die Entwicklung der Kinder.
Wir wissen, dass insgesamt weltweit 52 Millionen Kinder unter 5 Jahren an Entwicklungsverzögerungen und 155 Millionen an Wachstumsverzögerungen leiden. Darüber hinaus sind 45 Prozent aller Todesfälle von Kindern unter 5 Jahren auf Mangelernährung zurückzuführen. Die Vereinten Nationen haben vor vier Jahren das ehrgeizige Ziel formuliert, dass bis zum Jahr 2030 kein Mensch mehr Hunger leiden soll. Wir brauchen eine globale Kraftanstrengung.
Ein weiteres Thema bleibt die Gesundheitsvorsorge: Jeder Krieg dämmt oder vernichtet die Fortschritte im Gesundheitsbereich. Zwei Drittel der nicht geimpften Kinder leben heute in Kriegsgebieten. Aber Kinder brauchen Impfungen, um sich nicht wieder mit längst verdrängten Krankheiten anzustecken. Besonders drastisch zeigt sich der Zusammenhang zwischen Krieg und Rückschritten im Gesundheitssystem in Syrien: Vor dem Kriegsbeginn vor rund zehn Jahren lag die Impfungsrate für Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten bei über 80 Prozent, mittlerweile ist das Land auf 47 Prozent zurückgefallen. Und die Corona-Pandemie verschärft die Situation um ein Vielfaches.
Deshalb ist uns die Partnerschaft mit der globalen Impfallianz Gavi* enorm wichtig. Heute sollte kein Kind mehr an Cholera oder Diphterie sterben. Globaler Impfschutz war und bleibt einer unserer Schwerpunkte.
In welchen Regionen sind Kinder derzeit besonders gefährdet und wie leistet Save the Children vor Ort Hilfe?
Unsere Studie "Krieg gegen Kinder" aus dem vergangenen Jahr listet 12 Staaten auf, die am gefährlichsten sind für Kinder: Afghanistan, die Demokratische Republik Kongo, Zentralafrikanische Republik, Irak, Mali, Nigeria, Somalia, Sudan, Südsudan, Syrien und Jemen. Im Jemen wird seit fünf Jahren gekämpft, das Land erlebt eine humanitäre Katastrophe. Dort hungern Kinder und wir erleben eine Weltgemeinschaft, die ohnmächtig zu sein scheint.
Wie kann jede*r Einzelne dazu beitragen, diese Kinder in Not zu unterstützen?
Mit Spenden und durch das Unterschreiben von Petitionen. Jeder Euro und jede Unterschrift zählt und hilft das internationale Netzwerk der humanitären Organisationen vor Ort zu unterstützen. Deshalb möchte ich hier an dieser Stelle unseren Spenderinnen und Spendern danken. Ihre Unterstützung hilft uns enorm bei unserer Arbeit. Mithilfe der Spenden konnten wir 2020 außergewöhnliche Wege gehen, zum Beispiel in Äthiopien. Als auch dort wegen Corona die Schulen geschlossen wurden, besaßen 26 Millionen Kinder keinen Zugang zu Büchern. Das Team von Save the Children im Land organisierte neben unseren anderen Aktivitäten eine Kamelbibliothek mit 21 Tieren, die Bücher von Dorf zu Dorf transportierten. So konnten mehr als 20.000 Kinder in 33 Dörfern erreicht werden.
Was gibt Ihnen mit Blick auf 2021 Hoffnung?
Ich habe ein großes Vertrauen in unsere weltweit agierende Organisation. Wir haben eine 100-jährige Geschichte, ein großes Netzwerk von Partnerorganisationen und viele engagierte Kolleginnen und Kollegen, die alles daransetzen, Kindern eine Kindheit zu ermöglichen. Das ist unser oberstes Ziel, wir arbeiten hart daran, eine Infrastruktur überall dort aufzubauen, wo Kinder Unterstützung brauchen, sei es medizinisch oder schulisch. Das spornt mich und das Team von Save the Children jeden Tag an.
* Gavi = Die Impfallianz Gavi bringt Partner aus dem öffentlichen und privaten Sektor sowie zivilgesellschaftliche Organisationen zusammen, um Kindern weltweit Impfschutz zu gewähren.