Verlorene Generationen
Zahra* und ihre Tochter Noura* kommen aus Hodeidah im Jemen. Seit fast vier Jahren herrscht dort Krieg, der den Alltag zahlreicher Kinder und Familien mit Unsicherheit und Angst zeichnet. Als ihr Zuhause immer öfter von Luftangriffen getroffen wurde, musste auch Zahra mit ihrer Familie fliehen. Sie flüchteten in ein Camp für Binnenvertriebene, in dem sie seither leben.
Als Noura geboren wurde, wog sie nur 1 Kilogramm. Heute ist das Mädchen 15 Monate alt und immer noch mangelernährt. Der andauernde Krieg zerstörte die Lebensmittelversorgung im Jemen und machte grundlegende Nahrungsmittel wie Milch zu Luxusgütern. Durch ihr niedriges Gewicht wurde Noura besonders anfällig für Krankheiten wie Lungenentzündung, an der das Mädchen bereits mit 4 Monaten erkrankte.
Die indirekten Folgen von Krieg
Weltweit leiden besonders Kinder massiv an den indirekten Folgen von Kriegen. Auf den ersten Blick sind sie oft weniger sichtbar, aber genauso dramatisch: Mangelernährung, Krankheiten, aber auch die schwerwiegend beschädigten Gesundheitssysteme und nicht mehr funktionsfähige Wasser- und Sanitärversorgung haben langfristige Folgen für Menschen wie Noura.
Krankheiten und die Folgen von Mangelernährung sind die häufigste Todesursache von Kindern in Konflikten. Dabei könnten jene Krankheiten, an denen Kinder am häufigsten sterben und erkranken – Lungenentzündungen, Durchfall und Masern – weitestgehend verhindert werden, insofern die notwendige Gesundheitsversorgung verfügbar oder erreichbar wäre. Aufgrund der Sicherheitslage ist dies oft nicht der Fall. Allein im Jemen mussten über die Hälfte aller Gesundheitseinrichtungen geschlossen werden, oder sind nur teilweise funktionsfähig. 16,4 Millionen Menschen haben damit unzureichenden Zugang zu einer Gesundheitsversorgung.
Lebenslange Schäden
Kinder, die in ihren ersten Lebensjahren schwer erkranken, oder wie Noura keine ausreichende Ernährung erhalten, erleiden häufig nicht umkehrbare kognitive und körperliche Schäden. Das hat auch Auswirkungen auf ihre Gemeinschaft und das ganze Land. Gesellschaften, in denen diese Kinder leben, droht eine noch fragilere, ärmere Zukunft. Toxischer Stress, fehlender Zugang zu Bildung und langfristigen Beeinträchtigungen in ihrer Entwicklung, die Kinder sowohl durch direkte Gewalt und indirekte Kriegsfolgen erleiden, begleiten sie meistens ein Leben lang. Werden Kinder in Konflikten heute nicht besser geschützt, untergräbt dies auch die Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele der UN für Nachhaltige Entwicklung.
Konflikte dauern immer länger
Konflikte, das zeigt unser neuer Bericht „Krieg gegen Kinder“, dauern heute immer länger. Jedes fünfte Kind wächst mittlerweile in einem Konfliktgebiet auf. So viele, wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr. Wenn Schulen, Krankenhäuser und Versorgungssysteme nicht sicher vor Angriffen sind, bedeutet das, dass jeglicher Wideraufbau erschwert wird. Und langfristig ganze Generationen von Ländern verloren gehen. Regierungen auf der ganzen Welt – aber auch die Bundesregierung – stehen in der Verantwortung, keines dieser Kinder zurückzulassen.