Warum Save the Children ein eigenes Rettungsschiff einsetzt
„Wir rechneten jeden Tag damit zu sterben“, berichtet ein 16-jähriges Mädchen aus Eritrea, das die Flucht über das Mittelmeer überlebt hat. Mehr als 3.000 Menschen sind allein in diesem Jahr bei dem Versuch, über das Mittelmeer zu fliehen, ertrunken, darunter zahlreiche Kinder. Wir dürfen das nicht länger zulassen. Save the Children hat sich deshalb dazu entschieden, seine Arbeit für Kinder auf der Flucht auszuweiten und ein eigenes Rettungsschiff einzusetzen.

Die Situation
Immer mehr Kinder fliehen vor Krieg, Gewalt und Verfolgung über das Mittelmeer nach Europa. Die Zahl der Kinderflüchtlinge, die in Italien ankommen, ist im Vergleich zum letzten Jahr um zwei Drittel gestiegen. 90% dieser Kinder sind allein unterwegs – ohne jemanden, der sich um sie kümmert.
Zusammengepfercht in überfüllten Booten – oft nur seeuntüchtigen Schlauchbooten – starten sie von der Küste Nordafrikas Richtung Italien. Die Kinder sind tagelang auf hoher See, meistens ohne Rettungsweste. Sie sind oft völlig dehydriert und durchnässt vom Meerwasser, immer in der Angst niemals das Festland zu erreichen.
Viel zu viele Menschen – genauer gesagt einer von 37 – sind auf dem Weg von Nordafrika nach Italien ums Leben gekommen. Doch selbst das ist nur eine Schätzung, denn gerade die Körper der ertrunkenen Kinder werden nur selten gefunden – zu schnell verschwinden zwischen den hohen Wellen.
Kinder erzählen
Ich habe mit Kindern gesprochen, die es über das Meer geschafft haben. Ein 17-jähriger Junge erzählte mir, wie sein hoffnungslos überfülltes Boot zu sinken begann und alle ihre Habseligkeiten über Bord warfen. Als das Wasser stieg, machte er sich am meisten Sorgen um die Frauen und kleinen Kinder, die dicht an dicht neben ihm im Boot saßen. Es ist schier unvorstellbar, was er erleben musste.
Feben, ein 16 Jahre altes Mädchen aus Eritrea, berichtete nach ihrer Ankunft in Italien: „Das schlimmste auf der Flucht war die Überfahrt im Boot. Es ging um Leben und Tod. Die Männer waren unten, aber die Frauen waren auf dem Deck in der Kälte. Wir rechneten jeden Tag damit zu sterben. Wir haben gebetet, gebeichtet – das war alles, was wir tun konnten.“
Unser erstes Rettungsschiff
Seit fast einem Jahrzehnt arbeiten wir in den Häfen Italiens und unterstützen vor allem unbegleitete Kinder, die ohne Familienangehörige ankommen. Jetzt weiten wir unsere Hilfe aus – denn kein Mensch darf mehr im Mittelmeer ertrinken.
Seit Anfang September ist unser Rettungsschiff im Einsatz. Unser erfahrenes Team ist im Mittelmeer auf der gefährlichen Fluchtroute zwischen Italien und Nordafrika unterwegs, um Kinder und Familien zu retten.
An Bord können wir die Flüchtlinge medizinisch behandeln, sie bekommen eine Grundversorgung mit Mahlzeiten, Wasser und Kleidung – und Kinder werden emotional betreut.
In den nächsten 15 Monaten wollen wir 20.000 Menschen vor dem Ertrinken retten.
Retten bevor es zu spät ist
Es kann heute passieren, oder morgen – sicher ist, es wird passieren. Es werden noch mehr Flüchtlingsboote im Mittelmeer sinken. Regelmäßig schaue ich in meinen E-Mails nach Updates der italienischen Kollegen und hoffe, nichts zu finden. Doch ich erwarte immer das Schlimmste. Bisher wusste ich: Sobald ich die Neuigkeiten lese, ist es bereits zu spät. Weitere Tote sind zu beklagen.
Jetzt haben wir ein Team auf dem Meer, das den Horizont beobachtet und nicht die Nachrichten. Mithilfe der italienischen Küstenwache wird unser Rettungsschiff vor Ort sein, bevor es zu spät ist.
Kinderflüchtlinge sind zuallererst Kinder
Egal, warum Kinder fliehen müssen, sie haben alle ein Recht auf Sicherheit. Und wir haben die Verantwortung, sie zu schützen – ganz gleich, ob sie schon in Europa sind, oder sich erst auf der lebensgefährlichen Reise dorthin befinden.
Die Fluchtursachen sind komplex, doch unsere Reaktion ist einfach: Wir müssen verhindern, dass noch mehr Kinder ertrinken! In Notsituationen wie diesen tut Save the Children alles dafür, Kindern zu helfen.
Wir sind entlang der gesamten Fluchtroute für Kinder und ihre Familien im Einsatz. Wir sind in Konfliktgebieten vor Ort, z.B. in Nigeria oder Syrien; in Transitländern wie Griechenland oder Italien und in Ankunftsländern wie Deutschland oder Großbritannien.
Mit Ihrer Hilfe werden wir nun auch auf dem gefährlichsten Abschnitt der Flucht im Einsatz sein. Denn das Mittelmeer darf nicht weiter zu einem Massengrab für Kinder werden!
Über den Autor: Dan Stewart ist Projekt Manager im Bereich Kommunikation bei Save the Children. Er berichtet hautnah aus unterschiedlichen humanitären Krisen.