Was Corona für geflüchtete Menschen bedeutet
Überall auf der Welt sind die Auswirkungen der Corona-Krise zu spüren. Besonders kritisch ist die Lage jedoch für diejenigen ohne festen Wohnsitz, festes Einkommen und stabiles Gesundheitssystem. Susanna Krüger, Vorstandsvorsitzende von Save the Children Deutschland erklärt im Interview, mit welchen Herausforderungen die Menschen im weltweit größten Flüchtlingscamp in Cox's Bazar zu kämpfen haben.
In der Nähe von Cox’s Basar im Süden Bangladeschs leben fast eine Millionen Rohingya – eine Minderheit, die vor drei Jahren aus dem benachbarten Myanmar vertrieben wurde.
Wie ist die Situation aktuell für die Rohingya?
Susanna Krüger: Die Rohingya leben seit drei Jahren in diesem Flüchtlingscamp und jetzt kommt auch noch COVID-19. Im Moment ist die Lage kontrollierbar, aber natürlich ist in einem derart vollen Camp das Ansteckungsrisiko sehr viel höher als sonst – so wie wir das kennen. Abstand halten ist schwierig, Hygienemaßnahmen sind eigentlich kaum durchsetzbar und sollte es dann zu einem Ausbruch kommen, sind natürlich auch die medizinischen Kapazitäten ganz schnell überlastet.
Was wird vor Ort unternommen, um einen Ausbruch der Krankheit zu verhindern?
Susanna Krüger: Zur Eindämmung eines Ausbruchs braucht es immer staatliche Kapazitäten und Bangladesch ist doppelt belastet. Erstens steigt die Armut im Land und zweitens fehlt es an ganz basalen medizinischen Einrichtungen und wir arbeiten in Zusammenarbeit mit der bangladesischen Regierung daran, die Lage stabil zu halten. Also, wir haben ein Zentrum für Atemwegserkrankungen geöffnet und sind mit mobilen Gesundheitsstationen unterwegs. Und außerdem leisten wir natürlich Aufklärungsarbeit und versorgen die Flüchtlinge weiterhin mit Nahrungsmitteln und Hygieneartikeln, so wie wir es von Anfang an getan haben.
Vor welchen Herausforderungen stehen die Teams vor Ort?
Susanna Krüger: Ein Problem ist die Verfügbarkeit von Informationen durch das Internet. Um Falschmeldungen vorzubeugen, hat die Regierung von Bangladesch den Zugang zum Internet im Lager nun blockiert, aber der ist für die Menschen absolut lebensnotwendig, um sich überhaupt über die Krankheit und entsprechende Hygienemaßnahmen zu informieren und außerdem ist das Internet natürlich auch eine Möglichkeit, besonders die Kinder und Jugendlichen durch diese Situation begleiten zu können.
Was bedeutet die jetzige Krise denn für die Kinder und Jugendlichen?
Susanna Krüger: Wir haben eine Umfrage durchgeführt, um überhaupt mal zu verstehen, wie es den Kindern gerade tatsächlich geht. Und die Resultate waren: 70 Prozent der Rohingya-Kinder haben Angst vor einer Ansteckung, 40 Prozent fürchten sogar, daran zu sterben und immerhin fast die Hälfte der befragten Kinder leidet unter der Schließung von Lern- und Spielzentren und zuletzt sind im April wieder mehrere hundert Rohingya angekommen und darunter auch viele Kinder, die alleine unterwegs waren und die brauchen natürlich ganz besonderen Schutz.
Was muss jetzt unternommen werden, damit die Lage nicht schlimmer wird?
Susanna Krüger: COVID-19 ist eine große Bedrohung und wir tun natürlich alles, damit die Menschen geschützt sind. Das reicht von Hygieneaufklärung bis hin zur Einrichtung eines Isolationszentrums. Aber die Situation der Rohingya im Camp kann keine Dauerlösung sein. Kein Kind sollte in den Lagern von Cox's Bazar aufwachsen müssen. Aber die langfristige Lösung für diese Krise liegt in Myanmar. Wir wissen durch viele Gespräche mit Geflüchteten, dass die Menschen nach Myanmar zurückkehren wollen. Aber nur, wenn es für sie sicher ist. Dafür muss eben die internationale Gemeinschaft ihre Bemühungen fortsetzen, Myanmar für die an den Rohingya begangenen Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen und die notwendigen Bedingungen für eine sichere Rückkehr zu schaffen. Und das möglichst vor dem nächsten Jahrestag.
Weitere Informationen zu unserer Arbeit in Cox's Bazar erhalten Sie hier.