Was Geschlechtergerechtigkeit mit Gesundheitsversorgung zu tun hat
Am 7. April 2021 findet der World Health Day mit Fokus auf Ungleichheiten weltweit statt. Wir beleuchten in drei Beiträgen, wie der Zugang zu Gesundheitsversorgung fairer gestaltet werden kann. Wie hängt Geschlechtergerechtigkeit mit Gesundheit zusammen? In den Mathare-Slums in Nairobi, Kenia, zeigen sich die Auswirkungen von Geschlechterungleichheit auf die Gesundheit von Frauen und ihren Familien. Hier ermöglicht ein Bargeldtransfer-Projekt mehr Menschen Zugang zu Gesundheitsversorgung.
Anna Katumbi, 32 Jahre alt, ist eine alleinerziehende Mutter und lebt mit ihren drei Kindern in den Mathare-Slums in Nairobi, Kenia. Sie versorgt ihre junge Familie durch Arbeit im informellen Sektor, indem sie Gelegenheitsjobs auf Tagesbasis sucht. Dabei arbeitet sie ohne Arbeitsvertrag, Arbeitsschutz und gesichertes Einkommen. Oft reicht ihr Einkommen nicht aus, um alle gesundheitlichen Bedürfnisse ihrer Kinder zu decken und ihnen eine ausgewogene Ernährung zu bieten.
Dabei ist dies für Kinder gerade in den ersten 1.000 Tagen ihres Lebens essenziell, damit sie sich gesund entwickeln und keine bleibenden Schäden davontragen. Bei ihrem jüngsten Sohn, David, wurde im Juli 2019 sogar akute Unterernährung festgestellt. Zu der Zeit hatte die Familie kein festes Zuhause und Anna musste sich immer wieder um Unterkunftsmöglichkeiten bei Verwandten kümmern.
Fehlende Gesundheitsversorgung verstärkt Ungleichheit
Annas Familie ist kein Einzelfall: In Kenia sind Frauen mit höherer Wahrscheinlichkeit von Armut betroffen als Männer, besonders wenn sie alleinstehend sind und allein einen Haushalt führen müssen. Frauen sind zudem häufiger als Männer arbeitslos oder arbeiten zum Großteil im informellen Sektor, wodurch sie keinen Ausweg aus der Armut finden. Von den Haushalten, die durch eine alleinstehende Frau geführt werden, leben deswegen etwa 35 Prozent in Armut, wie Auswertungen der Weltbank zeigen.
Familien, die in Armut leben, müssen ohne Zugang zu sozialen Sicherungssystemen oft schwierige Entscheidungen treffen, z.B. zwischen Lebensmitteln und Gesundheitsversorgung. Annas Kinder haben somit von Anfang an schlechtere Chancen auf ein gesundes Leben, weil sie keinen Zugang zu grundlegender Gesundheitsleistungen wie Impfungen erhalten und auch bei Mangelernährung nicht versorgt werden können. Dadurch setzen sich Ungleichheiten über mehrere Generationen hinweg fort: Mangelernährung schwächt das Immunsystem, macht Kinder anfälliger für Krankheiten und beeinträchtigt außerdem ihr gesundes Wachstum.
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Gleichberechtigung und Gesundheitsversorgung
Frauen sind weltweit mit großen Hürden konfrontiert, um Gesundheitsversorgung in Anspruch zu nehmen. Gesundheitssysteme sind oft nicht auf ihre spezifischen Gesundheitsbedarfe ausgelegt, z.B. auf Untersuchungen während und nach der Schwangerschaft, weil unter anderem geschultes Personal fehlt. Ein weiterer Grund sind sozioökonomische Faktoren: Frauen werden häufig von Bildungsmöglichkeiten ausgeschlossen. Dadurch haben sie später keinen Zugang zu qualifizierter Erwerbstätigkeit und somit kein gesichertes Einkommen. Solange keine flächendeckende soziale Sicherung gewährleistet ist, müssen Frauen für ihre Gesundheitsversorgung selbst aufkommen. In Kenia sind beispielsweise laut einem Bericht der Weltbank nur 4 von 10 Menschen krankenversichert. Unter den ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung ist es sogar nur jede zehnte Person.
Hoffnung durch flexible Bargeldtransfers
Hier setzt das "Nitunze Project" von Save the Children an, das in marginalisierten Gemeinschaften in Kenia Maßnahmen zur Verbesserung der Kindergesundheit umsetzt. Im Rahmen des Projekts werden bedingungslose Bargeld-Transfers durchgeführt, sodass die Empfänger*innen die dringendsten Bedarfe ihrer Familie decken können. Anna Katumbi konnte dank des Bargeldtransfers eine Unterkunft für ihre Familie beschaffen und kann sich nun ausgewogene Lebensmittel für ihre Kinder leisten. Außerdem kann die Mangelernährung ihres Sohnes nun behandelt werden: Zwar konnte Anna aufgrund der Pandemie nicht regelmäßig die Apotheke besuchen, aber sie hat ein MUAC-Armband (Mid-Upper Arm Circumference) als Schnelltest erhalten, mit dem sie Davids Ernährungsstatus beobachtet. Der MUAC-Test misst den Oberarmumfang und gibt an, ob dieser sich im grünen (ausreichende Ernährung), gelben (moderate Mangelernährung) oder roten Bereich (akute Mangelernährung) befindet.
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Bargeldtransfers haben in den Mathare-Slums neben Annas Familie noch 496 weiteren Haushalten geholfen – darunter 2.000 Kindern und 1.000 Erwachsenen. Da die Transfers an keine Bedingungen geknüpft sind, entscheidet jede Familie selbst, welche Bedarfe am dringendsten gedeckt werden müssen. Bei der Verteilung der Transfers wurde insbesondere darauf geachtet, dass besonders benachteiligte Haushalte davon profitieren können, zum Beispiel Alleinerziehenden-Haushalte wie Annas. Gerade diese Haushalte können sich oft keine Gesundheitsversorgung und keine ausreichende, ausgewogene Ernährung leisten. Durch das Nitunze-Projekt konnte Anna selbstständig entscheiden, welche Ausgaben sie priorisiert und damit die bestmögliche Unterstützung für ihre Kinder organisieren.
Annas Beispiel zeigt, dass der Zugang zu Gesundheits- und Ernährungsleistungen oft durch Ungleichheiten geprägt ist. Gerade alleinerziehende Frauen erhalten diese grundlegende Unterstützung oft nicht, sodass sie und ihre Kinder keine Chance auf eine gesunde Zukunft erhalten. Zum World Health Day 2021 macht uns das Beispiel deutlich, dass mehr Frauen wie Anna dazu befähigt werden sollten, grundlegende Gesundheitsversorgung für sich und ihre Kinder in Anspruch zu nehmen.
*Name zum Schutz geändert