Wir müssen geflüchteten Kindern ihre Alternativen zeigen
Seit Anfang dieses Jahres arbeite ich ehrenamtlich in den Schutz-und Spielräumen von Save the Children in Tempelhof. Mit vielen anderen geschulten Mitarbeitern malen, basteln und spielen wir mit den Kindern, die aus ihrer Heimat flüchten mussten. Jedes Mal erfährt man mehr über die Kinder und bekommt neue Perspektiven – so auch dieses Mal.

Aus schwierigen Situation das Beste machen
An diesem Tag scheint die Sonne, wir planen mit rund 20 Kindern nach draußen zu gehen, um Fußball zu spielen. Doch vor dem Hangar finden Bauarbeiten statt, das Sicherheitsrisiko für die Kinder ist zu groß, also muss umgedacht werden: Vollgepackt mit Seilen, Stelzen und Bällen gehen wir mit den Kindern in einen der freien Hangars.
„Ich will raus und laufen!“, beschwert sich Samir. Der Zehnjährige ist voller Energie. Einer der Betreuer erklärt ihm, dass es zu gefährlich sei. Nach einer kurzen Diskussion, wird mit Hilfe von Stühlen, Seilen und Trampolins ein kleiner Parcours gebaut. Er sieht ein bisschen verloren aus in dem riesigen Hangar mit den hohen Wänden und dem nackten Betonboden. Aber die Kinder rennen mit großem Eifer um die Wette.
„Ich baue mein Haus in Syrien“
Einige andere Kinder haben sich von der Gruppe abgeseilt und sich zurückgezogen. Sie haben lose Bretter entdeckt, mit denen die Holzbetten zusammengebaut werden sollen und fangen an, mit den Betreuern die Bretter zusammenzustellen. Die sechsjährige Nadja holt sich immer wieder neue Bretter und stapelt sie in die Höhe. Auf die Frage, was sie da baut, sagt sie:
„Ich baue mein Haus in Syrien nach.“ Alle gucken betreten zu Boden, während Nadja weiterbaut und sagt: „Ich vermisse mein Haus, ich habe Heimweh. Aber wenn wir erst mal hier ein richtiges Haus haben, wird es bestimmt auch schön.“
Ein etwas anderer Spielplatz
Nach einer Weile haben die Kinder die Springseile zu einem großen Seil zusammengebunden.
Und plötzlich stehen fast 20 Kinder in der Reihe und warten darauf, dass wir das Seil schwingen, damit sie alle gleichzeitig hochspringen können, was natürlich auch nach mehreren Versuchen nicht klappt. Aber das Geschrei und das Lachen machen den Hangar zu einem Spielplatz. Vielleicht zu einem anderen, als man es gewohnt ist, aber dennoch zu einem Ort, an dem Kinder Kind sein dürfen.
Ander als geplant
Oft an diesem Tag habe ich gedacht: Der ursprüngliche Plan funktioniert vielleicht nicht. Das heißt aber nicht, dass es keine Alternativen gibt.
Vieles ist ganz anders, als es sich diese Kinder und ihre Eltern gewünscht haben. Keiner von ihnen plante seine Heimat, Familie und Freunde zu verlassen, um Schutz in einem fremden Land zu suchen. Keine Familie hat sich gewünscht, getrennt zu werden oder den Kindern keine sichere Zukunft bieten zu können. Es ist ganz natürlich, dass sich viele geflüchtet Kinder in ihr altes Leben zurückwünschen – doch dieses Leben gibt es nicht mehr.
Perspektiven aufzeigen
Es liegt nun an uns, ihnen zu zeigen, dass es Alternativen gibt und sie auch hierzulande eine Zukunft haben können; dass sie ihren Wünsche und Träume realisieren können – wenn auch anders als geplant.
Denn wir können es nicht ändern, dass sie einen Teil ihrer Kindheit verloren haben. Doch wir können dafür sorgen, dass sie jetzt eine sichere Zukunft haben, in der sie ihren anderen Lebensentwurf leben können.
Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit für Kinderflüchtlinge mit Ihrer Spende.
Über die Autorin: Anna-Sophie Blässer arbeitet in der Kommunikationsabteilung von Save the Children Deutschland. Seit Beginn des Jahres ist sie außerdem ehrenamtlich in den Schutz- und Spielräumen von Save the Children in Berlin-Tempelhof tätig.