Wohnungslos in der Pandemie: Hilfe für über 1.400 Jugendliche in Berlin
Die Covid-19-Pandemie betrifft uns alle. Wer aber kein Dach über dem Kopf hat, steht vor besonders großen Herausforderungen: Wo essen, wenn Suppenküchen geschlossen sind? Wie den Kontakt mit Ämtern halten? Save the Children und die KARUNA Sozialgenossenschaft helfen seit mehr als einem Jahr Jugendlichen in Berlin durch diese Ausnahmesituation.
Seit dem Beginn der Pandemie haben viele wohnungslose Jugendliche in Deutschland den Anschluss an das Hilfesystem verloren. Wichtige Angebote wie Essenausgaben und Notunterkünfte mussten wegen Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen heruntergefahren werden oder fielen ganz weg. Zudem sind Jugendliche auf der Straße besonders gefährdet, sich mit Covid-19 zu infizieren, da es ihnen an Waschmöglichkeiten und Geld für Hygieneprodukte, wie medizinische Masken, fehlt.
Kinder- und Jugendschutz während Corona: Hilfe für Straßenjugendliche
Deshalb haben wir und die KARUNA Sozialgenossenschaft unsere Expertise aus humanitärer Hilfe und Jugendhilfe zusammengebracht, um wohnungslose Jugendliche vor der Ansteckung mit Covid-19 zu schützen und sie beim Übergang in ein selbstbestimmtes Leben, abseits der Straße, zu stärken. Im Frühjahr 2020 starteten wir ein gemeinsames Nothilfeprojekt für Straßenjugendliche im Alter von 14 bis 27 Jahre in Berlin.
Die Bilanz nach einem Jahr: Finanziert mit Mitteln aus dem Kinder-Notfallfonds von Save the Children Schweiz und Unternehmenspartnern erreichten die Projektteams von Mai 2020 bis Juni 2021 mehr als 1.400 wohnungslose Jugendliche in der Hauptstadt. 210 Corona-Nothilfebeutel mit Hygieneartikeln zum Schutz vor Covid-19 wurden an sie verteilt. Die Mitarbeitenden von KARUNA, zum Teil selbst ehemals wohnungslose Jugendliche, fuhren als sogenannte Youth Force auf Lastenfahrrädern durch Berlin, informierten über Infektionsschutz und vermittelten sichere Schlafplätze an über 18-Jährige. Zudem boten Fachkräfte von KARUNA persönliche Beratungsgespräche an und stellten über eine Hilfefinder-App und eine Telefonhotline eine 24-Stunden-Erreichbarkeit sicher.
Ein Schlafplatz im Hostel als Auszeit von der Pandemie
Jeybie* ist einer der Jugendlichen, dem durch das Projekt geholfen werden konnte. Er ist 21 Jahre alt und wuchs in einer instabilen Familiensituation auf. Er lebte in verschiedenen Pflegefamilien und durchlief mehrere Einrichtungen und Tageskliniken für Suchterkrankte. Ende 2020 fand er sich ohne Wohnung auf der Straße wieder. Als Jeybie* nach Berlin kam und dort von KARUNA hörte, verbesserte sich seine Situation erstmals. Ein schnell organisierter Aufenthalt in einem mit KARUNA kooperierenden Hostel gab ihm die Möglichkeit, sich über Unterstützungsangebote zu informieren.
In einer Beratungsstelle von KARUNA wurde Jeybie* verpflegt und von sozialpädagogischen Fachkräften betreut. Ein ehrenamtlicher Job bei der Berliner Tafel half ihm zusätzlich dabei, seinen Alltag besser zu strukturieren. Bei KARUNA trifft er auf andere Jugendliche mit ähnlichen Erfahrungen. Hier lernte er einen Freund kennen, bei dem Jeybie* seitdem wohnt. Nun hofft er, bald eine eigene Wohnung und eine Arbeitsstelle zu finden und ein geregeltes Leben führen zu können.
Abstandsregeln bedeuten auch emotionale Distanz
Doreen Kappel ist Sozialarbeiterin bei KARUNA. Sie erzählt, dass die Pandemie für alle überraschend kam und viele soziale Kontakte für die Jugendlichen weggebrochen seien. Durch eingeschränkte Besuchszeiten bei Anlaufstellen von KARUNA sei es schwieriger gewesen, die Jugendlichen zu erreichen. Viele, die auf der Straße leben, hätten sich dort eine Art "Straßenfamilie" aufgebaut. Doch während der Kontaktbeschränkungen durften sie plötzlich nicht mehr in Gruppen zusammensitzen und wurden von öffentlichen Plätzen verscheucht. Das sei für viele der Jugendlichen schwer nachzuvollziehen gewesen.
Trotz des Impfprogramms setzt sich die Ausbreitung von Covid-19 in der Bevölkerung fort und der Unterstützungsbedarf in dieser Ausnahmesituation ist bei den wohnungslosen Jugendlichen in Berlin weiter groß. Im Juli startete deswegen die zweite Projektphase des Nothilfeprojekts von Save the Children und KARUNA, die bis zum Jahresende geplant ist.
*Name zum Schutz geändert