Unser Schwerpunkt:

„Lächeln anstelle von Tränen“ – Ein Bericht aus dem Südsudan
Wetterextreme und Hunger, politische Instabilität, die Nachwirkungen des Bürgerkriegs im eigenen Land und die Folgen der Gewalt im benachbarten Sudan: Das Leben im Südsudan ist von vielen Herausforderungen geprägt. Doch es gibt auch positive Nachrichten. Im vergangenen November besuchte uns die Länderdirektorin für den Südsudan, Pornpun Jib Rabiltossaporn, in Berlin. Eine gute Gelegenheit, den Menschen zu danken, sagt sie, die für unsere Arbeit gespendet haben. Denn es sei viel geschafft worden, trotz der ungeheuren Not im Land, ergänzt die Länderdirektorin:
„Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Jahr und sind voller Dankbarkeit und Stolz auf den Weg, den wir gemeinsam zurückgelegt haben. Dieses Jahr hat gezeigt, mit welcher kollektiven Stärke und Leidenschaft wir unseren Auftrag erfüllen: Kinder und Jugendliche, die unsere Welt erhellen, zu retten, zu schützen und zu fördern.“
Seit 2022 leitet Pornpun Jib Rabiltossaporn – kurz Jib genannt - das südsudanesische Team. Davor war sie für Save the Children im Irak und in Syrien im Einsatz. Mit anderen Worten: Jib hat viel Erfahrung in der humanitären Hilfe.
Der jüngste afrikanische Staat
Der Südsudan erlangte 2011 die Unabhängigkeit vom Sudan. Nur zwei Jahre später begann ein fünfjähriger Bürgerkrieg, dessen Spuren auch heute noch das Land prägen, so Jib.
„Die politische Stabilität ist nach wie vor ein zentrales Anliegen, und das Land hat weiterhin mit Problemen wie ethnischen Spannungen, Staatsführung und der Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer in die Gesellschaft zu tun. Zudem hatte der jahrelange Konflikt erhebliche Auswirkungen auf die südsudanesische Wirtschaft: So war zum Beispiel die Ölproduktion des Landes unterbrochen und es fehlten wichtige Einnahmen. Auch landwirtschaftliche Flächen wurden zerstört und Ernten geplündert.“

Alarmierende Zahlen
Im Südsudan sprechen die Zahlen Bände: In dem ostafrikanischen Land leben 12,4 Millionen Menschen, davon sind mehr als neun Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter fünf Millionen Kinder. 2,2 Millionen haben ihre Heimat wegen bewaffneter Konflikte oder aufgrund von Folgen der Klimakrise verlassen und wurden zu Geflüchteten im eigenen Land. Über sechs Millionen Südsudanesen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. 3,4 Millionen Kindern fehlt die Chance auf Bildung.
Dazu kommen diejenigen, die aus anderen Konfliktregionen ins Land geflüchtet sind, allein aus dem Sudan mehr als 330.000 Menschen. Unter ihnen ist der 13-jährige Simon*. Er stammt aus der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Als dort im vergangenen April die Kämpfe begannen, war er auf dem Weg von seinem Onkel zu seinen Eltern und musste miterleben, wie bewaffnete Gruppen durch die Nachbarschaft zogen und Häuser verwüsteten. Simon bekam Angst, rannte weg, versteckte sich und lief immer weiter.

Nach einer Woche Flucht erreichte der 13-Jährige allein die Grenze zum Südsudan und strandete mit vielen anderen geflüchteten Menschen in der Region White Nile, im Nordosten des Südsudan. Zu seinem Glück fiel er dort dem Team der Internationalen Organisation für Migration auf. Die UN-nahe Organisation für Migration kümmert sich um geflüchtete Menschen und eben auch um unbegleitete Kinder und Jugendliche. Sie übergab Simon dem Team von Save the Children. Unser Team recherchierte zum Verbleib der Familie und fand heraus, dass die Familie von Simon ebenfalls aus Khartum geflohen waren und mittlerweile in Juba im Südsudan lebte. So konnte Save the Children den Jungen zu seiner Familie begleiten.

Komplexe Probleme
Wenn Menschen fliehen, dann hat das erhebliche Folgen für die Gesellschaft, die die Geflüchteten aufnimmt: Kinder wie Simon sollten die Schule besuchen können, sie müssen medizinisch versorgt werden und wo nötig, auch psychosoziale Unterstützung erhalten. Geflüchtete Menschen müssen integriert werden, Ressourcen neu verteilt und Infrastruktur aufgebaut oder ausgebaut werden. Aber wie ist das möglich in einem Land, das auch stark von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen ist? Schwere Dürren und Überschwemmungen treffen den Südsudan immer wieder. Allein im vergangenen Jahr standen zwei Drittel des Landes unter Wasser, hebt Jib hervor.
„Der Südsudan ist eines der Länder, in denen sich die Temperaturen am schnellsten erwärmen, und zwar zweieinhalb Mal stärker als die durchschnittliche globale Erwärmung. Die Erwärmung führt dazu, dass normale Jahre trockener werden, während die Häufigkeit von Überschwemmungen in einigen Gebieten zunimmt. Flussüberschwemmungen und Sturzfluten nehmen im Südsudan zu. Menschen sterben, Lebensgrundlagen werden vernichtet. Jedes Jahr sind zwischen 750.000 und mehr als eine Million Menschen von Überschwemmungen betroffen, von denen die Hälfte gezwungen ist, ihre Heimat in höher gelegene Gebiete zu verlassen. Der Verlust eines Zuhauses, der Gemeinschaften und Lebensgrundlagen kann zu Traumata, Stress und zu psychischen Problemen führen.”

Wie können wir helfen, wenn Menschen inmitten der komplexen Probleme ganz direkt betroffen sind? So wie die 36-jährige Aker* aus der Region Akobo West? Sie hat Traumatisches erlebt. Ihr Mann wurde von einer bewaffneten Gruppe ermordet, etwas später verlor sie ihr Haus durch heftige Regenfälle, und als ob das nicht schon alles schrecklich genug wäre, starben zwei ihrer fünf Kinder an den Folgen akuter Mangelernährung. Auch Akers jüngster Sohn Biel* war gefährdet. Ihm konnte unser Team zum Glück helfen und er gilt heute als völlig gesund.
Save the Children konnte Aker in dieser Situation mit Bargeld unterstützen. „Das Geld ist eine große Hilfe für mich", sagt die alleinstehende Mutter. "Wir haben es für Nahrungsmittel ausgegeben und ich konnte einen Teil für den Wiederaufbau meines Hauses verwenden.”
Empowerment schafft Perspektiven
Im Südsudan existiert nach Jibs Aussage eine tief verwurzelte Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Nur 29 Prozent der Frauen können lesen und schreiben, im Vergleich zu 40 Prozent der Männer. Jeder Konflikt, jede Naturkatastrophe, jede Flucht verschärft die Bildungssituation für Kinder. Frühverheiratung ist keine Seltenheit.
Ein weiterer Aspekt, den Jib betont, ist die Tatsache, dass die knappe Mehrheit der Südsudanesen noch keine 18 Jahre alt ist.
„Eine junge Gesellschaft kann ein wertvoller Aktivposten für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes sein, wenn in gute Ausbildung, Qualifikation und Beschäftigung der jungen Bevölkerung investiert wird. Investitionen in Bildung, Gesundheit, Schutz und berufliche Bildung können helfen, das Potenzial der Jugend zu nutzen und zum Wachstum des Landes beizutragen.”
Doch viele Kinder beenden noch nicht einmal die Grundschule. Mehr als jedes fünfte Kind, das eingeschult werde, breche die Schule vorzeitig ab, erzählt Jib, weil Unruhen ausbrechen, Naturkatastrophen Dörfer zerstören und Familien fliehen. Eine Entwicklung, die sich kein Land leisten kann. Aufgrund dieser Fakten hat das südsudanesische Länderbüro mit Hilfe des Staates, der Distriktbehörden und Geberländern, Maßnahmen entwickelt, die auf die Herausforderungen reagieren.
So unterstützt Deutschland seit 2019 Zentren für technische und berufliche Bildung in fünf Bezirken von Eastern-Equatoria 760 Jugendliche zwischen 18 und 24 Jahren wurden in Schneiderei, Motorradmechanik, Schreinerei, Bauwesen, Landwirtschaft, Bäckerei, Friseurhandwerk ausgebildet.
„Diese Programme gehören zu den wirkungsvollsten, die wir im Südsudan durchführen. Zuvor waren Jugendliche oft chancenlos, sehr gefährdet und mancher schloss sich aus Perspektivlosigkeit bewaffneten Gruppen an. Die Berufsausbildung vermittelt ihnen nicht nur die nötigen Fähigkeiten für den Einstieg in das Arbeitsleben, sondern bietet ihnen auch die Möglichkeit, ein eigenes Unternehmen zu gründen, entweder mit einem Startkapital oder mit den erforderlichen Werkzeugen.”
Aber das ist noch nicht alles an Anstrengung, die Save the Children mit ihren starken lokalen und internationalen Partnern leistet. Mit Unterstützung des Grünen Klimafonds, der Global Partnership Education, der Library for All und dem südsudanesischen Bildungsministerium - MOGE & I (Ministery of General Eduaction and Instruction) - nimmt das Land die Herausforderungen an und verbindet Klimakrise mit Bildung. Kinder und Jugendliche werden in ihren Unterrichtsstunden für die Klimakrise sensibilisiert, sie lernen, wie nachhaltige Landwirtschaft angewandt werden kann und auch wenn Naturkatastrophen das soziale Leben kurzfristig durcheinanderbringen, soll kein Kind langfristig vom Lernen abgehalten werden.
Programme, die Jib mit ihrem Team und den nationalen und internationalen Partnern umsetzen wird, damit Kinder und Jugendliche eine Zukunft im Südsudan haben. Oder mit Jibs Worten:
„Unsere Bemühungen haben weitreichende Auswirkungen auf das Leben der Kinder, die sich nicht in Zahlen ausdrücken lassen. Wir haben gesehen, wie Lächeln anstelle von Tränen, Lachen anstelle von Stille und der Funke der Neugierde in den Augen von Menschen aufleuchtete, die unbedingt lernen wollten.”
Das Porträt:

Neu bei Save the Children – Tania Roach, Vorständin
Unser erstes Treffen findet ganz ohne Tee statt. Erstaunlicherweise, denn Tania Roach ist Britin und natürlich auch Teetrinkerin. Es sei eine Ausnahme, sagt sie. Tee sei Genuss und ein gutes Mittel, um durchzuatmen, wenn zum Beispiel krisenhafte Nachrichten auf dem Bildschirm aufploppen.
Unsere neue Vorständin stammt aus Südengland, genauer aus Hampshire. Aus dem Ort, der auch die Heimat von Florence Nightingales Familie war. Nightingale ist eine britische Legende: Reformerin, oberste Krankenschwester der Nation und Statistikerin. Tania Roach hat ein ebenso starkes Gespür für Zahlen und schätzt Maßnahmen, die messbar sind. Darüber hinaus wird ihre Britishness auch deutlich sichtbar in ihrem ehrenamtlichen Engagement für die Pfadfinderbewegung The Scout Association.
Das Pfadfinder-Motto: Learning by doing
Mit sieben Jahren hat Tania als Pfadfinderin („Brownie-Guide“) angefangen, ist später mit 16 zu den „Venture-Scouts“ gewechselt und ist immer noch heute aktiv bei der World Organization of the Scout Movement. In ihrer Jugend habe sie dort mehr gelernt als in der Schule, erzählt sie. Schulisches Wissen ist das eine, aber die Entwicklung von Soft Skills sind nicht zu unterschätzen: Wie bringt sich ein Kind in eine Gemeinschaft ein? Wie löst man Konflikte? Wie organisiert man Touren? Wie kreativ ist jemand in Krisensituationen, wenn das Zeltlager zum Beispiel dem Dauerregen kaum noch standhält? Als Pfadfinderin hat Tania bereits früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Mit 14 leitete sie eine Gruppe, die sogenannte Sippe. „Das sind alles Leadership Skills für die Zukunft”, sagt sie. Sogar ihren deutschen Mann hat sie über die internationale Pfadfinderbewegung kennengelernt.
In ihrem bisherigen Berufsleben hat Tania Roach ihre Führungsqualitäten immer wieder neu unter Beweis gestellt. Zunächst in der Wirtschaft für einen Lack- und Farben-Hersteller in Grobritannien, Deutschland, Belgien und Österreich. Dass der Familienkater Mozart heißt, ist eine Reminiszenz an die Zeit in Salzburg und natürlich die Liebe zum gleichnamigen Komponisten.
Von der Wirtschaft zur Nichtregierungsorganisation
2015 ist ein Jahr des Wechsels: Tania Roach verlässt das Wirtschaftsunternehmen, zieht nach Berlin und übernimmt dort eine Position in der Geschäftsleitung beim World Wild Fund For Nature (WWF). Dort ist sie für den Bereich Marketing, Fundraising, Markenführung und auch für die Kinder- und Jugend-Programme der NGO zuständig.
Eine weitere Entscheidung fällt Tania Roach im Kontext des Brexits. Seit 2016 schwebte der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU über den Menschen. Ein Grund mehr für Tania Roach, sich für die deutsche Staatsangehörigkeit zu interessieren.
„Ich sehe meine Zukunft in Deutschland, ich identifiziere mich sehr mit Deutschland und natürlich wollte ich auch wählen. Beim Brexit hätte ich nicht wählen dürfen. Ich lebte über zehn Jahre nicht mehr in England und durfte nirgendwo wählen. Es war richtig blöd. Man arbeitet, man zahlt Steuern, interessiert sich für die politische Lage und ich wollte bei Wahlen unbedingt meine Stimme abgeben.“
In ihrer Heimat haben viele Menschen die Brexit-Abstimmung nicht ernst genommen, da sie dachten, der Ausstieg käme nie. Sie haben die Unterstützung für den Ausstieg aus der EU unterschätzt – dann kam für viele ein böses Erwachen.
„Wenn Menschen nicht wählen gehen, nimmt man ein Ergebnis in Kauf, dass man vielleicht nicht haben wollte. Jeder sollte sein Wahlrecht nutzen. In diesem Jahr stehen viele Wahlen an und wir erleben in Deutschland, aber auch europaweit, dass rechte Parteien massiv an Boden gewinnen. Da muss man gegensteuern und die Mitmenschen wachrütteln. Man muss unsere Themen, die Kinder- und Menschenrechte auf die Agenda der Parteien setzen.“
Mittlerweile ist Tania Roach auch deutsche Staatsbürgerin. An die Einbürgerungsfeier erinnert sie sich gern. Die Eingeladenen machten untereinander Fotos und man stieß gemeinsam auf die deutsche Nationalität an.
Beruflich ist sie nun nach acht Jahren beim WWF im Januar 2024 zu Save the Children gekommen. Als Engländerin war ihr die Organisation immer sehr vertraut. Sie kennt Save the Children seit ihrer Kindheit und war immer beeindruckt von der Arbeit der Organisation. Inzwischen kennt sie auch die Professionalität und Engagement der Mitarbeiter*innen aus erster Hand: „Ich bin begeistert ein Teil des Teams zu sein.“
Jetzt ist Tania Roach die dritte Vorstandsperson neben Kevin Copp und Florian Westphal und ist für die Bereiche Markenführung, Marketing und Fundraising verantwortlich. Auf die Frage, ob es Unterschiede zwischen englischem und deutschem Fundraising gebe, antwortet sie mit einem klaren Ja. Das habe auch viel mit den kulturellen Unterschieden zwischen den beiden Ländern zu tun. Britishness schlage sich auch im Spendenverhalten nieder, so Tania Roach:
„Engländer lachen gerne über sich selbst. Sie lieben alles, was schräg, skurril und exzentrisch ist. Und auch beim Fundraising gibt es viele interessante und ungewöhnliche Aktivitäten. Jeder unterstützt seine eigene Charity und oft sind es alberne Aktionen für einen guten Zweck. Man verkleidet sich, ruft einen hosenfreien Tag aus oder nimmt bei „Fun Runs“ teil. Hauptsache, es kommt Geld zusammen. Die Leute sind auch so aktiv beim Spenden, weil die britische Regierung Nichtregierungsorganisationen nicht sehr unterstützt.“
Vielleicht gefällt ihr deshalb die selbstironische Kampagne der BVG, der Berliner Verkehrsbetriebe, so gut.
„Sie haben genau untersucht, was Berlin ausmacht. Es sind die lockeren Sprüche der Berliner. Als BVG haben sie folglich eine Kampagne entworfen, in der sie sich selbst als sehr schräges Unternehmen darstellen mit Abläufen, die nicht rund laufen: Züge, die verspätet sind oder ganz ausfallen, und Lautsprecheransagen, die einfach nur schwer verständlich sind. So haben sie signalisiert, das Unperfekte gehört zu Berlin, gehört zur BVG und man spricht über sie.“
Auch über Save the Children, über unsere humanitäre Arbeit, Projekte und Programme soll zukünftig mehr gesprochen werden. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit für Save the Children steht das Ziel, uns noch bekannter machen. Denn da ist noch viel Luft nach oben, um uns in Deutschland sichtbarer zu machen. Tania kann auf ein gutes Team aufbauen, das gerade zum Ende des vergangenen Jahres mit der Marken- und Spendenkampagne „OHNE WENN UND ABER“ genau darauf gezielt hat.

Darauf lässt sich aufbauen, sagt Tania Roach. Bei Save the Children wird sie nun ihre Marketing- und Fundraising-Expertise für Kinder in Not einbringen. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit, herzlich willkommen!
Wir haben Tania Roach einen Fragebogen ausfüllen lassen, angelehnt an den berühmten Marcel Proust Fragebogen, den später die Frankfurter Allgemeine Zeitung für ihr Magazin wieder entdeckt hatte.
Frage - Antwort
Deine liebsten Romanhelden?
Deine Lieblingsheld*innen in der Wirklichkeit?
Worüber hast Du Dich zuletzt gefreut?

Was mich bewegt | Gedanken von
Florian Westphal
Unser Blick auf das Jahr 2024
Auf den ersten Blick verheißt das neue Jahr wenig Gutes für Kinder: Millionen Kinder leben inmitten andauernder Konflikte: im Nahen Osten, der Ukraine, im Sudan und in vielen anderen Ländern. Auch nehmen die Auswirkungen der globalen Klimakrise stetig zu: Große Sorgen macht uns das El-Niño-Wetterphänomen, das die Existenzgrundlagen von Millionen Menschen unter anderem in Ostafrika bedroht. Und hier in Deutschland sorgen wir uns um rund 3 Millionen Kinder, die in Armut aufwachsen.
Aber es gibt auch Entwicklungen, die positiv stimmen. Zum Beispiel die Meldung von UNICEF, dass im vergangenen Jahr weltweit 50 Millionen mehr Mädchen zur Schule gingen als noch 2015. Das sind 50 Millionen Mädchen, die dadurch bessere Voraussetzungen haben - für ihre Kindheit und ihre Zukunft.
Oder die Tatsache, dass wieder mehr Kleinkinder weltweit die wichtigsten Impfungen bekommen können. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es 2022 noch mehr als 14 Millionen Kinder, die gar nicht geimpft wurden – eine viel zu hohe Zahl, aber dennoch bereits eine große Verbesserung gegenüber den Covid-Jahren. Dieses Jahr erwarten wir die Einführung von gleich zwei neuen Malaria-Impfstoffen, die – auch wenn sie Einschränkungen haben - einen Riesenunterschied für Millionen Menschen machen könnten. Denn nach WHO-Angaben gab es 2022 weltweit geschätzt 249 Millionen Infektionen und gut 600.000 Todesfälle in rund 85 Ländern, vor allem in Afrika. 80 Prozent der Malaria-Toten auf dem Kontinent sind Kinder unter 5 Jahren.
Ein weiteres wichtiges Thema in diesem Jahr sind Wahlen. Das britische Magazin The Economist spricht bereits von einem „Superwahljahr”. Rund vier Milliarden Menschen in mehr als 60 Ländern haben die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben. Das ist die Hälfte der Weltbevölkerung, Stimmberechtigte in den USA, Russland, Indien, Bangladesch, Südafrika, Südsudan oder Mexiko. Auch das Europaparlament wird neu gewählt und in Deutschland stehen Wahlen in drei Bundesländern an. Wahlkämpfe und Wahlen bieten auch die Chance, die Stimmen zu erheben für die Menschen, die nicht wählen dürfen – für Kinder. Wo immer es möglich ist, wird Save the Children diese Wahlen nutzen, um die Öffentlichkeit auf die Bedürfnisse und Rechte von Kindern aufmerksam zu machen.
Vorausschauend handeln
Persönlich schaue ich trotz der Krisen mit Zuversicht auf das neue Jahr. Zwei Aspekte unserer Arbeit für Kinder sind mir besonders wichtig. Das eine sind unsere Bemühungen, schon dann zu handeln, bevor eine Katastrophe geschieht - also nicht erst zu helfen, wenn Menschen bereits in Not sind. Die sogenannte vorausschauende humanitäre Hilfe soll Menschen beispielsweise darin unterstützen, sich auf mögliche Naturkatastrophen wie Wirbelstürme oder Hitzewellen besser vorzubereiten. Dazu gehört es, auf Gemeindeebene Frühwarnsysteme einzurichten, damit sich die Bevölkerung rechtzeitig in Sicherheit bringen kann, wenn der Sturm kommt. Oder Bargeldhilfen, die es den Betroffenen ermöglichen, selbst die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Dieses Jahr starten wir mit der Unterstützung des Auswärtigen Amts drei Projekte dieser Art im Sudan, in Somalia und in Bangladesch.

Meine zweite Priorität ist die Zusammenarbeit zwischen Save the Children und lokalen Partnerorganisationen. Im Februar plane ich eine Reise in die Westukraine, wo wir gemeinsam mit ukrainischen Organisationen und Behörden Bildungsprogramme umsetzen. Auch leisten wir psychosoziale Hilfe für Kinder, um sie in ihrem oft schwierigen Alltag zu unterstützen. Überall auf der Welt – auch in Deutschland – arbeitet Save the Children mit Partnern, die lokal stark verwurzelt sind und die Lage der Kinder in Not oft am besten kennen. Mit unserer fachlichen Expertise und weltweiten Erfahrung von über 100 Jahren im Einsatz für die Kinderrechte wollen wir diese Partnerorganisationen langfristig stärken, damit sie Kinder noch besser unterstützen können.
Seit mehr als 100 Jahren für die Kinderrechte aktiv
Angefangen hat unsere Hilfe übrigens 1919 in Deutschland und Österreich mit Suppenküchen für Kinder, die nach dem Ersten Weltkrieg unter Hunger und Armut litten. Eigentlich erstaunlich, dass es den Verein Save the Children in Deutschland erst seit 2004 gibt. Das heißt, wir werden in diesem Jahr hierzulande 20 Jahre alt, dem Teenageralter entwachsen aber weiterhin voll jugendlichem Elan. Und es gibt noch ein weiteres Jubiläum: Vor 100 Jahre verabschiedete der Völkerbund die sogenannte Genfer Erklärung, das erste internationale Dokument, das die grundlegenden Kinderrechte festschrieb. Entstanden ist es vor allem dank der Gründerin von Save the Children, der britischen Aktivistin Eglantyne Jebb. Diesen Geburtstag werden wir zum Anlass nehmen, nachdrücklich für die Rechte aller Kinder auf Bildung, Gesundheit und Schutz vor Gewalt einzutreten – ohne Wenn und Aber.
Auch in diesem Jahr sind wir froh, dass Sie mit weiteren Menschen unsere weltweite Arbeit für Kinder in Not unterstützen. Dafür schon mal meinen herzlichen Dank.
* Namen zum Schutz der Personen geändert.