Unser Schwerpunkt Das Porträt Was mich bewegt

Quarterly - Gemeinsam mehr bewegen!


Unser Schwerpunkt


Lernen unter widrigen Umständen 

Susanne Sawadogo, Medienreferentin bei Save the Children, berichtet von ihrem Besuch in Dadaab

„Education in Emergencies“, Bildung in Notsituationen - in der Sprache der humanitären Organisationen ist das ein fester Begriff. Aber was bedeutet das eigentlich, Kindern auf der Flucht oder in Konfliktgebieten Zugang zu Bildung zu geben? Kann es in einem Camp für Geflüchtete gelingen? Mit dieser Frage im Kopf reiste ich im März nach Kenia, um gemeinsam mit meiner Kollegin Julia Gädke aus unserer Programmabteilung das Geflüchtetencamp in Dadaab zu besuchen. Um die Antwort vorwegzunehmen: Es ist schwierig. Aber es geht. Und es lohnt sich immer.

Eine Flugstunde östlich von Nairobi und rund 90 Kilometer von der somalischen Grenze entfernt, mitten in der weitläufigen Trockensavanne, leben fast 400.000 Menschen in dem Camp. Sie sind vor dem Krieg in Somalia oder den Auswirkungen der Klimakrise geflohen und auf humanitäre Hilfe angewiesen – oft seit Jahren oder Jahrzehnten. Die Vereinten Nationen und mehrere Nichtregierungsorganisationen leisten Hilfe, seit das Camp Anfang der 1990er-Jahre entstanden ist. Was als Provisorium gedacht war, ist für viele Menschen Heimat geworden. Eine Heimat ohne Geschichte. Save the Children ist seit 2006 in Dadaab und will zumindest bei der Gestaltung der Zukunft helfen.

Über Sandpisten erreichen wir die riesige Siedlung, ein Labyrinth aus Lehmhütten, Zelten und einfachen Verschlägen, die aus Zweigen, Tüchern und Plastikplanen errichtet wurden. Hier am Äquator herrschen 40 Grad im Schatten. Auf den Plätzen zwischen den Häusern sind keine spielenden Kinder zu sehen, auch wenn ab und zu ein Fußballtor zum Kicken einlädt. Dabei sind mehr als die Hälfte derjenigen, die im Camp leben, jünger als 18 Jahre. Viele von ihnen kennen nur ein Leben auf der Flucht, zahlreiche Familien leben hier schon in zweiter oder dritter Generation. 

einfache Hütten auf Wüstenboden

Die Familie von Aisha* kam vor etwa 15 Jahren aus Somalia, nachdem die Dürre ihr die Lebensgrundlage genommen hatte. „Wir waren Hirten, unser Vieh ist gestorben“, erzählt Fatuma, die Mutter des Mädchens. In Dadaab gehe es der Familie besser: „Da, wo wir herkommen, gibt es nichts. Hier gibt es etwas zu Essen und Bildung.“ Dass ihre Kinder zur Schule gehen, ist Fatuma ein echtes Anliegen, auch Aisha, die Jüngste der fünf Kinder, soll die Chance bekommen. Das ist nicht selbstverständlich: Die Zehnjährige hat seit frühester Kindheit eine Beeinträchtigung und kann nicht selbstständig laufen. Kinder wie sie haben es in Dadaab besonders schwer. 

Mit Hilfe von Save the Children kann Aisha jeden Tag zur Schule gehen. Unsere Teams vor Ort schicken morgens ein Auto, das sie zusammen mit anderen körperlich beeinträchtigten Kindern zum Unterricht fährt. Bevor sie von Save the Children unterstützt wurde, zahlte die Mutter aus eigener Tasche ein Taxi von dem Geld, das sie vom Wäschewaschen für die Nachbarschaft verdiente.

Aishas Schule ist eines von 26 alternativen Lernzentren, die Save the Children in Kenia betreibt – davon sind 14 in Dadaab. Hier werden insgesamt rund 10.000 Kinder, die noch nie zur Schule gegangen sind oder die Schule abbrechen mussten, auf den regulären Schulbesuch vorbereitet. Inklusion ist ein zentraler Bestandteil des Bildungsprojekts, das mit Mitteln der EU-Kommission (ECHO) finanziert wird.

Vier Klassenräume und drei Zelte, ein Garten, ein Trinkbrunnen und zwei Latrinen – das ist Aishas Schule. Fast 700 Kinder werden hier vormittags unterrichtet, 35 von ihnen haben eine Beeinträchtigung, erzählt uns Schulleiter Bashir Ahmed. Ältere und jüngere Kinder vom Vorschul- bis zum Grundschulalter lernen gemeinsam. Weil das Gebäude zu klein ist, werden einige Klassen in Zelten unterrichtet. „Wir versuchen, mit unseren Schulen die Lücke zu füllen, aber es ist noch viel zu tun, um die Infrastruktur zu erweitern und allen Kindern Zugang zu Bildung zu geben“, sagt Tukow Nuuh, der die Programme von Save the Children in Dadaab leitet. „Wir haben eine Bildungskrise“, fügt er hinzu.

Blick von außen auf ein Klassenzimmer der Schule

Für die Kinder im Dadaab-Camp ist Schule zugleich mehr als Bildung: Sie ist ein Ort der Begegnung, der Lebendigkeit und des Austauschs. Hier treffen sie Gleichaltrige, gewinnen Abstand von häuslichen Pflichten und haben einen geschützten Ort. Denn das Leben im Camp, wo Verzweiflung und Perspektivlosigkeit verbreitet sind, ist auch geprägt von Spannungen, Konflikten und Gewalt. Privatsphäre und Rückzug sind kaum möglich, die Hütten stehen dicht an dicht. In den spärlich eingerichteten Häusern ist es dunkel und eng, zum Schlafen haben viele nur eine Matte als Unterlage. Es gibt kaum Möglichkeiten zu arbeiten. 

Save the Children versucht, die Familien trotz allem von den Vorteilen des Schulbesuchs zu überzeugen, denn nur Bildung kann den Kindern eines Tages ein besseres Leben ermöglichen. Für Aishas Mutter war keine Überzeugungsarbeit nötig. „Aisha ist sehr aufgeweckt“, sagt sie, das Mädchen gehe gerne zur Schule und wolle unbedingt etwas lernen. 

Durch die offene Tür ihres Klassenzimmers schallen Kinderstimmen, die im Chor Wörter nachsprechen. Manchmal tritt ein Kind heraus, rennt zum Wasserhahn auf dem Schulhof und stillt seinen Durst, bevor es in die Klasse zurückkehrt. Unter den Zeltplanen sitzen Mädchen und Jungen auf bunten Stühlen, schauen zur Tafel oder tuscheln miteinander. Kurz vor Schulschluss hält ein Laster mit Milchtüten, die an alle Kinder verteilt werden. Trinkend gehen die Kinder in der Mittagshitze nach Hause. Aisha wird mit dem Auto abgeholt.   

Im Dadaab-Camp gehen 42 Prozent der Kinder im schulfähigen Alter nicht zur Schule. Die Gründe sind vielfältig. Viele der Eltern waren selbst nicht in der Schule, sie wissen nicht, wie wichtig Bildung ist und können ihre Kinder zu Hause nicht unterstützen. Viele Mädchen müssen zudem weit entfernt Wasser holen, im Haushalt helfen oder auf ihre Geschwister aufpassen. Oft werden bereits Teenagerinnen verheiratet oder erfahren sexuelle Gewalt – mit fatalen Folgen für ihre Seele, ihre Gesundheit und ihre Zukunft. 

Mutter und Tochter sitzen auf dem Boden und lernen

Aishas Lehrer weiß, wie schwer es ist, unter den Lebensbedingungen im Camp zur Schule zu gehen: Abdiaziz Hussein Adow kam selbst 1992 im Alter von fünf Jahren mit seiner Familie aus Somalia. Damals war das Camp gerade erst entstanden. Zwischenzeitlich war es sogar das größte der Welt. 

Erst im Alter von elf Jahren wurde Abdiaziz Hussein Adow eingeschult. Als ausgebildeter Hilfslehrer verdient er sich heute ein kleines Zubrot, das er neben der humanitären Hilfe erhält. Woher nehmen die Schulkinder ihre Motivation, obwohl sie kaum Aussicht auf eine Arbeit haben und es ihnen an Vorbildern fehlt? „Wenn die Kinder sich anstrengen, haben sie die Chance auf ein Studium außerhalb des Camps“, sagt Abdiaziz Hussein Adow. Die wissbegierige Aisha könnte eine von ihnen sein. Sie möchte wie ihr ältester Bruder Abitur machen. „Ich möchte Lehrerin werden“, sagt die Zehnjährige. 

Dass das Camp über Jahrzehnte existiert, war nicht vorgesehen, aber die Krisen in der Region reißen bis heute nicht ab. Vor einigen Jahren sollte es geschlossen und die Menschen in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Doch dazu kam es nicht, und nun will die kenianische Regierung Perspektiven schaffen. Das Ziel: die Integration der Geflüchteten in die kenianische Gesellschaft und die Umwandlung des Camps in eine Siedlung. Die von Organisationen betriebenen Schulen im Camp sollen schrittweise in staatliche Hände übergehen. 
Auch wenn die Menschen in den Aufnahmegemeinden ebenso wie die Geflüchteten dem Volk Somali angehören und ihre Sprache und Religion teilen, ist es bis zur Integration noch ein weiter Weg. Vorerst werden sie weiter auf Hilfe angewiesen sein. Aber die Hilfsgelder für Dadaab gehen zurück, obwohl der Bedarf angesichts wieder steigender Ankunftszahlen ungebrochen hoch ist. 

Unter diesen schwierigen Bedingungen setzen sich unsere Lehrkräfte, sowie psychologische und Kinderschutz-Fachkräfte in Dadaab jeden Tag dafür ein, dass die Kinder für die Zukunft gerüstet sind. Neben der Bildung bieten sie psychosoziale Unterstützung an. Sie haben ein offenes Ohr für Kinder, die von Gewalt, sexuellen Übergriffen, Kinderarbeit oder Frühverheiratung betroffen sind, und suchen mit den Familien Auswege. Manchmal hilft schon ein Bargeldzuschuss dabei, den Druck aus den Familien zu nehmen und Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen.

Zwei Frauen stehen vor einem Haus im Camp

Eine der Kolleginnen, die mich bei dem Besuch sehr beeindruckt hat, ist die Psychologin Lilian Aluka. Mit unglaublicher Ruhe und Empathie widmet sie sich in dem Camp jedem einzelnen Kind, das sich an sie wendet oder von dessen Sorgen sie erfährt. „Mentale Gesundheit ist genauso wichtig wie Essen und Trinken, sie gehört zur humanitären Hilfe dazu“, ist Lilian überzeugt. Sie führt uns zum Haus von Suatho*, die nach einer Vergewaltigung mit 17 Jahren Mutter wurde und bei Save the Children Unterstützung suchte. Die Teenagerin konnte ihre Eltern überzeugen, den Täter nicht heiraten zu müssen. Sie konnte durchsetzen, dass sie zur Schule gehen kann. Fast volljährig besucht sie nun die zweite Klasse und hat Träume: „Ich möchte Englisch lernen“, sagt Suatho. „Und Ärztin werden.“ 

Lilian unterstützt die Jugendliche dabei, trotz der frühen Mutterrolle nicht aufzugeben. Die Teenagerin hat dank der Gespräche mit der Psychologin wieder Mut gefasst, auch wenn die Ereignisse schwer auf ihr lasten. „Sie hat andere Mädchen getroffen, denen Ähnliches passiert ist, das hat ihr gut getan“, sagt Lilian. Die Geschichten von Suatho und Aisha zeigen, dass jede Unterstützung einen Unterschied im Leben eines Kindes macht. 

Und noch etwas haben wir erfahren: Trotz der scheinbar ausweglosen Situation geben die Menschen, denen wir in Dadaab begegnen, die Hoffnung nicht auf. Eine Bestärkung und Antrieb auch für uns ganz persönlich, sie in dieser Motivation und ihrem Engagement zu unterstützen.


Das Porträt


Farewell Jenny! 

Porträtfoto von Jenny zu Eulenburg

Eigentlich berichten wir auf dem Porträt-Platz nicht über jede Veränderung im Team. Doch dieser Fall ist besonders: Unsere langjährige Leiterin des Teams Philanthropie, Jenny zu Eulenburg, verlässt Save the Children. Deshalb machen wir von der Regel eine kleine Ausnahme und das aus guten Gründen: 

Als Jenny zu Eulenburg im September 2012 bei Save the Children startete, war der Bereich der Philanthropie (so gut wie) nicht existent. Außerdem waren wir als Kinderrechtsorganisation in Deutschland ziemlich unbekannt. Folglich war einer der ersten Schwerpunkte von Jenny zu Eulenburg, Menschen wie Sie anzusprechen, sie für die Arbeit von Save the Children zu interessieren und um Unterstützung für unsere Projekte für Kinder in Not überall auf der Welt zu werben.  

Mit ihren Erfahrungen aus der Welt der Agenturen formulierte Jenny zu Eulenburg die USP's und schaute auch bei Save the Children auf die KPI's. Ich behaupte jetzt einfach, es sind zwei Lieblingsabkürzungen von Jenny, über die sie gerne spricht, wenigstens in unserem Team.  

Zu unserem Unique Selling Point (USP) zählt sicherlich, dass wir die älteste Kinderrechtsorganisation sind. Unsere Gründerin Eglantyne Jebb setzte sich beim Völkerbund dafür ein, dass die Kinderrechte 1924 in der Genfer Erklärung festgehalten wurden. Und: Wir sind die größte unabhängige Organisation für Kinderrechte weltweit. Heute ist Save the Children in rund 120 Ländern tätig, in manchen Regionen seit mehr als sieben oder fünf Jahrzehnten, zum Beispiel in Ostafrika, Asien oder im Nahen Osten.   

Und jetzt zu den Key Performance Indicators (KPIs). Jedes Projekt, das wir aufsetzen, wird kontinuierlich evaluiert, hinterfragt und kritisch ausgewertet. Mittels den KPI's messen wir, wie erfolgreich Spendengelder eingesetzt wurden, wo wir besser nachjustieren und wohin weitere Gelder fließen müssen, um Kindern bestmöglich zu helfen. Was wir gemeinsam erreicht haben, haben SIe vielfach in Form von Reports von uns erhalten. Schnell vor Ort sein, um dringend benötigte Hilfe zu leisten, ist im Falle einer Katastrophe immens wichtig. Auch deshalb hat sich Jenny zu Eulenburg immer wieder für den Children’s Emergency Fund stark gemacht. Dieser Fund ermöglicht es uns, Kindern und ihren Familien in Konflikten und bei Naturkatastrophen schnell zu helfen.   

Jenny zu Eulenburgs Motto war und ist es, trotz aller Herausforderungen weltweit alles zu tun, um Kinder in ihren Stärken zu fördern und sie immer zu unterstützen. Und so verabschieden wir sie mit einem lachenden und weinenden Auge und wünschen ihr von ganzem Herzen neue wunderbare Begegnungen und interessante Aufgaben.  

Frage - Antwort

Bitte den Satz vervollständigen. Save the Children ist für mich …

eine kraftvolle, hoffnungsgebende und wirksame Organisation für Kinder weltweit.  

Was würde unsere Welt besser machen?

Sicherlich können mehr Aufgeschlossenheit, Freundlichkeit, Empathie, Mut, Neugierde sowie ein respektvoller Umgang - auch mit unserer Umwelt und Natur - wesentlich dazu beitragen. 

Welcher Song verschafft Dir sofort gute Energie?

Es gibt so viele... aber wahrscheinlich ist es etwas aus den 70ern oder ABBA. Altmodisch? Aber cool! ????  

Welche Erinnerungen hast Du an Deinen ersten Tag bei Save the Children?

Wow!

„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“ - Bedeutet für Dich?

Genau das. Nichts ist schlimmer als der Stillstand.  

Wer sind Deine Held*innen der Wirklichkeit?

Bahnbrechende Forscher*innen und Entdecker*innen sowie alle, die sich für Demokratie, gegen jede Form von Gewalt und für mehr Mitmenschlichkeit einsetzten. Damit auch sehr viele von den mutigen Save-Kolleg*innen in Kriegs- und Krisengebieten.  

Welches Land möchtest Du entdecken?

Ich war noch nicht in Indien. Dort würde ich sehr gerne hinfahren. 

Ein Philanthrop ist für Dich?

Jemand, der mit voller Überzeugung Gutes für andere tut – und somit in eine bessere Zukunft investiert.  


Was mich bewegt | Gedanken von Florian Westphal


Wenn Menschen hungern

Wie die meisten Deutschen kann ich mir nicht vorstellen, was es bedeutet, Hunger zu haben.  Es gibt mehr als genug zu essen in diesem reichen Land. Die Regale in den Supermärkten sind voll, das Angebot für Obst und Gemüse ist groß. Ja, es gibt es auch hier Menschen, die genau auf ihre Ausgaben schauen müssen, gerade, seit die Lebensmittelpreise so stark gestiegen sind. Viele verzichten auf bestimmte Produkte und manch einer muss sich bei einer Tafel anstellen. Doch massiven Hunger erleben wir in Deutschland - glücklicherweise – kaum noch.

Vor gar nicht so langer Zeit war das anders. Meine über 90-jährigen Eltern können sich noch gut an die Nachkriegsjahre erinnern, an den „Hungerwinter“ 1946/47, in dem es Steckrüben und Kartoffeln zu essen gab, und davon zu wenig. Hunger und Mangelernährung kennen auch viele Menschen aus eigener Erfahrung, die in den letzten Jahren aus Konfliktgebieten wie Syrien oder Afghanistan nach Deutschland geflohen sind.

Wie furchtbar muss es für Eltern sein, ihre Kinder nicht mehr gut versorgen zu können, weil Krieg herrscht oder Naturkatastrophen sie vertrieben haben. Zuzuschauen, wie ihre Kinder infolge von Mangelernährung ihre Kraft verlieren, und nichts dagegen tun zu können. Ob Sudan, Gazastreifen, Afghanistan, Jemen oder Demokratische Republik Kongo … die Liste der betroffenen Länder ist erschreckend lang! Laut dem Welternährungsbericht der Vereinten Nationen hatten 2022 bis zu 783 Millionen Menschen auf der Welt nicht genug zu essen, rund 148 Millionen Kinder unter fünf Jahren waren chronisch mangelernährt. 

Die Tatsache, dass in Kriegen die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung massiv zunimmt und auch Hilfsorganisationen trifft, erschwert die Unterstützung für hungernde Kinder, die dringend Hilfe benötigen. 

Ein Krieg gegen Kinder 

Das wird momentan besonders sichtbar im Nahen Osten. Beim Angriff auf Israel letzten Oktober wurden mehr als 1.200 Menschen getötet, darunter 33 Kinder. Seitdem herrscht Krieg im Gazastreifen, mit hohen Opferzahlen. Nach Angaben der Vereinten Nationen und des Gesundheitsministeriums im Gazastreifen kamen mehr als 14.000 Kinder ums Leben. Im Norden ist jedes dritte Kind unter zwei Jahren schwer mangelernährt – das heißt, an der Schwelle zum Hungertod. Uns haben auch Berichte erreicht, dass Kinder bereits an den Folgen akuter Mangelernährung verstorben sind.

Die Gewalt macht es praktisch unmöglich, Kinder in vielen Teilen von Gaza mit Hilfe zu erreichen. Das gilt auch für die Kinder aus Israel, die in den Gazastreifen entführt wurden und die genau wie die anderen Geiseln unverzüglich freigelassen werden müssen. 

Der israelische Raketenangriff auf einen Konvoi der Nichtregierungsorganisation World Central Kitchen Anfang April war ein verheerender Schlag für die Bemühungen, die Menschen im Gazastreifen mit Lebensmitteln zu erreichen. Gegründet von einem Starkoch, der in den USA Luxusrestaurants betreibt und mit Kochshows im Fernsehen auftritt, hat die Organisation Tausende Familien mit Essen versorgt. Diese tödliche Attacke auf die Hilfsorganisation verunsichert nun alle humanitären Helfer, die in Gaza arbeiten. Eine Kollegin, die in Rafah und Deir al-Balah im Einsatz ist, sagte: „Der Gazastreifen ist einer der gefährlichsten Orte, den ich kenne. Es gibt kaum Platz, um sich zu bewegen und überall sind Menschen dicht gedrängt, es ist nicht einfach, Orte zu finden, um Hilfe anzubieten“. 

vier Personen packen ein Hilfspaket gemeinsam aus

Save the Children bleibt aber weiterhin vor Ort. So konnten wir mit unseren lokalen Partnerorganisationen in den vergangenen sechs Monaten insgesamt mehr als 323.200 Menschen im Gazastreifen unterstützen, darunter 165.000 Kinder. Wir haben darüber in unserem Report „Die Katastrophe im Nahen Osten – Unsere Hilfe in den vergangenen sechs Monaten” berichtet. Wie Sie vielleicht wissen, arbeitet Save the Children seit 1953 vor Ort.  In der aktuellen Situation ist es vordringlich, Sicherheit zu schaffen, auch damit eine Hungerkatastrophe vielleicht noch abgewendet werden kann. Wir fordern einen dauerhaften Waffenstillstand. Dass Kinder an den Folgen von Mangelernährung sterben, darf nicht sein - weder im Gazastreifen noch anderswo. 

Kind blickt über eine Vielzahl von Zelten in einem Camp

Auch inmitten solcher Krisen wie im Gazastreifen versuche ich auch gerade die positiven Entwicklungen für Kinder im Blick zu behalten. Deswegen habe ich mich besonders über eine vor kurzem veröffentlichen Mitteilung der Vereinten Nationen gefreut, dass die Zahl der Kinder weltweit, die vor ihrem fünften Geburtstag gestorben sind, 2022 mit schätzungsweise 4,9 Millionen Kindern auf einen historischen Tiefstand fiel. Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren ist seit 2000 weltweit um 51 Prozent gesunken. Hauptgründe für diese Fortschritte sind die „Basics“: eine gute Gesundheitsversorgung und Impfungen, gute Ernährung, sauberes Wasser und Bildung – genau die Bereiche, um die sich Save the Children vorrangig kümmert. Natürlich sind fast fünf Millionen so früh verstorbene Kinder immer noch viel zu viele, aber es gibt Fortschritte, und wir wissen, was getan werden muss. 

Das macht mir Mut! Ihnen hoffentlich auch.  
 

 

* Namen zum Schutz der Personen geändert.