Quarterly - Gemeinsam mehr bewegen!
Unser Schwerpunkt:
Die Fröhlichkeit wieder gewinnen
Die psychosoziale Arbeit von Save the Children im Jemen

„Ich träume von Frieden, von einem Himmel, in dem nur Vögel fliegen können, und von einer Zukunft, in der das Lachen der Kinder die einzige Medizin ist, die mein Volk brauchen wird."
Jihad wollte nur sein früheres Viertel in Taiz besuchen. Das Haus, in dem er aufwuchs, wiedersehen oder das, was noch davon stand. Da passierte es. Maha* und Maya* wollten nur Feuerholz einsammeln. Dann gab es eine Explosion, der Druck riss sie zu Boden, verletzte sie.
Drei Schicksale zu unterschiedlichen Zeiten, doch trauriger Alltag im Jemen. Alle drei haben wie durch ein Wunder überlebt. Allerdings ist die Gefahr, durch Landminen und nicht explodierte Sprengkörper verletzt zu werden, für die Bevölkerung und insbesondere für Kinder sehr hoch. Allein im Jahr 2022 wurde alle zwei Tage ein Kind durch Landminen und Blindgänger verletzt oder getötet.
Das Team von Save the Children leistet im Jemen lebenswichtige und vor allem schnelle Hilfe. Wenn Kinder wie Maha und Maya verletzt werden und in ein Krankenhaus kommen, beginnt auch die Arbeit von unserem Sozialarbeiter Yacoub. „Die Familie stand unter Schock und ihre Situation war sehr tragisch,“ betont Yacoub. In diesen Momenten ist der Sozialarbeiter der erste Ansprechpartner für die Ärzt*innen und für die Eltern. Yacoub veranlasst die ersten Hilfsmaßnahmen nach den Operationen, kümmert sich um die notwendige psychosoziale Betreuung für die Kinder und für die Eltern. Auch Ärztin Dr. Salwas erinnert sich genau an den Tag als Maha und Maya eingeliefert wurden:
„Maha, die zehn Jahre alt ist, erlitt schwere Verletzungen an ihrer rechten Hand. Sie musste amputiert werden. Außerdem erlitt sie dauerhafte Verletzungen in ihrem Gesicht und am Auge. Maya, die 16-Jährige, brach sich das linke Bein und hatte Splitter am ganzen Körper. Es bricht einem das Herz, wenn man sieht, wie Kinder in diesem Alter aufgrund der Landminen solche Verletzungen und Behinderungen erleiden.“
Maha lernt Jihad im Krankenhaus kennen
Maha weiß noch, dass sie in den ersten Tagen im Krankenhaus gar nicht begriff, wo sie war. „Ich dachte, ich sei in der Schule und wollte etwas aus meiner Tasche herausziehen. Dann merkte ich, dass meine Hand amputiert war.“
Kinder, die durch Kriegswaffen verletzt wurden, müssen das Erlebte auch psychisch verarbeiten: lernen, mit ihren Ängsten, Albträumen, Schlafstörungen umzugehen. Jihad weiß, was das bedeutet. Er selbst ist mehrfach verwundet worden, erlitt eine Schussverletzung am Kopf und verlor durch eine Landmine ein Bein und ein Auge. Zwei seiner Brüder starben durch Landminen. „Ich fühlte mich damals gebrochen, geschlagen und verloren“, erinnert er sich.
Heute studiert Jihad Geschichte und Politikwissenschaft und engagiert sich ehrenamtlich. Bereits im Krankenhaus hörte er von der Arbeit von Save the Children und besuchte später das Büro in Taiz. Mittlerweile hat Jihad zahlreiche Trainingsstunden im Bereich psychosoziale Unterstützung absolviert und ist seit 2020 als ehrenamtlicher Helfer tätig. Maha und Maya lernte er im Oktober 2022 kennen. „Der Schmerz der Töchter, aber auch der Eltern war so überwältigend groß und kaum auszuhalten“, sagt er. Jihad ahnte, wie sich die verletzten Schwestern fühlen, und wusste um die Traurigkeit der Eltern. Er erzählte ihnen von seinem eigenen Schicksal und fand so den Zugang zur Familie. Von da an besuchte Jihad die Mädchen immer wieder im Krankenhaus – und als die Schwestern aus dem Krankenhaus entlassen wurden, bot Jihad der Familie an, sie weiterhin im Programm von Save the Children für psychosoziale Unterstützung zu lassen.

Psychosoziale Unterstützung für die Schwestern Maya und Maha
Zu Beginn besuchte er die Familie zweimal am Tag, gab Ratschläge, wie man zum Beispiel Maha ermutigen könnte, mit links schreiben zu lernen. Jedes Kind erlebe nach solchen Schicksalsschlägen sehr schwierige Phasen, betont Jihad. Kinder und ihre Familien benötigen Gespräche und Hilfestellungen im Alltag, zum Beispiel: Wie lernt Maha den Umgang mit ihrer Handprothese? Da Jihad selbst eine Beinprothese trägt, weiß er, wie schwierig der Prozess ist, sich daran zu gewöhnen. Wichtig ist dabei auch, wie Freundinnen und die Nachbarschaft auf die Mädchen reagieren. Also besuchte Jihad auch sie, erklärte alles und ermutigte sie, ihre Verlegenheit im Umgang mit Maha und Maya abzulegen. Und immer wieder gibt es bis heute unterstützende Gespräche mit den Eltern, damit sie ihre Mädchen durch alle emotionalen Phasen gut begleiten können.
In einem Gespräch mit uns sagte die zehnjährige Maha, dass sie gerne dem wichtigsten Mann der Welt einen Brief schreiben möchte, damit Landminen und explosive Waffen endlich verboten werden. „Wir sollten keine Landminen legen, weil sie explodieren und Menschen töten. Landminen trennen den Menschen Hände und Beine ab. Wenn der Krieg nicht aufhört, wird die Hälfte der Kinder Amputationen haben werden und alle werden verletzt sein. Ich hoffe, dass niemand mehr solche Verletzungen erleidet wie ich."
Maha und ihre 16-jährige Schwester Maya gehen wieder zur Schule. Mittlerweile kann Maha sogar mit ihrer linken Hand schreiben.

Was Maha und Maya im Krieg am eigenen Körper erfahren haben, erleben viele Kinder im Land. Deshalb setzt Save the Children auf vielseitige und nachhaltige Maßnahmen.
Unsere Maßnahmen im Jemen
Wir leisten psychosoziale Unterstützung für Kinder und ihre Familien. Darüber hinaus arbeiten wir im Jemen unter anderem mit dem Ministerium für Soziales und Arbeit zusammen. Wir bilden Sozialarbeiter in den Bereichen Kinderrechte, Fallmanagement und psychosoziale Unterstützung aus, um ein gut funktionierendes Kinderschutzsystem auf den Weg zu bringen. Die Sozialarbeiter unterstützen Kinder in Schulen, Gemeindezentren und Krankenhäuser. Wir richten Jugendclubs und Kinderschutzausschüsse ein, damit Kinder wie Maha und Maya lernen, ihre Rechte zu formulieren und sich gegenseitig zu unterstützen. An den Schulen bieten wir für die Lehrkräfte Schulungen in Psychologischer Erster Hilfe an, organisieren sichere Räume für Schulkinder und installieren Rampen, damit Kinder auch mit Gehbehinderungen einen leichten Zugang zur Schule haben. Zudem unterstützen wir viele Familien finanziell, damit sie sich die Medikamente für ihre Kinder leisten können. Wie wichtig all das ist, weiß Jihad:
„Ich wurde an eine der wichtigsten Lektionen erinnert, die ich bei meiner Arbeit mit Save the Children gelernt habe. Kinder haben große Träume und ihre Fantasie kennt keine Grenzen. Sie lehren uns, unsere Leidenschaften mit Hingabe zu verfolgen, ungeachtet der Hindernisse, denen wir begegnen.“
Maha und Maya haben gelernt, mit ihren Verletzungen umzugehen, es hat sie zusammengeschweißt. Jeden Tag gehen sie gemeinsam zur Schule. Heute sagt Maha, dass sie glücklich ist über die gemeinsame Zeit mit ihrer älteren Schwester. Nach der Schule erledigen sie ihre Hausaufgaben und danach spielen und basteln sie gemeinsam. Maha geht gerne zur Schule. Sie will weiter lernen, damit sie später Medizin studieren kann. Das ist ihr Traum.

Das Porträt:
Generation Hope
Der Länderdirektor Sudarshan Suchi über
die Zukunft der Kinder in Indien

„Whatever it takes“ – Was auch immer nötig ist, um Kinder in ihren Rechten zu stärken, wird getan. Das ist die Haltung unseres Geschäftsführers Sudarshan Suchi. Seit mehr als drei Jahren leitet der 57-Jährige das indische Büro von Save the Children. Mitten in der Corona-Pandemie trat er seinen Posten an. Ein harter Einstieg und eine immense Herausforderung. Bei seinem Besuch in Berlin, im Februar dieses Jahres, hat Sudarshan uns einen Einblick in die Zeit gegeben, als Indien von der zweiten Pandemie-Welle schwer getroffen wurde.
Die Auswirkungen der Pandemie
Es fehlte einfach an allem: Hygiene-Artikel, Impfstoffe, Krankenhausbetten und Beatmungsgeräte. Kinder durften nicht mehr zur Schule gehen. Viele Familien verloren ihre Arbeit und kamen in große finanzielle Not. Manche Eltern waren so verzweifelt, erzählt Sudarshan, dass sie keinen anderen Ausweg sahen, als ihre minderjährigen Töchter zu verheiraten. So war es auch bei der 15-jährigen Amina* in Westbengalen. Der Vater verlor seine Arbeit im Lockdown und als die Not der Familie größer wurde, entschied der Vater, Amina zu verheiraten. Doch ihre Mutter Kulsunara* protestierte heftig. Sie selbst wurde als Kind mit Aminas Vater verheiratet und wollte ihrer Tochter dieses Los ersparen. Sie engagiert sich im Kinderschutzkomitee des Dorfes und wandte sich von dort aus an eine Sozialarbeiterin von Save the Children. Gemeinsam mit dem Dorfvorsteher überzeugten sie ihren Ehemann davon, Amina nicht zu verheiraten.
Viele Kinder erlebten Schreckliches, so Sudarshan. Sie hungerten, erkrankten und erlebten den Tod in ihren Familien hautnah. Die Menschen starben vor den Gesundheitseinrichtungen, weil Sauerstoffgeräte fehlten.
Es sind diese Pandemiejahre, die nicht spurlos an Sudarshan Suchi und seinem Team vorbeigegangen sind. Er betont, wie unglaublich groß die Solidarität mit der indischen Bevölkerung war. Die Spendengelder, auch aus Deutschland, halfen sehr. Save the Children kaufte z. B. Sauerstoffkonzentratoren, die Sauerstoff aus der Umgebungsluft anreichern und richtete Sauerstoffanlagen in Krankenhäusern ein. "Indien atmen lassen", diese humanitäre Aktion wurde ein großer Erfolg: An 16 Orten wurden 750 Geräte für staatliche Krankenhäuser bereitgestellt. Allein 23 wurden an das Distriktkrankenhaus in der Provinz Jharkhand übergeben, einer Region, die Kinder bislang nur begrenzt medizinisch versorgen konnte. Allein die Verbesserung der Infrastruktur hatte eine große Wirkung, erzählt Sudarshan. Als er vor Kurzem die Provinz besuchte, benötigte er nur 40 Minuten statt der üblichen vier Stunden. Die Straße zum Krankenhaus war ausgebaut worden, da das Krankenhaus nun stärker von Eltern mit ihren kranken Kindern frequentiert wird.

Die Auswirkungen dieser Pandemiewelle hat Sudarshan Suchi mit seinem Team gemeistert. Doch es gibt genügend zu tun, sagt er. Der studierte Philosoph, Anwalt und Hobby-Farmer hat einen Traum und den möchte er in den Programmen von Save the Children umsetzen.
Sudarshans Traum
„Ich verfolge einen Traum bzw. versuche, ihn zu leben. Den Traum einer Organisation, die sich für die ganzheitliche Entwicklung von Kindern einsetzt, um einen Wandel herbeizuführen. Einen Wandel, der sie dabei unterstützt, selbstverantwortliche und aktive Bürger zu werden, die demokratische Werte leben und praktizieren und nicht Gefangene ihrer Umstände sind.“
Keine einfache Aufgabe im bevölkerungsreichsten Land der Welt, mit seinen zahlreichen Sprachen, Kulturen, Religionen und sozialen Barrieren, die die Gesellschaft beeinflussen. Mehr als 1,4 Milliarden Menschen leben in Indien. Save the Children arbeitet in 19 Bundesstaaten und hat in den vergangenen zwei Jahren fast eineinhalb Millionen Kinder in den Bereichen Bildung, Kinderschutz, Gesundheit und Ernährung erreicht.
Sudarshan Suchi ist davon überzeugt, dass trotz der Größe Indiens, die Welt im übertragenen Sinne kleiner werden sollte. Dass die Menschen sich stärker füreinander interessieren, mehr solidarisch verbunden sein sollten. Nicht nur in Krisensituationen wie bisher. Ein hehres Ziel bei den tagtäglichen Herausforderungen, mit denen er und das Team sich konfrontiert sehen. An einem Tag meldet ein Bundesstaat Land unter, berichtet Sudarshan, weil starke Regenfälle Orte unter Wasser gesetzt haben, Häuser, Schulen von den Fluten zerstört wurden. Währenddessen ruft ein anderer Bundesstaat nach Unterstützung, weil landwirtschaftliche Flächen vertrocknen und es in den Regionen zu Versorgungsengpässen kommt. Und dann ist da noch das Stadt-Land-Gefälle und die großen Entfernungen. Manche Projekte sind mehrere hundert bis zu tausend Kilometer entfernt. Allein von Jharkand nach Kolkata beträgt die Entfernung 1.134 km. Und natürlich sind die Voraussetzungen für Kinder in Kolkata andere als für Kinder auf dem Land. Manchmal reichen nur wenige Mittel aus, erzählt Sudarshan, um eine verdreckte, öde Fläche im Slum von Kolkata zu einem Spielplatz und Treffpunkt für Kinder und Jugendliche umzuwandeln: Man braucht Ideen, Farben, Rasen, Schaukeln, Wippen und Tische.

Wenn man im Gespräch mit Sudarshan ist, begibt man sich auf eine Reise, und lernt schnell seine Philosophie kennen. Er selbst ist durch Indien gereist, um seine Heimat besser zu verstehen. Sudarshan nennt es „reality check“. Es gilt immer zu erfahren, was das Beste für Kinder ist, um daraus Programme zu entwickeln. Und das wissen die Teams vor Ort. Ihre Expertise ist wichtig. Zum Beispiel in Patna. Dort leben Krishna, 17, und Sanya, 14 Jahre alt. Sie setzen das um, was Sudarshan seinen Traum genannt hat. Jugendliche, die sich für das Gemeinwohl engagieren. Sie gehen von Tür zu Tür und zeigen die Folgen des Klimawandels auf. Krishna zieht etwa mit seinem Puppentheater durch die Straßen von Patna, um zu veranschaulichen, welche Folgen Extremwetter für die Bevölkerung hat.

Sanya macht die Arbeit so viel Spaß, dass sie als Erwachsene gerne Bezirksrätin werden möchte, um sich weiterhin für die Belange aller einzusetzen.
Die Weichen neu stellen
Engagierte Jugendliche wie Krishna und Sanja sind die „Generation Hoffnung“, sagt Sudarshan, denn sie haben die Kraft und Energie, die Weichen im Land neu zu stellen.
Einer der wichtigsten Komponente im Bereich der Kinderrechte ist es, die Stimme und die Handlungsfähigkeit der Kinder zu stärken. Mit diesem Ziel vor Augen, plant Save the Children die Gründung von Kinderräten, den sogenannten Bal Parishads. Ein zukünftiges Forum, in dem Kinder lernen, demokratische Werte umzusetzen. Wie z. B. ihre Meinung frei zu äußern, sich auszutauschen und für ihre Rechte einzutreten. Save the Children unterstützt die Kinderräte ideell und materiell, unter anderem auch mit der digitalen Plattform „Baltoli“, damit die Hürden für die Kommunikation zwischen den Kindern und den beteiligten Akteuren einfacher überwunden werden. Die Vernetzung der Kinder ist wichtig, unabhängig davon, ob sie selbst auf dem Dorf oder in der Stadt leben.

Was mich bewegt | Gedanken von
Florian Westphal
Kinderarmut in Europa

Als 2015 die internationale Staatengemeinschaft bei den Vereinten Nationen in New York 17 Ziele für die nachhaltige Entwicklung formulierte, war das erste Ziel die Armut zu besiegen. Diesen Kampf wollte die UN bis 2030 gewinnen. Doch acht Jahre später, in der Halbzeit, wissen wir, dass dieses nicht gelingen wird. Denn Millionen Kinder leiden noch an den Folgen der globalen Pandemie, immer mehr Kinder leben in Konfliktregionen, die globale Klimakrise, und eine steigende Inflation haben verhängnisvolle, globale Auswirkungen für das Leben von Kindern. Die Zahl derer, die von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind, steigt – auch bei uns. Und das, obwohl viele Länder Europas und insbesondere Deutschland so wohlhabende Wirtschaftsnationen sind. Selbst für viele Familien des Mittelstands ist der Museums- oder Kinobesuch angesichts steigender Preise keine Selbstverständlichkeit mehr. Doch mich treibt vielmehr um, dass jedes fünfte Kind in Deutschland und jedes vierte Kind in Europa als arm gilt. So hat ein Kind aus Finnland über sein Zuhause gesagt:
„Manchmal merke ich, dass Mama manche Dinge nicht kauft. Ich höre, wie sie sagt, dass sie Briefe wegen nicht bezahlter Rechnungen bekommen hat – und dass wir weniger Wasser verbrauchen müssen. Deshalb versuche ich seltener zu duschen und traue mich nicht mehr, zu Hause Wasser zu trinken.“
Dieses Kind wird in unserem aktuellen Bericht „Kindern eine Zukunft garantieren" zitiert, der zeigt, wie herausfordernd der Alltag für Kinder aus armen Familien in Europa ist.
Ja, es stimmt, die Armut in vielen Krisenländern im Globalen Süden ist viel schlimmer. Doch wenn die Zahl der Kinder, die in Armut leben, in einem so wohlhabenden Land wie Deutschland steigt, sogar auf Rekordhöhe, dann können – und wollen - wir als Kinderrechtsorganisation nicht wegschauen.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat die Auswirkungen des zweiten Pandemiejahres (2022) für Deutschland untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass die Armut unter Kindern und Jugendlichen auf 20,6 Prozent gestiegen ist. Fast 14 Millionen Menschen haben ein Einkommen, das nicht für eine gesellschaftliche Teilhabe ausreicht. Das sind 600.000 Menschen mehr als vor der Pandemie – so viele, wie in Leipzig oder Dortmund leben.
Armut im Alltag
Was bedeutet das für arme Kinder im täglichen Leben? Schon während der Schulschließungen in der Pandemie hatten sie Nachteile, da sie keine eigenen Computer hatten, geschweige denn ruhige Rückzugsorte zum Lernen. Heute bedeutet arm zu sein für Kinder nicht nur materielle Not, sondern oft auch zunehmende Isolation. Sie treten keinem Verein bei, da dafür das Geld fehlt. Sie kommen nicht zum Kindergeburtstag, weil sie kein Geschenk mitbringen können. Und wenn das neue Schuljahr beginnt, ist oft kein Geld da für das, was Kinder brauchen: Stifte, Bücher und vielleicht sogar einen neuen Rucksack. Armut lähmt und beschämt. Sie hinterlässt Spuren und wirkt sich auf das ganze Leben und oftmals bis in die nächste Generation hinein aus.
Übrigens, Kinder wissen ganz genau, was es bedeutet, wenn andere Kinder arm sind, wie unser kurzer Film zeigt.
Zwar gibt es Zuschüsse vom Staat, damit Kinder leichter einem Sportverein beitreten oder die Musikschule besuchen können, doch viele Familien schrecken vor den Formalitäten zurück.
Wäre es aber nicht die Aufgabe eines reichen Industriestaates wie Deutschland Kindern aus strukturell benachteiligten Familien Unterstützung anzubieten, damit sie faire und gerechte Bildungschancen bekommen? Wir finden ja. Deshalb muss die Kindergrundsicherung ambitioniert umgesetzt und alle bürokratischen Hürden überwunden werden. Außerdem sollte sie für alle in Deutschland lebende Kinder gleichermaßen gelten, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, ihrer Staatsangehörigkeit und der Familienform, in der sie leben.
Unsere Bildungsprojekte
Auch wir leisten dazu einen Beitrag mit unseren Bildungsprojekten in ganz Deutschland: Leseoasen für Kinder in Ganztagsgrundschulen oder den Maker Labs: hier üben Kinder und Jugendliche nicht nur den Umgang mit digitalen Tools, sondern auch, wie es ist, Ideen auszuprobieren, eigene Projekte zu gestalten, aus Fehlern zu lernen, sie mit der Gruppe zu teilen, ebenso wie die Erfolge. Das stärkt das Vertrauen in die eigene Persönlichkeit und gibt Mut und Zuversicht für das eigene Handeln.
Als Kinderrechtsorganisation treten wir auch aktiv dafür ein, dass Chancengleichheit und Bildungsteilhabe für Kinder in den Mitgliedsstaaten der EU stärker als bisher umgesetzt werden. Wir fordern beispielsweise, dass die Sozialleistungen für Familien mit Kindern – einschließlich geflüchteter Familien – erhöht und ausgeweitet werden.
Wenn Sie sich mit diesem Thema ausführlicher beschäftigen möchten, dann lesen Sie gern unseren aktuellen Bericht „Kindern eine Zukunft garantieren. Was europäische Regierungen jetzt tun müssen.“ Wir finden, dass, Kinderarmut in jeder Form und überall beendet werden muss. So wie es im 1. Artikel der-UN Nachhaltigkeitsziele formuliert wurde.
Ihr
Florian Westphal
Geschäftsführer von Save the Children Deutschland