Quarterly - Gemeinsam mehr bewegen!
Unser Schwerpunkt
MakerLabs
Tüfteln, forschen, machen!

MakerLabs II baut auf den Erfolgen der Projekte MakerSpace und MakerLabs I auf. Die digitale Bildung und Teilhabe von Kindern soll durch Trainings für pädagogische Fachkräfte und Peers sowie durch Beratung, Material- und Geräteausstattung und die Vernetzung von Bildungsakteuren gefördert werden. Erfahren sie mehr zu dem Projekt, der Idee und der Umsetzung:
Das Porträt
„Je dramatischer die Lage, desto wichtiger wird unser Engagement“

Oliver Herrgesell hat gerade eine fünfstündige Mitgliederversammlung bei Save the Children hinter sich, kam am Vorabend von einem internationalen Treffen unserer Organisation aus Rom zurück und nimmt sich jetzt noch die Zeit für dieses Interview. Dabei ist sein Kalender wirklich voll. Doch Save the Children ist ihm einfach wichtig, und er kennt die Organisation aus dem Effeff.
2009 kam Oliver Herrgesell zur Kinderrechtsorganisation, fünf Jahre nach der Gründung des deutschen Büros in Berlin. Das Team war klein und vieles lief über Zuruf, erinnert er sich. Es war wie in einem Start-up und Herrgesell war mit seiner Professionalität, seiner Unternehmenserfahrung und Medienkompetenz gefragt.
Der Journalist
Der frühere Journalist hat für große Medienunternehmen gearbeitet, zum Beispiel für Bertelsmann, HBO oder Warner, und er hat Lifestyle-Magazine wie die „Wienerin“ und „Tempo“ mitgegründet. Die 1980er Jahren bedeuteten für ihn Aufbruch: von Österreich nach Deutschland, von Wien nach Hamburg. Hier wollte das Team um Herrgesell die etablierten Zeitschriften und Magazine mit dem frechen, subjektiven Stil von Tempo provozieren. Und das gelang richtig gut.

Später war Oliver Herrgesell sogar als Kommunikationschef für die FIFA im Gespräch. Eigentlich nichts für ihn, den passionierten früheren Basketballspieler. Doch die „größte Unterhaltungsindustrie der Welt“ in ihrer Schaltzentrale zu erleben hatte einen gewissen Reiz. Und während wir als zwei Fußballlaien etwas fachsimpeln, lässt er durchblicken, dass er sich über eine EM-Konstellation besonders freuen würde: Wenn Deutschland und Österreich, die Mannschaften seiner „beiden Heimaten“ gegeneinander spielten, so wie einst 1978 im argentinischen Córdoba. Das war an seinem 16. Geburtstag, und Österreich schickte Deutschland bei der WM nach Hause. Bei der diesjährigen EM sind Deutschland und Österreich vorzeitig ausgeschieden.
Die Genfer Erklärung der Kinderrechte
Nach diesem kleinen, thematischen Ausflug kehren wir wieder auf unser Spielfeld zurück. Denn 2024 gibt es ein besonderes Jubiläum: 100 Jahre Genfer Erklärung der Kinderrechte. Aus der Perspektive von Oliver Herrgesell bietet allein dieser Fakt schon ein großartiges Storytelling: Eine visionäre Aktivistin und Gründerin von Save the Children, die Britin Eglantyne Jebb, die sich 1919 für hungernde Kinder in Deutschland und Österreich einsetzt und fünf Jahre später die ersten Rechte der Kinder formuliert und dafür sorgt, dass die Mitgliedsstaaten des Genfer Völkerbunds diese Erklärung 1924 verabschieden.

Diese kämpferische Frau war eine frühe Lobbyistin für die Kinderrechte im besten Sinne, so Herrgesell. Manche ihrer Aussagen stimmen bis heute zu 100 Prozent, etwa: „Jeder Krieg ist ein Krieg gegen Kinder“. Das ist ein großes Erbe und sollte in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Dabei unterstützt uns Oliver Herrgesell auch und ist vielleicht hier und da ein Türöffner.
In humanitären Krisen Kinderrechte wahren
Ein weiterer Aspekt, der ihm sehr wichtig ist, sind die Einblicke, die er auf seinen Reisen zu Projekten von Save the Children wahrgenommen hat, zum Beispiel nach Haiti, kurz nach dem Erdbeben im Januar 2010, bei dem mehr als 300.000 Menschen starben. Hier zeigt sich die ungeheure Kompetenz von Save the Children in humanitären Krisen, sagt Oliver Herrgesell: „Als in Haiti die Erde bebte, war Save the Children mit 160 Mitarbeitenden im Land aktiv. Sie haben die Katastrophe hautnah miterlebt und wussten sofort, was zu tun ist. Wir waren schon da und konnten anderen Organisationen, die ihre Teams erst einfliegen mussten, wertvolle Tipps geben.“

Und so ist die Organisation weltweit gut aufgestellt mit ihren 65 Länder- und Regionalbüros.
„Vertrauen ist ein wertvolles Gut”
Oliver Herrgesell hat sich von Berufswegen immer wieder mit Fragen der Reputation auseinandergesetzt, das gilt auch für seinen Blick auf Save the Children. Was ihm am Herzen liegt: „Es ist wichtig, Stellung zu beziehen, aber wir müssen mit politischen Äußerungen auch behutsam sein. Jede Polarisierung führt zu einem Vertrauensverlust in der Gesellschaft, und Vertrauen ist unser wertvollstes Gut.“ Auch deshalb ist es wichtig, dass wir als Save the Children immer an der Seite der Kinder stehen. „Wir sehen in der Welt eine bedenkliche Entwicklung, dass die Demokratien weniger werden. Damit verlieren auch die Menschenrechte an Gewicht, die zu stärken in unserem ureigensten Interesse liegt. Aber natürlich müssen wir im Interesse der Kinder auch mit Regimen wie den Taliban in Afghanistan umgehen.“

Herrgesell findet es richtig, wie wir uns in Afghanistan für Kinder und ihre Familien einsetzen, sie unterstützen und medizinisch betreuen. Dabei ist es wichtig, gut im Blick zu behalten, an welchen Stellen wir keine Kompromisse machen können. So ist es sehr wichtig, dass weiterhin Frauen in unseren Teams arbeiten. Klar ist: Die Zukunft der Kinder ist für jede Gesellschaft wichtig. „Je dramatischer die Lage, desto wichtiger wird unser Engagement”, sagt Herrgesell.
Kinderrechte sind universell. Das Recht auf Gesundheit, Schutz, Bildung und auf ein selbstbestimmtes Leben. Von dieser Agenda ist Oliver Herrgesell überzeugt, nicht nur als Aufsichtsrat.
Was mich bewegt | Gedanken von Florian Westphal
„Dem Kind soll in Zeiten der Not zuerst Hilfe zuteilwerden”
(Art. 3, der Genfer Erklärung)

Der 26. September dieses Jahres ist ein besonderer Tag für Kinder überall auf der Welt, denn vor genau 100 Jahren beschloss der Völkerbund in Genf die sogenannte Genfer Erklärung zu Kinderrechten. Eine treibende Kraft hinter dieser Erklärung war die britische Aktivistin und Lehrerin Eglantyne Jebb, die 1919 Save the Children gegründet hatte, ursprünglich, um Kindern in der massiven Krise nach Ende des 1. Weltkriegs in Deutschland und Österreich zu helfen. Ihr wurde schnell klar, dass Nothilfe allein nicht ausreichen würde, um die Lebenssituation von Kindern nachhaltig zu verbessern. Deswegen zog sie bewusst nach Genf, in die Stadt des Völkerbunds, um sich dort für die Rechte von Kindern einzusetzen. Das Ergebnis ihrer Bemühungen war die vom Völkerbund 1924 verabschiedete Genfer Erklärung, die zum ersten Mal bestätigte, dass elementare Kinderrechte auf Ernährung, Gesundheit, Bildung und Schutz vor Gewalt ein globales Anliegen sind, das nicht den Einzelstaaten allein überlassen werden darf.
Die Genfer Erklärung von 1924

Diese Erklärung ist ganz kurz, nur fünf Absätze lang, aber sie bildet die Grundlage für weitere internationale Abkommen, unter anderem für den wichtigsten Vertrag zu Kinderrechten, die Kinderrechtskonvention, die 1989 von den Vereinten Nationen beschlossen wurde und der alle UN-Mitgliedstaaten der Welt – bis auf die USA – beigetreten sind.
Das Recht auf Gesundheit
Zum Recht auf Gesundheit enthält die Genfer Erklärung nur den kleinen Halbsatz: „jedes Kind, das krank ist, soll gepflegt werden.“ Wie viel sich dahinter verbirgt, wurde mir vor Kurzem noch einmal klar, als ich an einer Veranstaltung mit der neuen Chefin von GAVI, des globales Impfbündnisses teilnehmen konnte. Dr. Sania Nishtar aus Pakistan ist eine beeindruckende Frau, die sich seit Jahrzehnten für eine bessere Gesundheitsversorgung einsetzt. Sie kam nach Berlin, um für weitere finanzielle Unterstützung der Impfallianz zu werben. Impfungen sind nicht nur wichtig für Kinderrechte, sondern machen auch wirtschaftlich Sinn. GAVI schätzt, dass seit 2000 die Immunisierung von über einer Milliarde Kindern insgesamt mehr als 17,3 Millionen zukünftige Todesfälle verhindert und die Kindersterblichkeit in 73 Ländern mit niedrigerem Einkommen halbiert hat. Eine Studie, die 73 von Gavi unterstützte Länder miteinbezieht, zeigt, dass für jeden in Immunisierung investierten US-Dollar 21 US-Dollar an Gesundheitskosten, verlorenen Löhnen und Produktivitätsverlusten durch Krankheit und Tod eingespart werden.
Insbesondere in Konflikten und Krisen leben die meisten Kinder unter einem Jahr, die noch keine einzige Dosis des überlebenswichtigen Impfstoffs gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten erhalten haben. Ihre Zahl belief sich 2022 auf 10,2 Millionen.
Im Sudan sind Impfungen rückläufig
Zu sehen ist das auch im Sudan, wo seit dem Beginn des Bürgerkriegs im April 2023 die Zahl der geimpften Kinder drastisch zurückgegangen ist. Hier bemühen sich Save the Children und GAVI gemeinsam mit den lokalen Behörden, auch Kinder in schlecht angebundenen Dörfern mit den lebenswichtigen Impfstoffen zu erreichen. Eine besondere Herausforderung ist, dass Impfstoffe kühl aufbewahrt werden müssen in einer Gegend, wo es zumeist keine Stromversorgung gibt. Das Impfpersonal sammelt die Impfstoffe im letzten Gesundheitszentrum ein, in dem es Strom aus Generatoren gibt, und transportiert sie dann in Kühlboxen mit Motorrädern oder auch Kamelen in Gegenden, wo es keine Straßen mehr gibt. So können Kinder im Sudan auch inmitten des Krieges geimpft werdenn. Danke der Zusammenarbeit mit Gavi konnte Save the Children allein in zwei Staaten des Sudans die Impfung von etwa 120,000 Kindern ermöglichen.

Trotz dieser Erfolge bleibt der Weg noch weit, um sicherzustellen, dass Kinder überall ihr Grundrecht auf eine Gesundheitsversorgung wahrnehmen können. Deswegen setzen wir uns in Berlin dafür ein, dass die Stärkung der Gesundheitsdienste, insbesondere für Babys sowie schwangere und stillende Frauen eine Priorität, der von der Bundesregierung finanzierten, humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit (EZ) bleibt.
Kürzungen der Gelder für Nothilfe
Allerdings hat die Ampel-Regierung, die verfügbaren Bundesmittel für Nothilfe und EZ bereits dieses Jahr drastisch gekürzt und weitere Einschnitte sind für nächstes Jahr geplant. Das hat auch direkte Auswirkungen auf unsere Arbeit. Leider wird Save the Children Deutschland deswegen möglicherweise weniger Kindern in akuten Notsituationen wie dem Sudan helfen können, zu überleben und ihr Recht auf ein gesundes Aufwachsen zu erreichen. Um das zu verhindern, engagieren wir uns gemeinsam mit anderen Organisationen gegen die geplanten/befürchteten Kürzungen in der öffentlichen Hilfe. Und wir hoffen, dass unsere privaten Spender*innen uns weiterhin so großzügig unterstützen wie bisher – denn der Einsatz von Save the Children für die Kinderrechte ist wichtiger, denn je in einer Welt, in der die Millionen Kinder mit den Folgen von Konflikten, der Klimakrise und andauernder Armut konfrontiert sind.
* Namen zum Schutz der Personen geändert.