Sichtbar!

Urban Art als Medium der Begegnung und Teilhabe

„Im Kontext Urban Art sind erstmal alle gleich. Das bedeutet eben auch, man unterscheidet nicht zwischen Mädels und Jungs, sondern in dem Kontext sind wir einfach alle Künstler.“ sagt Armin. Der Graffiti-Künstler hat gerade einen zweitägigen Workshop mit jugendlichen Mädchen in einer Erstaufnahmeeinrichtung durchgeführt. Die Wände durfte man dort leider nicht besprühen, aber die Jugendlichen konnten ihre Bilder auf großen Leinwänden verwirklichen. Auf Wunsch der Mädchen wurden diese im Anschluss für ihre Eltern und die Mitarbeiter*innen der Unterkunft ausgestellt. Am ersten Tag übten die Mädchen verschiedene Techniken und fertigten kleine Entwürfe und Skizzen an.  Am zweiten Tag ging es dann an die Sprühdosen. Die Mädchen konnten ihre Ideen, Gedanken und Lebenswelten visualisieren. Durch die Sichtbarkeit ihrer Kunstwerke im öffentlichen Raum der Unterkunft konnten die Mädchen ihre individuellen Perspektiven präsentieren und fühlten sich wahrgenommen.

Urban Art bezeichnet im Allgemeinen Graffiti und Kunstwerke, die man an öffentlichen Orten, wie beispielsweise Gebäudefronten findet. Anders als die Kunst in Museen und Ausstellungen sind die Bilder aufgrund ihrer Präsenz und oftmals auch ihrer beeindruckenden Formate für jede*n sichtbar und zugänglich. Künstler*innen haben so die Möglichkeit mit einem breiten und vielfältigen Publikum zu kommunizieren – ganz ohne dass ihr Geschlecht, Ethnie oder sonstige Zugehörigkeiten dabei eine Rolle spielen.

Urban Art Projekte als psychosoziale Unterstützung

In der Bedarfs- und Ressourcenanalyse von Mädchen.Machen.Mut. wurde von den Teilnehmerinnen ein Wunsch nach kreativen Aktivitäten geäußert. Mädchen mit Fluchthintergrund sind eine oftmals übersehene und gesellschaftlich benachteiligte Gruppe. Urban Art Projekte bieten ihnen eine Plattform, auf der sie sich zeigen können und im Kontext häufiger Ortswechsel etwas Bleibendes und Persönliches hinterlassen. Zudem fördern solche Projekte individuelle Talente und Fähigkeiten sowie schöpferisches und selbsttätiges Erleben. Die Anregung kreativer Ressourcen sowie die Entwicklung neuer Handlungsspielräume und Lösungsansätze wirken sich dabei positiv auf die psychosoziale Stabilität und kognitive Entwicklung der Heranwachsenden aus. 

Mithilfe einer visuellen Kommunikationsweise sollen nicht zuletzt auch Sprachbarrieren überwunden werden. Die Arbeit in der Gruppe fördert dabei soziale Interaktionen und einen Austausch mit Gleichaltrigen aus verschiedenen Kulturen und regt zum Perspektivwechsel an. Die Mädchen erhalten die Möglichkeit sich in einem geschützten Rahmen mit ihrem Selbstbild und ihrer weiblichen und kulturellen Identität sowie individuellen Erfahrungen auseinanderzusetzen. 

Mögliche Umsetzung des Urban Art-Projekts

Das Urban Art Projekt wurde in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Graffitikünstler durchgeführt. An zwei Nachmittagen haben die teilnehmenden Mädchen verschiedene Graffiti- und Maltechniken erlernt und erstellten eigene Entwürfe für großformatige Kunstwerke. Die inhaltlichen Schwerpunkte ihrer Kunstwerke konnten die Mädchen selbst wählen. Sie wurden dabei von pädagogischem und psychologischem Fachpersonal begleitet und erhielten vom anleitenden Künstler individuelle Unterstützung bei der Arbeit. Unter professioneller Anleitung konnten sich die Mädchen ausprobieren, neue Fähigkeiten entwickeln und ihre persönlichen Gedanken und Emotionen auf großen Leinwänden ausdrücken. Auf den Wunsch der Teilnehmerinnen wurden die entstandenen Bilder später zu verschiedenen Anlässen innerhalb der Einrichtung ausgestellt.

Mögliche Anzahl der Teilnehmerinnen: flexibel, hier 5-10
Geeignete Altersgruppe: 10-20 Jahre
Benötigte Materialien: Bleistifte, Farbstifte, Radiergummi, Papier für Skizzen, Pinsel und Acrylfarben, verschiedene Sprühdosen, Leinwände oder bemalbare Wände, Schutzanzüge und Schutzmasken, ggf. Schablonen und Ansichtsmaterialien
Zeitrahmen: flexibel nach Bedarf, hier zwei Nachmittage (je 4 Stunden)
Empfohlene Kooperationen: pädagogisches, soziales oder psychologisches Fachpersonal sowie Graffitikünstler*innen oder Kunsttherapeut*innen und Kunstpädagog*innen mit entsprechendem Fachwissen

Das Urban Art-Projekt mit Literaturliste als PDF zum Ausdrucken

Impressionen vor Ort