von Celine Brinkmann
Warum trägt meine Klassenkameradin immer die gleiche Hose in der Schule? Wieso fragt die Frau auf der Straße nach Geld? Warum wohnen manche Kinder in einem großen Haus und andere in einer kleinen Wohnung?
Kinder bemerken früher oder später Ungleichheiten wie diese in ihrem Umfeld und haben Fragen dazu. Im Gespräch darüber können Sie Kindern dabei helfen, das Thema besser zu verstehen. Unsere 5 Tipps sollen Sie dabei unterstützen, kindgerecht über Armut zu sprechen. Sie beziehen sich auf mögliche Fragen von Kindern, die selbst nicht von Armut betroffen sind.

1. Seien Sie informiert
Kinderarmut in Deutschland
Knapp drei Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren leben in Deutschland in Armut. Das bedeutet, dass etwa jedes 5. Kind in einem Haushalt lebt, der sich den durchschnittlichen Lebensstandard nicht leisten kann und oft auf Sozialleistungen zur Existenzsicherung angewiesen ist.
Sie sind selbst nicht von Armut betroffen? Gerade dann sollten Sie sich damit beschäftigen! Wer ist eigentlich arm, wer reich? Woher kommen die Unterschiede und was ist damit verbunden, weniger Geld zu haben? Vielleicht hat das Kind, mit dem Sie sprechen, eine ganz andere Vorstellung davon, was Armut bedeutet als Sie. Damit es keine Vorurteile gegenüber Menschen entwickelt, die unterhalb der Armutsgrenze leben, gilt es, sich vorab selbst gut zu informieren. Bedenken Sie unbedingt, dass Armut viele Gründe haben kann und in unserer Gesellschaft zu schlechteren Chancen führt – ein Problem, das die Gesellschaft lösen sollte! Die Betroffenen haben sich ihre Situation nicht ausgesucht, und oft stehen sie vielen Hindernissen gegenüber, die sie nicht allein aus dem Weg räumen können. Bei allem, was Sie dem Kind über Armut erzählen, sollten Sie diese Tatsache immer im Hinterkopf behalten. Und das führt uns zu Punkt 2.
2. Bedienen Sie keine Klischees
Aussagen wie: „Die Kinder in Afrika wären froh, wenn sie dieses Essen hätten“ hören Kinder – zum Glück – heutzutage wohl immer seltener. Denn diese Behauptung schafft vielleicht Schuldgefühle bei einem Kind – ganz abgesehen davon, dass Afrika ein großer Kontinent mit 1,2 Milliarden Menschen ist, die natürlich nicht alle in Armut leben. Doch auch andere, vermeintlich harmlosere Sätze sollten Sie hinterfragen. „Ich arbeite hart, damit wir in einem schönen Haus leben können“: Eine solche Aussage kann bei einem Kind zu der Annahme führen, dass Menschen, die in Armut leben, faul sein müssen. Unterstützen Sie keine Narrative, die Armut als individuelles Versagen bewerten. Um auch selbst nicht auf Halbwissen oder Vorurteile zurückzugreifen, wenn sie eine Frage nicht beantworten können, ist es besser, sich Bedenkzeit einzuräumen. Indem Sie sagen: „Das muss ich mir erst genauer ansehen, lass uns gerne morgen weiter darüber sprechen“, zeigen Sie dem Kind, dass das Thema komplex ist und es gut ist, sich erst zu informieren.
3. Die richtige Ansprache
Beobachtet ein Kind Ungleichheiten, wird es vermutlich Fragen dazu stellen. Armut ist ein sensibles Thema und kann Kindern durchaus Angst machen, daher ist es wichtig, altersgerechte Antworten zu geben. Denn einerseits sollte klar werden, dass Armut grundsätzlich jeden Menschen treffen kann, gleichzeitig sollten damit keine Existenzängste ausgelöst werden (mehr dazu unter Punkt 5). Sie können zum Beispiel auch erzählen, dass es in Deutschland verschiedene Hilfen gibt, wenn man in Not ist – selbst wenn die Unterstützung noch besser sein könnte. Bedenken Sie auch den richtigen Zeitpunkt für das Gespräch. Vor dem Schlafengehen sollten Sie schwierige Themen ohnehin nicht mehr ansprechen, besser bei einer gemeinsamen Aktivität, einem Spaziergang oder Ähnlichem.
4. Taten sprechen lassen
Nicht nur Ihre Worte haben Einfluss darauf, wie ein Kind über Menschen denkt, die mit wenig Geld auskommen müssen. Mit den Dingen, die Sie (nicht) tun, senden Sie ebenso wichtige Botschaften. Jemand fragt Sie auf der Straße nach Geld, aber Sie geben keines? Dann erklären Sie dem Kind, warum nicht, und seien Sie respektvoll gegenüber der Person, die gefragt hat. Armut und Menschen, die von ihr betroffen sind, zu ignorieren, hat eine hohe Aussagekraft. Das Kind kommt womöglich zu der Annahme, dass Armut etwas ist, wofür sich Betroffene schämen müssen und das man besser nicht thematisiert. Die Existenz von Armut in Deutschland anzuerkennen, ist jedoch der erste wichtige Schritt, um etwas gegen sie auszurichten. Also seien Sie ein positives Vorbild: Beteiligen Sie das Kind daran, Spielsachen oder Kleidung zu spenden, erzählen Sie davon oder nehmen Sie es mit, falls Sie sich auch darüber hinaus engagieren.

5. Hoffnung machen
Erklären Sie dem Kind, dass Armut richtig blöd ist, weil man dann vieles nicht machen kann, das zu viel Geld kostet, oder auch, weil man nicht so leicht eine gute Wohnung findet oder oft Geldsorgen hat – und dass es auch Armut gibt, die so extrem ist, dass die Menschen nicht wissen, wo sie etwas zu essen herbekommen können. Achten Sie dabei aber darauf, dem Kind keine Angst zu machen. Dafür können Sie ihm von eigenen Sicherheitsvorkehrungen sowie staatlichen Unterstützungsmöglichkeiten berichten. Wenn Sie dem Kind erklären, wer für Fragen der Verteilung im Großen verantwortlich ist, ist das eine gute Gelegenheit, um es darauf hinzuweisen, dass es später selbst mitentscheiden kann, wie mit diesen Fragen umgegangen wird. Und dass weltweit die Armut insgesamt schon weniger geworden ist, weil viele sich bemühen, etwas dagegen zu tun.
Sie brauchen weitere Informationen?

Diese Bücher könnten Ihnen helfen:
- Ich gehör dazu! von Tom Percival (ab vier Jahren)
- Was ist arm und was ist reich? von Kristina Scharmacher-Schreiber und Tine Schulz (ab sieben Jahren)
- Das ist doch unfair! Warum gibt es Armut und Reichtum? von Inka Friese und Sarah Tabea Hinrichs (ab sieben Jahren)
- Ein mittelschönes Leben: Ein Kinderbuch über Obdachlosigkeit von Kirsten Boie und Jutta Bauer (ab acht Jahren)

