Jedes 5. Kind in Deutschland ist von Kinderarmut betroffen
Aktuelle Umfrage zu Kinderarmut in Deutschland
Gemeinsam mit forsa haben wir im August 2024 eine repräsentative bundesweite Befragung unter Eltern zum Thema Kinderarmut sowie zu den Freizeitaktivitäten ihrer Kinder durchgeführt. 84 Prozent der Befragten halten die ab 2025 geplante Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags um jeweils nur fünf Euro nicht für ausreichend, um Kinderarmut zu bekämpfen. Darum setzen wir uns für ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit mit Blick auf Kinder und Familien in Deutschland ein.
Knapp drei Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren leben in Deutschland in Armut. Das bedeutet, dass etwa jedes 5. Kind in einem Haushalt lebt, der sich den durchschnittlichen Lebensstandard nicht leisten kann und oft auf Sozialleistungen zur Existenzsicherung angewiesen ist. Konkrete Folgen für armutsbetroffene Kinder:
- Sie können sich nicht gesund und ausgewogen ernähren, weil es schlicht zu teuer ist. So sind in den Regelsätzen des Bürgergeldes je nach Alter nur etwas mehr als 4 Euro bis etwa 7 Euro pro Tag für die Ernährung des Kindes vorgesehen.
- Sie leben oft in beengten Wohnverhältnissen, in denen sie sich kaum oder gar nicht zurückziehen können, um zum Beispiel in Ruhe zu lernen.
- Sie wachsen oft in Gegenden auf, in denen es nur wenige niedrigschwellige oder günstige Freizeitangebote gibt und sie sich kaum entfalten können.
- Sie erfahren Benachteiligungen im Bildungssystem und haben eine größere Chance, auch als Erwachsene Armut zu erleben.
- Geburtstagsfeiern, Urlaube, Hobbys und Freizeitgestaltung wie Kino-, Restaurant-, oder Freibadbesuche sind kaum bezahlbar.
Hinzu kommt, dass die psychische Belastung für armutsbetroffene Kinder oft enorm ist. Sie haben mit vielen Vorurteilen und Ausgrenzung zu kämpfen und ihre Familien müssen meist große Hürden überwinden, um ihnen zustehende Leistungen genehmigt zu bekommen.
Das denken Kinder über Armut
Wieso gibt es in Deutschland Kinderarmut?
Kinderarmut ist in der Regel Familienarmut, denn Kinder sind finanziell abhängig von ihren Eltern. Eine Hauptursache für Kinderarmut ist Arbeitslosigkeit. Es gibt aber auch viele Familien, die trotz Arbeit nicht ausreichend Geld zur Verfügung haben und gezwungen sind, ihr geringes Einkommen mit Sozialleistungen aufzustocken – weil sie zum Beispiel alleinerziehend sind, im Niedriglohnsektor arbeiten oder aus gesundheitlichen Gründen nur vermindert arbeiten können. Kinderarmut findet sich auch verstärkt in Familien mit Migrationsgeschichte wieder, da die Eltern vielerlei Diskriminierungsformen ausgesetzt sind oder lange um eine Arbeitserlaubnis kämpfen müssen. Hinzu kommt: In Deutschland wird bei Kindern und Familien oft als erstes gespart und das Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Wenn Familien Sozialleistungen zur Existenzsicherung erhalten (Bürgergeld), sind diese nicht ausreichend, um ein gesundes Aufwachsen und soziale Teilhabe von Kindern sicherzustellen.
Wie die Inflation Kinderarmut verschärft
Weltweit haben wir mit der gravierendsten Lebenshaltungskostenkrise des 21. Jahrhunderts zu kämpfen. Auch in Deutschland drohen die steigenden Kosten, noch mehr Familien in die Armut zu treiben und fordern den größten Tribut von Kindern und Familien, die bereits von Armut betroffen sind. Unser Bericht: Wenn alles zu teuer wird zeigt auf, wie sich die Inflation auf Kinderarmut in Deutschland auswirkt und was getan werden muss, um die Situation für Kinder zu verbessern.
Kinderarmut geht uns alle an
Was ist die Kindergrundsicherung?
Die neue Kindergrundsicherung soll verschiedene Leistungen für Kinder zusammenfassen und es Eltern erleichtern, diese Leistungen zu beantragen. Sie setzt sich aus deinem Garantiebetrag für alle Kinder (zurzeit Kindergeld) und einem einkommensabhängigen Zusatzbetrag zusammen, bei dem Haushalte mit geringerem Einkommen mehr Geld durch die Kindergrundsicherung zustehen soll. Save the Children hat sich mit 19 weiteren Organisationen und 13 Wissenschaftler*innen zum 'Bündnis Kindergrundsicherung' zusammengeschlossen, um mehr Druck auf politische Entscheidungsträger*innen ausüben zu können und eine ausreichende Kindergrundsicherung durchzusetzen.
Um Kinderarmut wirksam zu bekämpfen, muss sich vor allem die Bundesregierung und der Bundestag diesen Herausforderungen stellen und ganzheitlich Programme, Gesetze und sonstige Vorhaben gegen Kinderarmut angehen und verstärken. Denn die Armutsgründe sind strukturell und können durch Politik verändert werden. Vorschläge und Empfehlungen an die Politik geben wir dazu u.a. in unserer Studie: Kindern eine Zukunft garantieren. Ein wichtiger Ansatz liegt dabei bei der Kindergrundsicherung, die Leistungen bündeln, erhöhen und ihren Zugang vereinfachen will. Um Kinderarmut abzuschaffen, braucht es jedoch auch:
- weitreichende Finanzierung sozialer Angebote (z.B. für Familienzentren)
- Investitionen in gute Bildung für alle Kinder
- existenzsichernde Löhne
Save the Children setzt sich sowohl mit eigenen Projekten als auch mit politischer Arbeit für mehr Chancengleichheit ein. So haben wir zusammen mit der Bertelsmann Stiftung und dem Deutschen Jugendinstitut eine Beteiligungsveranstaltung in Berlin organisiert. Gemeinsam mit rund 30 jungen Menschen im Alter von 14 bis 28 Jahren und Verantwortlichen aus Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft wurde darüber diskutiert, wie Chancen benachteiligter junger Menschen verbessert werden können.
Wenn Sie uns unterstützen wollen, unterzeichnen Sie unsere Petition für die Kindergrundsicherung und gegen Kinderarmut!
Kinderarmut in Europa
'End Child Poverty Week'
Save the Children hat mit der 'End Child Poverty Week' eine neue europaweite Initiative gestartet, deren Ziel es ist, das Bewusstsein für Kinderarmut zu schärfen. Vom 8.-12. April wollen wir vor allem auf politischer Ebene wichtige Informationen zum Thema Kinderarmut verbreiten und für Maßnahmen zur Linderung der weit verbreiteten Auswirkungen auf Kinder und Familien auf dem gesamten Kontinent eintreten.
Nicht nur in Deutschland sind Kinder von Kinderarmut betroffen, sondern in ganz Europa. Mittlerweile sind 20 Millionen Kinder in Europa von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Das ist jedes vierte Kind. Zwar hat die Europäische Union 2021 die Europäische Kindergarantie eingeführt, aus dem jeder Mitgliedsstaat entsprechende nationale Aktionspläne abgeleitet hat. Die Kindergarantie sieht u. a. vor, dass die EU-Mitgliedstaaten armutsgefährdeten Kindern kostenlosen Zugang zu hochwertiger frühkindlicher Bildung und Betreuung, kostenlosen Unterricht und schulische Aktivitäten, mindestens eine gesunde Mahlzeit pro Schultag, Gesundheitsversorgung, angemessenen Wohnraum und gesunde Ernährung bieten sollen. Die Realität zeigt aber, dass die Politik immer noch viel zu oft an den Interessen der Kinder vorbei agiert und momentane Leistungs- und Unterstützungssysteme oft nicht ausreichen, um Kinderarmut in Europa wirksam zu bekämpfen.