Klimatische Veränderungen und Mangelernährung am Horn von Afrika
Alafi lebt zusammen mit ihren Kindern und ihrem Mann in Somali, einer Verwaltungsregion in Äthiopien. Abdi war zwei Monate lang immer wieder krank, als wir ihn im Juli 2019 das erste Mal trafen. Als sich seine Gesundheit verschlechterte, brachte Alafi ihren Sohn in die Notaufnahme. Abdi litt an schwerer akuter Mangelernährung und Blutarmut.
Auswirkungen des Klimawandels verstärken Ernährungsunsicherheit
Seit einigen Jahren erleben Menschen am Horn von Afrika ein Extrem nach dem anderen. Die Auswirkungen des Klimawandels, die sich durch immer öfter wiederkehrende Dürren, Überschwemmungen und auch Heuschreckenplagen bemerkbar machen, zerstören Ernten, Wasserversorgungen und töten Nutztiere. Wie Abdi sind zahlreiche Kinder in der Region von akuter und chronischer Mangelernährung bedroht. Da viele Familien in entlegenen Regionen als Nomaden leben, sind Krankenhäuser zudem oft schwierig zu erreichen.
Die langanhaltende Dürre führte dazu, dass Alafis Tiere nicht genug Futter und Wasser bekommen konnten. Zudem stiegen durch die sterbenden Nutztiere und ausgefallenen Ernten Lebensmittelpreise rapide an.
Bei Mangelernährung muss schnell gehandelt werden
Eine schnelle Behandlung ist bei Mangelernährung besonders wichtig. Oft zögern Familien den Krankenhausbesuch hinaus, weil sie weit entfernt sind und die Reisen dorthin häufig bedeuten, dass sich niemand um die Familie und Nutztiere kümmern kann. Abdi konnte kaum noch atmen, als er ins Krankenhaus kam. Er wurde mit einer Ernährungssonde ernährt, um die dringend benötigte Energie zu erhalten. Als sein Appetit zurückkehrte, erhielt er eine nährstoffreiche Erdnusspaste. Auch seine Mutter wurde mit Mahlzeiten unterstützt.
Nach seiner Entlassung besuchte Abdi wöchentlich ein lokales Outpatient Programm, um weiterhin Erdnusspaste zu erhalten. Mobile Gesundheits- und Ernährungsteams von Save the Children besuchen Abdi‘s Dorf einmal pro Woche um Gesundheits- und Ernährungstests zu machen, medizinische Behandlungen anzubieten und Erdnusspaste an mangelernährte Kinder zu verteilen. Sechs Monate nach der Diagnose ist Abdi wieder gesund. „Er hat wieder Appetit“, erzählt seine Mutter. „In der letzten Regenzeit hat es zum Glück viel geregnet. Jetzt haben wir genug Weideland und Wasser für unsere Tiere.“ Am liebsten isst Abdi Ziegenmilch mit Injera, einem dünnen Brot. Mittags und abends gibt es häufig Reis oder Nudeln. „Ich wünsche mir, dass meine Kinder gesund und glücklich aufwachsen, damit sie ein erfolgreiches Leben führen können“.
Mangelernährung hat viele Ursachen
Chronische Mangelernährung ist in Bangladesch weit verbreitet. In der Region Sylhet leiden 46 Prozent aller Kinder an Wachstumsstörungen – der größte Prozentsatz des Landes. Die Auswirkungen auf ihre körperliche und geistige Entwicklung machen sich ein Leben lang bemerkbar, zum Beispiel durch Leistungsschwierigkeiten in der Schule. Mangelernährung ist so verbreitet im Osten Bangladeschs, dass Mütter das geringe Gewicht ihrer Kinder oft als normal missinterpretieren. Wenn sie erkennen, dass sie krank sind, ist es oft schon zu spät. Ungleichheiten in der Region sind starke Treiber von Mangelernährung. Zum Beispiel sind Mädchen und Frauen in Sylhet oft benachteiligt. Sie werden früh verheiratet, haben kaum Zugang zu einer Schulbildung und sind finanziell abhängig. Ihre Kinder leiden besonders häufig unter Mangelernährung. Aber auch finanzielle Schwierigkeiten, wiederkehrende Krisen und daraus resultierende Instabilität sind häufige Ursachen von Mangelernährung.
Mangelernährung lokal bekämpfen: Gesundheitshelferinnen unterstützen Mütter
Minu Ahmed wusste nicht, dass ihre kleine Tochter Hadija an akuter Mangelernährung leidet. Trotzdem erlaubte ihre finanzielle Situation Minu nicht, Hadija nach der Diagnose ins Krankenhaus zu bringen. Ihr Mann Sufian verkauft Fisch, jedoch variieren seine Einnahmen von Tag zu Tag. Mehrmals wurde ihre Heimat im letzten Jahr von Hochwasser heimgesucht, das Häuser, Nutztiere und Ernten beschädigt hat. Nach Hadijas Diagnose nahm Minu an einem Ernährungsprogramm von Save the Children teil, ermöglicht durch internationale Entwicklungsgelder. Zusammen mit Gesundheitshelferinnen lernte Minu, welche Nahrung am besten ist, um Hadija alle Nährstoffe zu geben, die sie braucht. „Die Gesundheitshelferinnen haben mir gesagt, dass ich Hadija mit Gemüse, Früchten, Eiern und Milch füttern soll“, erzählt Minu. „Ich sollte währenddessen mir ihr laufen und Geschichten erzählen“. Hadija wurde schneller als erwartet gesund und ist heute nicht mehr mangelernährt.
Mangelernährungen hat viele Ursachen und muss entsprechend adressiert werden
Die Geschichte der Familie Ahmed ist ein Beispiel für die komplexen Ursachen von Mangelernährung. Trotz seines Berufs kann Sufian seine Familie nicht immer ernähren und musste Schulden aufnehmen, um seine Fische zu verkaufen. Katastrophen wie Überflutungen verschlimmern ihre Situation immer wieder. Ihr 12-jähriger Sohn Nahed arbeitet in einem Hotel, um die Familie zu unterstützten. „Meine Eltern haben mich nicht gezwungen, unsere Situation war einfach schwierig“, erklärt Nahed. „Wenn ich könnte würde ich helfen – mit Geld, Werkzeugen und Essen – damit kein Kind die Schule verlassen muss.“ Um Mangelernährung zu bekämpfen ist es deswegen wichtig, die vielfältigen Auslöser zu erkennen und zu adressieren. Nicht immer geht es hier nur um die reine Verfügbarkeit von Lebensmitteln.
Als Minu ihre Tochter in das Ernährungsprogramm brachte, wurde das Geschäft ihrer Familie finanziell unterstützt, um ihnen langfristig zu helfen. „Nachdem wir 8.000 takas (86 Euro) erhalten haben, mussten wir kein Geld mehr leihen “, erzählt Minu. „Wir haben Gänse und Hühner vom Profit des Geschäfts gekauft. In unserem Gemüsegarten baue ich Juteblätter, Spinat und Gurke an.“ Als Minu wieder schwanger wurde, besuchte sie regelmäßig Check-ups und Workshops, in denen sie lernte, welche Nährstoffe während der Schwangerschaft wichtig für sie und ihr Baby sind. Denn: Eine ausgewogene Ernährung in den ersten 1.000 Tagen im Leben eines Kindes – vom Tag der Befruchtung bis zum zweiten Lebensjahr - ist ein wichtiger erster Schritt, um Mangelernährung zu verhindern.