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Das Projekt 'Ich lebe' © Dominic Nahr / Save the Children

Ich lebe
Ein globales Jahrhundertprojekt

Ein Jahrhundertporträt

Sie haben zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten gelebt. Und doch haben diese 11 Menschen mindestens zwei Gemeinsamkeiten. Sie haben als Kind einen Krieg überlebt. Und ihnen wurde von Save the Children geholfen.

Für Save the Children haben der preisgekrönte Fotograf Dominic Nahr und die Journalistin Anna Mayumi Kerber auf der ganzen Welt Überlebende der verheerendsten Konflikte der vergangenen 100 Jahre getroffen. Die eindringlichen Reportagen veröffentlicht Save the Children nun im Fotobuch „Ich lebe“. Es erscheint im Kerber Verlag und ist ab sofort in deutscher und englischer Sprache im Handel verfügbar.

Dominic Nahr

 

Dominic Nahr

Der preisgekrönte Schweizer Fotograf Dominic Nahr wuchs in Hongkong auf und lebte lange in Ostafrika. Seit mehr als zehn Jahren berichtet der Leica- Botschafter von den Krisen herden der Welt. Seine Reportagen über den Bürger krieg im Südsudan, über Re­bellen und Kindersoldaten im Kongo oder über den Terrorismus in Somalia wurden in internationalen Zeitschrif­ten wie Time Magazine, The New Yorker, DIE ZEIT oder stern veröffentlicht. Dominic Nahr beobachtet Menschen mit tiefer Empathie, seine Bild­sprache geht über die Dokumentation der Grausamkeiten und Katastrophen hinaus. 2017 gründete er mit Kolle­gen die Fotoagentur MAPS. Im selben Jahr fotografierte Dominic Nahr den Hilfseinsatz von Save the Children im dürregeplagten Somalia für  National Geographic und DER SPIEGEL. Seit 2018 arbeitet Dominic Nahr für das Save the Children-Projekt „Ich lebe“. 2019 zeigten wir seine Fotografien im Bundesministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit und im Auswärtigen Amt in Berlin sowie vor Vertretern der EU-Kommission in Brüssel.

Portrait Anna Mayumi Kerber

 

Anna Mayumi Kerber

Anna Mayumi Kerber, geboren 1983 in Österreich, arbeitet seit mehr als zehn Jahren auf dem afrikanischen Kontinent. Sechs davon lebte sie in Kenia, wo sie unter anderem das Ostafrika-Büro der Deutschen Presse-Agentur leitete. Als freie Journalistin berichtete sie für zahlreiche Print-, Online- und Rundfunkmedien. Sie studierte an der FH Wien Journalismus und Medienmanagement und später Wissenschaftsjournalismus an der Columbia Universität in New York, wo sie mit dem Robert Wood Johnson Award ausgezeichnet wurde.

Seit 2018 arbeitet Anna Mayumi Kerber mit Save the Children an dem Jubiläumsprojekt.

martina dase ist herausgeberin des buchprojekts ich lebe

Martina Dase

„Wie interessieren wir Menschen für unsere Themen?“ Martina Dase setzt neben Fakten auf Fotografie und Film — für sie kongeniale Medien, um gesellschaftspolitische Anliegen eindringlich zu vermitteln. Ob mit einer Pressereise ins dürregeplagte Somalia, der Inszenierung eines Festaktes oder der Konzeption eines Thinktanks zur Zukunft der Entwicklungshilfe: Die Kommunikationsexpertin wählt und erzählt für Nichtregierungsorganisationen Geschichten auf eine Weise, die aufhorchen lässt und viele dazu bringt, sich nachhaltig für das Leben anderer zu engagieren. Bereits als mehrfach ausgezeichnete Fernsehjournalistin für die ARD, arte und 3sat hat Martina Dase eine unverwechselbare filmische Handschrift entwickelt. Das Storytelling mit starken Worten und Bildern prägt auch die Leuchtturmprojekte, die sie in Führungspositionen bei Greenpeace, der Welthungerhilfe und seit 2016 als Kommunikationsdirektorin bei Save the Children umsetzt. Den Bildband Ich lebe prägte sie mit ihren Ideen und Entscheidungen in allen Schritten.

Eine Reise in die Vergangenheit

Martina Dase, Kommunikationsdirektorin bei Save the Children und Initiatorin des Projekts „Ich lebe“ spricht im Interview über die Inspiration zu dem Projekt, die weltweite Suche nach Zeitzeugen und die universellen Erfahrungen, die sie alle verbindet.

Kindheitsfoto Theophilus Amadi, © Dominic Nahr / Save the Children

Worum geht es in dem Buch „Ich lebe“?

In jedem Krieg leiden Kinder am meisten, heute genauso wie vor 100 Jahren. Wie überleben sie? Was macht die Kriegserfahrung mit ihnen? Wie prägt es ihr weiteres Leben, wenn sie Hilfe erfahren? Das wollten wir in unserem Jubiläumsjahr in der Tiefe ergründen und künstlerisch anspruchsvoll umsetzen. Und dann eine möglichst große Öffentlichkeit daran teilhaben lassen. Denn wahre Geschichten und wahrhaftige Bilder können besser als alles andere vermitteln, welchem Horror Kinder in Kriegen ausgesetzt sind. Die Geschichten unserer Zeitzeugen ergeben, so hoffen wir, ein eindringliches Plädoyer für mehr Menschlichkeit. Übrigens bestimmt die Arbeit mit Fotografie unsere Organisation schon seit der ersten Stunde: Es war das aufrüttelnde Foto von einem verhungernden Kleinkind aus Wien, das unsere Gründerin Eglantyne Jebb 1919 dazu brachte, Save the Children zu gründen und sich für die Kinder der Feinde einzusetzen, für notleidende Kinder in Deutschland und Österreich.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, weltweit nach den ehemaligen Kriegskindern zu suchen?

Die Idee entstand 2018, auf einer Reise in den Libanon mit dem Fotografen Dominic Nahr, den ich von unserer Pressereise ins dürregeplagte Somalia kannte. In einem Flüchtlingslager in der Bekaa-Ebene trafen wir Amal*, ein 11-jähriges Mädchen aus Syrien. Wir erlebten ein Kind, das durch die Kriegserfahrung nahezu verstummt war. Doch vor Dominics Kamera wurden wir Zeugen einer wundersamen Verwandlung: Amal stand plötzlich selbstbewusst da, posierte sogar ein bisschen, „sprach“ mit dem Fotografen. Wir begriffen: Es tat ihr gut, gesehen zu werden. Das war der Moment, in dem unser Jubiläumsprojekt „Ich lebe“ begann. Wir nahmen uns vor, nach überlebenden Kindern des Krieges zu suchen, die uns ihre Geschichte erzählen wollten. Um den unzähligen Einzelschicksalen, die hinter jedem Konflikt stecken, ein Gesicht und eine Stimme zu geben.

Amal, © Dominic Nahr / Save the Children

Das Foto von Amal sieht fast aus wie eine Modefotografie. Wie kam es dazu?

Ja, das stimmt, das Portrait von Amal wirkt fast wie ein Studio-Shooting. Der silberne Hintergrund, die intensiven Farben ihrer Kleidung, der ernste, aber souveräne Blick des Mädchens. Das alles unterscheidet diese Fotografie von vielen Bildern, die in unserem Arbeitskontext sonst entstehen. Tatsächlich ist das Porträt an einem authentischen Ort, nämlich im Familienzelt von Amal entstanden. Ihr Vater hat es mit silberner Alufolie ausgeschlagen, als Schutz vor der sengenden Hitze. Auch hat Dominic nur mit natürlichem Licht gearbeitet. Aber durch den Zufall dieses besonderen Ortes und durch seine große Kunst entstand dieses „Fashion-Foto“. Es erinnert durch die Positionierung von Amal in der Ecke sogar an einen der ganz großen Modefotografen, an Irving Penn und dessen berühmte Corner-Portraits. Dieses Foto zeigt am intensivsten, was wir aussagen wollen: Alle Menschenkinder, alle Überlebenden von Kriegen sind, egal wo sie leben, was sie durchgemacht haben, in erster Linie Menschen mit Stolz und Würde, und mit einem Recht auf Schönheit.

Wie haben Sie all’ die anderen Zeitzeugen gefunden? Es war doch sicherlich nicht leicht Menschen aufzuspüren, die sich noch an ihre Kindheit im Ersten Weltkrieg oder im Biafra-Krieg erinnern…

Ja, das war wirklich eine Mammutaufgabe. Zumal wir uns ja zusätzlich vorgenommen hatten, Kinder zu finden, die mit Save the Children in Berührung gekommen sind. Also die berühmte Nadel im Heuhaufen. Je länger wir in der Zeit zurückgegangen sind, desto schwieriger war es natürlich. Bei der Suche nach einem Überlebenden des Ersten Weltkriegs hätten wir fast aufgegeben. Geholfen haben intensive Recherchen, weltweite Zeitzeugenaufrufe und manchmal auch ein Quäntchen Glück. Wir haben in vielen Ländern unsere eigenen historischen Dokumente durchforstet, aber auch in öffentlichen Archiven recherchiert. Wir haben mit ehemaligen Mitarbeitern von Save the Children gesprochen. Unsere Kollegen in den Länderbüros haben uns bei der Suche unterstützt. In einigen Fällen blieb uns nichts anderes übrig, als vor Ort zu recherchieren. In Ruanda beispielsweise führte uns ein vergilbtes Polaroid zu der inzwischen 29 Jahre alten Genozid-Überlebenden Vanessa Ntakirutimana. Am Ende fanden wir sie tatsächlich alle: 10 „Kinder des Krieges“ – und unser „Baby der Hoffnung“ im Millionencamp der Rohingya in Bangladesch, geboren im 11. Jahrzehnt von Save the Children.

Kindheitsfoto Evelyne Brix, © Dominic Nahr / Save the Children

Was können wir aus den Geschichten der 11 Überlebenden lernen?

Unser ältester Zeitzeuge ist 106 Jahre alt, das Baby war 15 Tage auf der Welt, als wir es trafen. So verschieden die Lebensgeschichten, so vergleichbar sind ihre Erfahrungen einer Kindheit im Krieg. Kinder, die im Krieg aufwachsen, erleiden Hunger und Durst, Flucht und Verlust, kämpfen gegen ihre Traumata. Aber sie behaupten sich mit ihrer Hoffnung, ihrem Stolz und ihrer ungeheuren Widerstandskraft. Wenn dann noch Hilfe von außen kommt, so wie von Save the Children oder den vielen anderen Hilfsorganisationen, wenn die Kinder merken, dass jemand sie sieht und ihnen hilft, dann können selbst versehrte Biographien eine gute Wende nehmen. So entfalten unsere Protagonisten ein bezwingendes Panorama des vergangenen kriegerischen Jahrhunderts. Indem sie uns ihre Geschichte anvertrauen, ermutigen sie uns, auch künftig Kinder in Kriegen zu schützen und ihre Rechte zu verteidigen.  

Haben Sie auch persönlich etwas mitgenommen aus dem Projekt?

Am meisten hat mich beeindruckt, was mir der charmante 106-jährige Herr Karl während unserer Ausstellung im Auswärtigen Amt auf die Frage antwortete, was das Geheimnis seines langen Lebens ist. An seine Antwort denke ich noch oft: „Ich habe zwei Weltkriege überlebt, ich habe meine Frau vor langer Zeit verloren. So habe ich gelernt, von Tag zu Tag zu leben. Ich lasse die Dinge auf mich zukommen und gräme mich nicht vorab über Dinge die kommen könnten. Das habe ich auch meinen Nachbarn gesagt, als sie Angst vor den Flüchtlingen hatten, die ins Containerdorf nebenan gezogen sind: ‚Lasst sie doch erst einmal kommen. Es sind Menschen in Not.’ “

Ihre Ansprechpartnerin

Cosima Trittel