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LISTEN UP!

LISTEN UP!  
Beschwerdeverfahren für geflüchtete Kinder in Unterkünften 

Ziel: Zugang zu internen und externen Beschwerdemechanismen für geflüchtete Kinder in Unterkünften schaffen 
Laufzeit: März 2023 - Dezember 2024 
Zielgruppe: Geflüchtete Kinder, Eltern und Mitarbeitende in Unterkünften, externe Beschwerdestellen, Interessensvertretungen für Kinder und Jugendliche 
Region: Hessen, Sachsen 
Geber: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) 

DIE IDEE

Die UN-Kinderrechtskonvention sichert Kindern das Recht auf Beteiligung zu. Das bedeutet, dass Kinder gehört werden und ihre Meinung ernst genommen werden muss. Damit bildet das Recht auf Beteiligung eine wichtige Voraussetzung für den Schutz vor Gewalt in Institutionen, wie Schulen, Kindertagesstätten, Heimen und Unterkünften für geflüchtete Menschen. Denn durch Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten lernen Kinder, dass ihre Meinung gefragt ist und können so auch mitteilen, wenn sie Unrecht oder Gewalt erfahren. Dies gilt insbesondere für Kinder, die mit ihren Eltern in Sammelunterkünften für geflüchtete Menschen leben.  

Die Unterbringung in Sammelunterkünften birgt für geflüchtete Kinder besondere Gefahren. 

Aufgrund ihrer Erfahrungen vor, während und nach der Flucht sowie der Wartezeiten während des Asylverfahrens und der damit verbundenen Zeit in Unterkünften für geflüchtete Menschen in Deutschland, sind Kinder besonderen Gefährdungen ausgesetzt. Das Leben in der Unterkunft für geflüchtete Menschen bringt zusätzliche Risiken für Gewalterfahrungen mit sich durch Faktoren wie ungleiche Machtverhältnisse, die Nutzung von Gemeinschaftsküchen/-bädern und Konflikte unter Bewohner*innen. Fehlende Rückzugsmöglichkeiten verstärken das Gefühl von Unsicherheit.  

Länder und Kommunen sind darum gesetzlich verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz von schutzbedürftigen Personen – also auch Kindern – in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften zu ergreifen (§§ 44 Abs. 2a53 Abs. 3 AsylG).

Meist sind für die kindliche Entwicklung besonders wichtige Bedürfnisse aber nicht ausreichend erfüllt:

  • Physiologische Bedürfnisse: Privatsphäre, Hygiene, medizinische Versorgung oder die Wahl was und wann gegessen wird. 
  • Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit: Durch das restriktive Asyl- und Aufnahmesystem befinden sich Familien oft jahrelang in Ungewissheit bezüglich ihres Schutzstatus. Dieser hat einen direkten Einfluss auf die Wohn-, Arbeits- und Beschulungssituation. Die Erlebnisse, die sie vor und während der Flucht machen mussten, können oftmals spät oder gar nicht aufgearbeitet werden. Auch Re-Traumatisierung durch prekäre Unterbringung und Asylverfahrensabläufe stellen eine Gefahr für Kinder und ihre Familien dar. 
  • Bedürfnisse nach sozialer Bindung: Durch die Unterbringungsform ist der Aufbau sozialer Kontakte außerhalb der Unterkunft erschwert. Sprachbarrieren, schlechte Verkehrsanbindung der Unterkunft, Kontrolle durch den Sicherheitsdienst und Besuchsverbote verstärken die Isolation der Bewohner*innen. 
  • Bedürfnisse nach kognitiver und emotionaler Entwicklung: Häufig fehlt es aufgrund personeller und räumlicher Kapazitäten an geschützten (Rückzugs-)Räumen und Spielorten. 
  • Bedürfnisse nach Selbstbestimmung und Beteiligung: Durch vorgegebene Abläufe, strenge Regelungen und unzureichenden Betreuungskapazitäten können Kinder ihr Mitbestimmungsrecht nur selten ausüben. Fehlende Teilhabe gekoppelt mit Diskriminierungserfahrungen prägen die Kinder von klein auf.  

Beschwerdeverfahren stärken Beteiligungsrechte, Selbstwirksamkeit und Kinderschutz  

Aufgrund dieser Unterbringungssituation ist es umso wichtiger, Beschwerdewege für diese Zielgruppe zugänglich zu machen und dafür Sorge zu tragen, dass ihre Beschwerden bei den richtigen Stellen ankommen und bearbeitet werden. So fordern auch die Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften dazu auf, Beschwerdeverfahren für geflüchtete Kinder in Unterkünften zu etablieren. 

Mindeststandard 3 zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften:

Interne und externe Beschwerdestellen sollen den Bewohner*innen eine niedrigschwellige und möglichst barrierefreie Beschwerdemöglichkeit geben. Interne Beschwerdeverfahren sollen gemeinsam mit Bewohner*innen, einschließlich Kindern und Jugendlichen entwickelt, getestet und etabliert werden. So sollen auch Kinder das Beschwerdeverfahren nutzen können. Sensibilisierungs- und vertrauensbildende Maßnahmen für Eltern, Kinder sowie Mitarbeitende sind ein grundlegender Bestanteil eines funktionieren Beschwerdemanagements. Da sich Bewohner*innen aus Angst vor negativen Auswirkungen, z.B. auf ihr Asylverfahren, oft nicht bei Mitarbeiter*innen beschweren möchten, müssen auch externe, unabhängige Beschwerdestellen bekannt und auf unterschiedlichen Wegen (persönlich, per Mail, per Telefon, in der jeweiligen Sprache) zugänglich sein. 

Funktionierendes Beschwerdemanagement wirkt nicht nur gewalt- und konfliktpräventiv, sondern kann auch strukturelle Verbesserungen in den Unterkünften bewirken. Dennoch gibt es in Deutschland bisher nur wenige kindgerechte oder für Kinder zugängliche interne und externe Beschwerdemöglichkeiten. 


PROJEKTZIEL

Mit dem Modellprojekt „LISTEN UP! Beschwerdeverfahren für geflüchtete Kinder in Unterkünften“ möchten wir aufzeigen, wie der Zugang zu Beschwerdewegen innerhalb und außerhalb der Unterkünfte für Kinder verbessert werden kann. Es ist zum 1. März 2023 gestartet. Wir binden geflüchtete Kinder und Mitarbeitende aktiv in die Erprobung des Verfahrens ein und entwickeln ein Konzept, das auch in anderen Bundesländern angewendet werden kann. So sollen Betreiber von Unterkünften, Soziale Dienste, Interessensvertretungen sowie Stellen der Standortkommunen und Bundesländer in die Lage versetzt werden, kindgerechte Beschwerdewege zu etablieren, um Kinder besser zu schützen und ihr Recht auf Teilhabe zu stärken. Ein grundlegendes Verständnis zu Beteiligungsrechten von Kindern und eine diskriminierungssensible Arbeitsweise sind Voraussetzungen für ein funktionierendes Beschwerdemanagement. Darum liegt ein Schwerpunkt des Projektes auf der Sensibilisierung zu diesen Themen. Das Modellprojekt wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bis Dezember 2024 gefördert.


DIE UMSETZUNG

Entwicklung eines kindgerechten internen Beschwerdemanagements

In der Projektregion Hessen entwickeln wir gemeinsam mit einer Unterkunft für geflüchtete Menschen ein kindgerechtes Beschwerdeverfahren. Hierfür führen wir Workshops mit Kindern, Eltern und Mitarbeiter*innen durch, um Vertrauen aufzubauen und zu Themen, wie bspw. Kinderrechte und Beteiligung zu sensibilisieren. Methoden und Materialien werden in einem Methodenkoffer gesammelt und veröffentlicht. Für das interne Beschwerdeverfahren wird ein Konzept entwickelt, das gemeinsam mit den Ergebnissen am Ende des Projektes auf der Ebene des jeweiligen Bundeslandes sowie in einem bundesweiten digitalen Fachgespräch vorgestellt wird. 

Stärkung des Zugangs zu externem Beschwerdemanagement für geflüchtete Kinder

In der zweiten Projektregion Sachsen beraten wir eine externe Beschwerdestelle in der Ausgestaltung ihres bestehenden Beschwerdeverfahrens, um es für geflüchtete Kinder in Unterkünften zugänglich zu machen. In Workshops und Vernetzungstreffen möchten wir auch hier die Themen Kinderrechte und Beteiligung thematisieren.  

Schließlich möchten wir gemeinsam mit Interessenvertretungen den Zugang zu unabhängigen Ombudsstellen für geflüchtete Kinder fördern und führen dazu Austauschformate durch. 


Publikationen


Kontakt

Save the Children Mitarbeiterin Janneke Stein

Janneke Stein

Noura Mahmoud