Unsere Arbeit in Deutschland: Kinder vor Gewalt schützen
Alle Kinder haben laut UN-Kinderrechtskonvention das Recht auf Schutz vor Gewalt. Hierzu zählen der Schutz vor psychischer, körperlicher und sexualisierter Gewalt sowie der Schutz vor Vernachlässigung und Ausbeutung. Doch in der Realität sind auch in Deutschland viele Kinder von einer oder mehreren Formen von Gewalt betroffen. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden in Deutschland im Jahr 2020 insgesamt 45.871 Körperverletzungsdelikte und 16.921 Sexualstraftaten gegen Kinder unter 14 Jahren gemeldet. Diese Zahlen spiegeln jedoch nur einen Bruchteil der Gewalt wider, die sich tatsächlich ereignet. Denn zum einen sind nur Kinder bis 14 Jahre in dieser Statistik erfasst und keine Jugendlichen; und zum anderen werden längst nicht alle Gewalttaten gegen Kinder bei der Polizei angezeigt. Es gibt somit ein großes Dunkelfeld.
Vernachlässigung von Kindern – also zum Beispiel, wenn ein Kind nicht ausreichend ernährt wird oder es an Körperpflege, medizinischer Versorgung oder emotionaler Zuwendung mangelt – ist laut amtlicher Statistik der Jugendämter die am weitesten verbreitete Form von Gewalt gegen Kinder: Im Jahr 2021 handelte es sich bei fast der Hälfte der 59.900 gemeldeten Fälle von Kindeswohlgefährdungen um Vernachlässigung. Die Statistik der Jugendämter zeigt weiter: Noch höher als die Anzahl der gemeldeten Fälle von körperlicher Gewalt (13 Prozent) ist das Ausmaß psychischer Gewalt (z. B. Androhung von Gewalt, Einschüchterung, Erniedrigung oder der Ausdruck von Hassgefühlen gegenüber dem Kind); er lag bei 18 Prozent.
Auch die Statistik der Jugendämter bildet nicht alle Fälle von Gewalt gegen Kinder ab. Expert*innen gehen zudem davon aus, dass Gewalt gegen Kinder während der Corona-Pandemie insgesamt zugenommen hat, da Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie und pandemiebedingte Zusatzbelastungen zu zusätzlichen Belastungen geführt haben. Dies gilt insbesondere für Familien, die bereits vor der Pandemie stark belastet waren.
Gewalterfahrungen in der Kindheit können viele negative Auswirkungen auf die körperliche und psychosoziale Gesundheit und Entwicklung von Kindern haben. Ein zentrales gesellschaftliches Anliegen muss deshalb sein, Kinder effektiv vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Kindern, die Gewalt erlebt haben, Zugang zu notwendiger Unterstützung zu ermöglichen.
Darum setzen wir uns dafür ein, alle Kinder in Deutschland vor allen Formen von Gewalt und Vernachlässigung zu schützen.
Unser Ansatz

Unser Ziel ist es, den Schutz von Kindern vor Gewalt und Vernachlässigung in Deutschland zu verbessern. Kinder erleben Gewalt in der Familie und in Institutionen wie Schulen, Kindergärten und Vereinen. Deshalb sensibilisieren wir Fachkräfte für Kinderrechte und zum Thema institutioneller Kinderschutz. Schutzkonzepte sind ein wichtiger Baustein der Prävention, deshalb engagieren wir uns in formellen und informellen Bildungs- und Freizeiteinrichtungen für die Entwicklung und Umsetzung von Schutzkonzepten. Zudem entwickeln und planen wir aktuell zusätzliche Programme mit dem Ziel, Kinder innerhalb ihrer Familien vor Gewalt zu schützen: sowohl vor Gewalt in der Partnerschaft, die Kinder miterleben, als auch vor Gewalt in der Erziehung.
Fachliche Beratung
Save the Children verfügt über internationale Expertise im Bereich Kinderschutz und über Erfahrungen in der deutschlandweiten Programmarbeit. Auf dieser Grundlage wirken wir auf struktureller Ebene an Konzepten zur Verbesserung des Schutzes von Kindern in Deutschland mit und stehen Akteuren bei der Umsetzung beratend und unterstützend zur Seite. Unter anderem haben wir mitgewirkt an:
- der Erarbeitung eines einheitlichen Schulungskonzeptes für das Modellprojekt „Mobiles Schulungsteam Kinderschutz“ der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Die verbindlichen Schulungen richten sich an die Mitarbeiter*innen in Berliner Unterkünften für geflüchtete Menschen und sollen ein in Berlin einheitliches Verfahren im Kinderschutz gewährleisten. Seit November 2018 werden die Schulungen durch den Träger Wildwasser Berlin e. V. durchgeführt.
- der Erarbeitung des Leitfadens „Kinderschutz in Berliner Einrichtungen für geflüchtete Menschen“
- der Entwicklung von Arbeitshilfen und Handreichungen für Landesaufnahmebehörden in Niedersachsen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein zur Stärkung des Kinderschutzes in Erstaufnahmeeinrichtungen
- der Entwicklung und Überarbeitung der „Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“
Mitgliedschaften und Arbeitsgruppen
Nur gemeinsam können strukturelle Veränderungen erwirkt werden. Deshalb sind wir in verschiedenen Initiativen und Fachgruppen aktiv, um den Schutz von Kindern vor Gewalt und Vernachlässigung in Deutschland zu verbessern, darunter:
- die Bundesinitiative „Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).
- Mitgliedschaft in der DGfPI (Deutsche Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und -vernachlässigung)
Unser Schwerpunkt

Geflüchtete Kinder leben über sehr lange Zeiträume in einem wenig menschenwürdigen, nicht familien- und kindgerechten Umfeld. Sie sind hierbei nicht ausreichend vor Gewalt geschützt und in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe sowie ihren Entwicklungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt.
In Deutschland müssen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, in denen Kinder leben oder sich für einen Teil des Tages aufhalten, gesetzlich festgelegte Standards erfüllen, um eine Betriebserlaubnis zu erhalten. Dies umfasst beispielsweise ein vorhandenes Kinderschutzkonzept, die Qualifikation von Mitarbeiter*innen, die mit Kindern in Kontakt kommen, Möglichkeiten zur Beschwerde sowie Partizipationsoptionen für Kinder.
Diese Vorgaben gelten nicht für Unterkünfte für geflüchtete Menschen. Die Voraussetzungen für den Betrieb dieser Unterkünfte legt das jeweilige Bundesland fest. Ein einheitlicher Standard wie in der Kinder- und Jugendhilfe ist somit nicht gewährleistet. Wir machen uns dafür stark, dass bundesweit einheitliche, verbindliche Mindeststandards für Sammelunterkünfte für geflüchtete Menschen eingeführt werden, damit jedes Kind in jeder Unterkunft vor Gewalt und Vernachlässigung geschützt ist.
Um noch mehr Kinder – nicht nur aus geflüchteten Familien – besser vor Gewalt und Vernachlässigung zu schützen, werden wir unsere Arbeit künftig erweitern, zum einen im Bereich Schutz vor Gewalt innerhalb der Familie, zum anderen beim Schutz vor Gewalt unter Jugendlichen (sog. „Peer-Violence“).