Tödliche Praxis: Täglich sterben 60 Mädchen an den Folgen von Frühverheiratung
Kinderehen verstoßen gegen die Rechte von Kindern. Dennoch werden weiterhin jedes Jahr Millionen von Kindern in eine Frühverheiratung gezwungen. Gründe dafür sind vor allem Armut, soziale Ungleichheit sowie mangelnde Aufklärung über verbreitete Traditionen. Für betroffene Mädchen enden Kinderehen oft tödlich. Wir appellieren an Regierungen weltweit, die andauernde Gefahr von geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich der Frühverheiratung, zu bekämpfen.
Kinderehen sind ein weltweites Problem. Sie finden weiterhin quer durch verschiedene Kulturen, Länder und soziale Schichten statt. Vor allem Mädchen sind von frühen Zwangsehen betroffen. Laut UNICEF werden weltweit jedes Jahr zwölf Millionen Mädchen vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet.
Für viele dieser Mädchen ist ein solche Kinderehe lebensbedrohlich oder sogar tödlich. Das zeigt eine neue Analyse von Save the Children, die anlässlich des diesjährigen Weltmädchentags veröffentlicht wurde. Demnach sterben mehr als 22.000 Mädchen jedes Jahr durch zu frühe Schwangerschaften und Geburten infolge einer Frühverheiratung. Das sind etwa 60 Mädchen pro Tag.
In einigen Regionen der Welt ist der Anteil an Mädchen, die aufgrund einer Kinderehe ums Leben kommen, besonders hoch. Fast die Hälfte aller geschätzten jährlichen Todesfälle – genauer 9.600 –ereignen sich in West- und Zentralafrika. Das sind etwa 26 Todesfälle am Tag. In diesen Regionen sind frühe Zwangsehen auch am weitesten verbreitet. In Südasien sind die Zahlen ebenfalls erschreckend hoch: Etwa 2.000 Mädchen sterben hier im Jahr an den Folgen einer Frühverheiratung.
Weitere zehn Millionen Mädchen sind in Lebensgefahr
Es gibt viele Faktoren, die Kinderehen begünstigen. Oft versuchen arme Familien, ihre Töchter über eine frühe Verheiratung abzusichern. Mangelnde Bildungsmöglichkeiten für Kinder, soziale Normen und Rollenbilder und unzureichender Schutz von Kindern und ihrer Rechte sind weitere Gründe. Dazu gehört auch die weiterhin vorherrschende soziale Ungleichheit zwischen Männern und Frauen.
Zwar konnten in den vergangenen 25 Jahren Fortschritte im Einsatz gegen Kinderehen erreicht und so vermutlich bis zu 80 Millionen Kinder weltweit davor geschützt werden. Doch bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie stagnierte diese positive Entwicklung und droht nun durch ihre Verschärfung sozialer Ungleichheiten rückgängig gemacht zu werden.
Wachsende Armut, Schulschließungen und überlastete Gesundheitsdienste haben während der Lockdowns die Risiken für Frauen und Mädchen für Zwangsehen erhöht. Es wird erwartet, dass bis 2030 das Leben weiterer zehn Millionen Mädchen durch Kinderehen in Gefahr sein könnte.
Die Stimmen von Mädchen müssen erhört werden
Die gesundheitlichen Risiken für minderjährige Mädchen, die Kinder bekommen, dürfen nicht ignoriert werden, betont Inger Ashing, CEO von Save the Children International:
Deshalb rufen wir als größte unabhängige Kinderrechtsorganisation Regierungen dazu auf:
- die Stimmen aller Mädchen zu hören, indem ihr Recht auf sichere und sinnvolle Beteiligung an öffentlichen Entscheidungsprozessen unterstützt wird.
- die unmittelbare und andauernde Gefahr von geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich der Frühverheiratung, zu bekämpfen. die Rechte aller Mädchen zu garantieren, einschließlich von denen, die von sozialer Ungleichheit und Diskriminierung betroffen sind.
- die sichere und uneingeschränkte Beteiligung von Frauen als Mitarbeiterinnen in der humanitären Hilfe zu gewährleisten.
- sich der Bewegung „Generation Equality“ anzuschließen, die sich für die Umsetzung des globalen Beschleunigungsplans für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzt – mit dem Ziel, innerhalb von fünf Jahren neun Millionen Kinderehen zu verhindern.
Diese Forderungen heben wir in unserem globalen Bericht "Global Girlhood Report 2021: Girls’ rights in Crisis" hervor. Damit Kinder – vor allem Mädchen – eine Zukunft haben und ihr Leben selbstbestimmt gestalten können, müssen Kinderehen weltweit der Vergangenheit angehören.
*Name zum Schutz geändert