"Die Kämpferische" – Genozid durch die Roten Khmer (1975–1979)
Vichuta Ly hat als Neunjährige den Terror der Roten Khmer in Kambodscha erlebt. Ihr Vater wurde verhaftet, sie sah ihn nie wieder. Das neue Regime vertrieb die Familie Ly aus ihrer Heimatstadt Phnom Penh und zwang sie, auf Reisfeldern zu arbeiten, auch Vichuta. Mit 12 Jahren bildete man sie zur Kindersoldatin aus. Mehr als 1,7 Millionen Kambodschaner verloren während der Herrschaft der Roten Khmer ihr Leben. Von den 35 Angehörigen der Familie Ly überlebten nur fünf. Vichuta Ly fand eine neue Heimat in Kanada. Heute pendelt sie zwischen Kanada und Kambodscha.

Vichuta war erst 9 Jahre alt, als sie am 17. April 1975 gemeinsam mit ihrer Familie ihre Heimatstadt Phnom Penh verlassen musste. An diesem Tag übernimmt Pol Pot, Anführer der Roten Khmer, gewaltsam die Macht, um einen kommunistischen Arbeiter-und-Bauern-Staat einzuführen. Mindestens 1,7 Millionen Menschen fielen seiner fast vier Jahre dauernden Schreckensherrschaft zum Opfer. Sie verhungerten oder starben an Krankheiten, wurden auf sogenannten „Killing Fields“ erschossen oder zu Tode gefoltert.






Rastlos
Die Rote Khmer betrachtet die bürgerlichen und gebildeten Bewohner der Stadt als „Feinde der Revolution“. Vichutas Vater, Justizminister der verjagten Regierung, verschwindet bereits zu Beginn des Regimes. Die Bevölkerung der Hauptstadt wird innerhalb weniger Tage zur Umerziehung aufs Land gezwungen. Vichutas Familie irrt über drei Jahre von Ort zu Ort, muss auf Reisfeldern arbeiten oder Dämme bauen. Vichuta wird neben der erzwungenen Feldarbeit zur Kindersoldatin ausgebildet, täglich trainiert sie mit Waffenattrappen aus Holz. Von den ursprünglich 35 Mitgliedern der Familie Ly überleben nur fünf Hunger und Zwangsarbeit. Ihnen gelingt 1979 die Flucht nach Thailand. Im Flüchtlingscamp Sa Keao lernt Vichuta Anne Watts kennen, eine Krankenschwester von Save the Children. Sie nimmt Vichuta unter ihre Fittiche.
Eine lebenslange Freundschaft entsteht.

Im Camp in Thailand ist es die Begegnung mit dem kanadischen Botschafter, die Vichuta und ihrer Familie einen Weg aus der desolaten Lage öffnet. Ermutigt durch ihre Mutter schlüpft Vichuta durch die Absperrung und spricht den Botschafter auf Französisch an, das sie als gebildetes Mädchen beherrscht. Der Botschafter ist berührt vom Leidensweg der Familie. Wenige Wochen später verlässt die Familie im Rahmen eines Umsiedlungsprogramms der UN das Land in Richtung Kanada. Vichuta beendet dort die Schule und studiert Jura. Heute ist Vichuta Ly Menschenrechtsanwältin. 20 Jahre nach dem Verlassen ihrer Heimat kehrt sie regelmäßig nach Kambodscha zurück, um Frauen und Kindern in Notsituationen zu helfen.


„Hilf einem hungrigen Kind, und dann?“

Die Krankenschwester Anne Watts war jahrzehntelang im internationalen Einsatz für Save the Children, auch in Thailand. Als sie das Jugendbild von Vichuta Ly sieht, werden Erinnerungen an die erste Begegnung der beiden vor vielen Jahren wach.