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Mawla Jan Nazari erlebte die sowjetische Intervention in Afghanistan

Mawla Jan Nazari (54)
Afghanistan

"Der Empfindsame" – Sowjetische Intervention in Afghanistan (1979–1989)

Mawla Jan Nazari wuchs in einem kleinen Dorf in Afghanistan auf, rund eineinhalb Stunden entfernt von der Hauptstadt Kabul. Mit 14 Jahren erlebte er den Einmarsch der sowjetischen Armee in Afghanistan. Helikopter flogen Angriffe auf die Dörfer, um die Stellungen der widerständigen Mudschaheddin zu treffen, dabei wurden auch Zivilisten getötet. Kurz darauf flohen die Dorfbewohner nach Pakistan. Heute arbeitet der 11-fache Familienvater bei der unabhängigen Wahlbehörde Afghanistans.

Die Berge in Afghanistan
„16 Helikopter warfen Bomben auf unser Dorf. Wir flohen in die Berge und versteckten uns.“
Mawla Jan Nazaris Heimatland Afghanistan

1979 marschieren sowjetische Streitkräfte im Land ein, weil islamische Rebellengruppen, die Mudschaheddin, die von der UdSSR gestützte kommunistische Regierung in Afghanistan bekämpften. Und eines Tages kamen sie auch in Mawla Jan Nazaris Heimatdorf an. „An diesem Morgen gingen meine Brüder und ich aus dem Haus, um Maulbeeren zu pflücken“, erzählt Mawla Jan Nazari. Dann kamen die Helikopter. Es sind die Anfänge eines zehn Jahre lang schwelenden Konflikts.

Alter russischer Panzer in Afghanistan
Das Dorf aus Mawla Jan Nazaris Kindheit
Mawla Jan Nazari belasten Erinnerungen der sowjetischen Intervention
„Mein Bruder wurde mit 72 anderen Kämpfern bei Luftangriffen getötet“, sagt Mawla Jan Nazari – und bricht im nächsten Moment in Tränen aus.

Archivbild von Mawla Jan Nazari während der sowjetische Intervention

Nach dem Tod des Bruders schließt sich der 16-jährige Mawla Jan vorübergehend den Mudschaheddin an. Der empfindsame Junge lernt den Umgang mit Waffen, erwirbt aber auch Fertigkeiten als berittener Sanitäter auf einem weißen Pferd. Das Helfen wird bald seine Haupttätigkeit, weil offenbar schon damals im Zweifel das Besonnene in ihm über das Kämpferische siegt. Sonst wäre es wohl kaum zu erklären, warum er eines Tages auch einen verletzten sowjetischen Soldaten behandelt. „Ich musste nicht über Religion nachdenken oder aus welchem Land er kommt“, erklärt er. „Meine einzige Aufgabe war es, Verwundete zu versorgen und mich menschlich zu verhalten.“

 

Junge Männer in Kabul, Afghanistan
Sowjetische Panzer in Afghanistan
Graffiti auf einer Schutzwand in Kabul

Die Schrecken, die der Krieg nach sich zieht, vertreiben je nach Schätzungen drei bis fünf Millionen Zivilisten aus Afghanistan. Mawla Jan flieht mit seiner Familie an die pakistanische Grenze, nach Haripur in ein Lager. „Am Anfang hatten wir nichts“, erzählt er. Sie lebten zunächst in einem aus Ästen und Teppichen provisorisch errichteten Verschlag, bis internationale Helfer des UNHCR und von Save the ChildrenZelte zur Verfügung stellen. „Die beiden Organisationen halfen uns viel“, betont er. „Sie waren diejenigen, die ein richtiges Krankenhaus bauten. Sie gaben auch Taschen und Schulhefte für Kinder aus. Ich erinnere mich an das Logo mit dem Kind und dem roten Kreis drum herum.“

Mawla Jan Nazari, Zeitzeuge im Projekt 'Ich lebe'
Heute ist Mawla Jan Nazari ausgebildeter Logistiker, Wahlhelfer und liebender Vater von elf Kindern. „Ich bin im Krieg aufgewachsen“, sagt er, „für meine Kinder wünsche ich mir eine bessere Zukunft.“
Mawla Jan Nazari im Projekt von Save the Children
Mawla Jan Nazari und seine Kinder
Mawla Jan Nazari im Park in Kabul, Projekt Ich lebe
Luftballons während des Save the Children Jubiläums in Kabul

Afghanistan ist bis heute ein Staat voller Spannungen und Probleme. Mawla Jan möchte an der Befriedung und dem weiteren Aufbau seines Landes arbeiten. Er hat zwar sein Gewehr abgegeben– aber nicht seinen Stolz, seine Demut und seine Prinzipien. „Ich möchte meine Kinder nicht mit illegal erworbenem Geld ernähren.“ – Mawla Jan Nazari hat zum sechsten Lebensjahrzehnt eine neue Rolle für sich gefunden.

Volle Straßen in Kabul

Wichtiger als alles andere ist in meinen Augen jenes schöne Bild eines Mädchens, das unter einem dieser bunten Schirme gerade dabei ist, einen jungen, schüchternen Verkäufer zu bezaubern.

Amir Hassan Cheheltan, Schriftsteller

"Eine Straße wie alle anderen"

Straße in Afghanistan

Mit seiner Bildbetrachtung vertieft sich der iranische Schriftsteller Amir Hassan Cheheltan in das alltägliche Leben auf einer Straßenkreuzung in Kabul — und entdeckt viel Vertrautes.