Kinderleicht – Kinderstark.
Kinder stärken – Kinder schützen.
Ziel: Schutz und Beteiligung von Kindern in Kindertagesstätten
Laufzeit: März 2020 - Mai 2021
Teilnehmende: 30 Kindertagesstätten
Bundesländer: Berlin und Brandenburg
Geber: IKEA
Die Idee
Kinderrechte sind nicht nur Worte auf Papier. Sie müssen gelebt werden – im Alltag eines jeden Kindes. Kindertagesstätten spielen dabei eine wichtige Rolle. Hier finden die Mädchen und Jungen einen geschützten Raum, in dem sie sich ihrem Alter entsprechend entwickeln können. Sie sollten dort außerdem erfahren, dass sie ihre Empfindungen und Bedürfnisse jederzeit äußern und einfordern dürfen.
Das Ziel des Projekts ist es, die Fachkräfte in den Kindertagesstätten für die Kinderrechte auf Schutz und Beteiligung weiter zu sensibilisieren. Die Pädagog*innen sollen die Kinder bestmöglich unterstützen, indem sie ihnen ein sicheres Lern- und Lebensumfeld schaffen – Räume, in denen Kinder über ihre Empfindungen, Wünsche und Anliegen sprechen können.
Die Umsetzung
„Kinderleicht – Kinderstark“ setzt auf die Erfahrungen und Fragen der Fachkräfte. Von September 2020 bis Januar 2021 finden drei digitale Vernetzungsforen statt, in denen sich die Teilnehmenden zu folgenden Themen austauschen:
- Schutz und Beteiligung von Kindern
- Kinderrechte im Kita-Alltag
- Wahrnehmung von Kindern in der „Krise“
- Partizipation im Alltag
- Beschwerdekultur
Die Termine werden zielführend moderiert und durch fachliche Impulse, Vorträge und Workshops von Fachexpert*innen bereichert. Dabei steht der Praxistransfer in die eigene Kindertagesstätte im Fokus.
"Wir wollen Kindern früh zeigen, dass sie mitbestimmen können"
Ein Interview mit Marlies Körner, Leiterin der Kita "Hand in Hand" in Berlin-Marzahn über ihre Teilnahme am Projekt "Kinderleicht – Kinderstark. Kinder stärken – Kinder schützen".
Von Kathleen Fietz
Das Interview
Frau Körner, in dem Projekt "Kinderleicht – Kinderstark" konnten Sie zwischen drei Workshop-Reihen wählen. Sie haben sich für das Thema Beschwerdekultur entschieden. Warum ist Ihnen dieses Thema so wichtig?
Wir sind hier in Marzahn Mitte, einem sogenannten sozialen Brennpunkt in Berlin. Bei einigen Kinder fehlen zu Hause verlässliche Strukturen, die Eltern haben nicht immer einfache Biografien. Wir finden es deshalb sehr wichtig, dass die Kinder lernen, welch ein Glück es ist, in einem Rahmen und in Sicherheit zu leben. Wir wollen Kindern schon früh zeigen, was Demokratie bedeutet, damit sie sehen, dass sie sich beteiligen und mitbestimmen können. Und eben auch sagen können, wenn sie etwas nicht möchten.
Als wir über unseren Träger von dem Projekt erfahren haben, waren wir gerade mit den Kindern gemeinsam auf dem Weg, am Thema Beschwerdekultur zu arbeiten, haben einen Beschwerdeweg für unsere Kita entwickelt und visualisiert. Wir dachten, dass wir dieses Projekt sehr gut zur Vertiefung unserer bisherigen Arbeit nutzen können, haben uns beworben und hatten das Glück, angenommen zu werden.
Wie hat Ihnen das Projekt gefallen?
Wir fanden es wirklich toll, dass das Projekt trotz Corona stattgefunden hat. Wir waren schon skeptisch, ob das online auch gelingen würde und waren am Anfang des ersten Lockdowns noch sehr unerfahren mit Online-Formaten. Wir waren wirklich positiv überrascht. Ich fand alle Treffen sehr gehaltvoll, die Inputs waren inspirierend und die Workshop-Leitung äußerst einfühlsam. Und es war toll, dass die Teilnehmenden aus allen Ecken Berlins und sogar auch aus Brandenburg kamen. Wir haben viel gelernt, uns im Prozess auch bewusst gemacht, was wir schon geschafft haben und wohin wir in Zukunft noch wollen. Gerade in den kleineren Gruppen haben wir positives Feedback bekommen, dass wir das Thema Kinderrechte als Team, in dem alle hinter dem Projekt stehen, schon gut meistern.
Hatten Sie Erwartungen an das Projekt und haben die sich erfüllt?
Uns war die praktische Umsetzung der Beschwerdekultur ganz wichtig, also: Wie tragen wir an die Kinder heran, dass sie ihre Wünsche und Beschwerden äußern können? Das Projekt hat uns dafür viele Anregungen gegeben. Auch dafür, wie man schon mit den Kleinsten in der Kita an einer Beschwerdekultur arbeiten kann, denn auch wenn sie noch nicht sprechen können, drücken sie ja sehr wohl aus, was sie wollen und was eben nicht.
Was haben Sie durch das Projekt in Ihrer Kita konkret verändert?
Wir haben zum Beispiel einen Wunschbriefkasten eingerichtet und dafür ein Formular entwickelt, auf dem wir die Beschwerden der Kinder mitschreiben und die Kinder ein Bild dazu malen können. Was auch neu ist: Wir haben keine extra Sprechstunde für die Kinder, aber meine Tür steht meistens offen. Aber manchmal ist sie auch zu, wenn ich zum Beispiel ein Gespräch führe. Dann können die Kinder nun ihr Foto an meine Tür hängen, damit ich sehe, dass sie ein Anliegen haben. Sobald ich dann Zeit habe, sprechen wir darüber. Und wir besprechen jede Beschwerde auch im Nachgang noch einmal gemeinsam. So spüren die Kinder, dass sie mit ihren Bedürfnissen ernst genommen werden. Und wir haben gemerkt: Wir wünschen uns von den Kindern, dass sie über ihre Wünsche sprechen, aber tun wir das auch? Dann haben wir es ausprobiert und in der Dienstbesprechung alle einen persönlichen Arbeitsstolperstein benannt, also etwas, was nicht gut geklappt hat und auch etwas, was gut gelungen ist. Das hört sich klein an, hatte aber eine relativ große Wirkung. Außerdem wollen wir in Zukunft mit den Kindern noch selbstverständlicher mit Methodenvielfalt arbeiten, zum Beispiel bei den Möglichkeiten, wie Entscheidungen in der Gruppe getroffen werden können.
Und die Kinder – wie haben sie auf die Veränderungen durch das Projekt reagiert?
Sie finden den Wunschbriefkasten und das mit ihren Fotos an meiner Tür toll. Aber Kinderrechte spielen bei uns immer schon eine große Rolle. Wir besprechen Rechte mit den Kindern, damit sie diese als etwas Selbstverständliches ansehen. Sie sollen zum Beispiel wissen: Es ist mein Recht, dass ich selbst wähle, was ich esse, neben wem ich sitze und wann ich esse – in der Kita, aber auch zu Hause. Wir haben im Rahmen des Projektes Ja- und Nein-Karten bekommen, die sind für die Kinder mit Symbolen versehen: Die Ja-Karte ist grün und da springt jemand; die Nein-Karte ist rot und zeigt jemanden, der still sitzt. Als dann Corona-bedingt Eltern immer nur einzeln in die Garderobe durften, haben die Kinder vorgeschlagen, die Karten auch dafür zu benutzen. Die Karten hängen nun an der Eingangstür, damit die Eltern wissen, ob sie reinkommen können oder nicht.
Wir wollen diese Symbolsprache auch für die Kinderrechte in Zukunft noch stärker aktivieren, das Recht auf eine Mahlzeit könnte vielleicht durch eine Uhr und einen Löffel ausgedrückt werden. Es ist wichtig, die Symbole zusammen mit den Kindern zu entwickeln. Kinder haben viel mehr Fantasie und es sind ja eben ihre Symbole und sie müssen sie verstehen. Wir Erwachsenen hatten zum Beispiel für den Schutz des Kindeswohls an das Symbol eines Ritters gedacht. Damit konnten die Kinder überhaupt nichts anfangen. Sie haben eine Faust, die durchgestrichen ist, vorgeschlagen. Das hat direkt mit ihren Erfahrungen zu tun, ich wäre da nie draufgekommen.
Was hat Ihnen das Projekt gebracht – persönlich und als Leitung?
Ich mag es sehr, mich mit anderen auszutauschen und neue Methoden kennenzulernen. Ich finde es gut, ernst genommen zu werden. Der Workshop wurde sehr gut moderiert und es war in den kleinen Arbeitsgruppen sehr persönlich. Für mich als Leitung ist es das Wichtigste, dass wir dranbleiben an dem Thema und dabei hat das Projekt sehr geholfen. Wir haben viel mitgenommen, mit und an dem wir in Zukunft arbeiten wollen.
Die Kita "Hand in Hand"
In der Kita "Hand in Hand" werden 45 Kinder in Berlin-Marzahn betreut. Sie wurde 2014 vom Träger KITA-Dialog gGmbH eröffnet. Zum Team gehören sieben pädagogische Fachkräfte, zwei Auszubildende, ein Koch und die Kita-Leiterin. Die Einrichtung arbeitet altersgemischt mit einem offenen Bereich und einem Kleinkindbereich. Sie befindet sich im Erdgeschoss eines Mehrgenerationenhauses, mit der Bewohnerschaft pflegen die Kinder einen regen Austausch und Kontakt.
Am Projekt "Kinderleicht – Kinderstark. Kinder stärken – Kinder schützen" haben die Kita-Leiterin und eine pädagogische Fachkraft teilgenommen, die die Inhalte immer ins gesamte Team getragen haben. Die Kita hat nicht nur an drei Vernetzungsforen teilgenommen, sondern auch die beiden freiwilligen offenen Praxisberatungen im Projekt in Anspruch genommen.
Toolbox
Taschenguide
Save the Children Deutschland hat bereits in vergangenen Projekten zum Thema Psychosoziale Unterstützung gearbeitet. Aus diesen Projekten sind Tipps und Empfehlungen in Form eines Taschenguides entstanden.
Der Taschenguide „Kinder brauchen Stabilität. Tipps und Impulse – für pädagogische Fachkräfte“ ist hier zum kostenlosen Download verfügbar:
Emotionskarten
Während unseres Projektes „Kinderleicht – Kinderstark“ haben wir Emotionskarten vorgestellt, die besonders für Kinder eine Hilfe sein können, ihre Gefühle und Emotionen zu kommunizieren.
Oftmals können solche Karten helfen, den Gefühlszustand besser und genauer zu beschreiben - auch bei Erwachsenen. Probieren Sie es in Ihrer Kita einmal aus!
Vernetzungsforen
Hier finden Sie Informationsmaterialien zu den Themen Partizipation im Kita-Alltag, Kinder in „Krisen“ und zum Gestalten einer Beschwerdekultur in der Kita, die im Rahmen des Projekts „Kinderleicht – Kinderstark“ entstehen werden.
Expertinnen-Gespräche
Anne Ruppert, Lena Fredebold und Lena Schulten leiten die Workshop-Reihen zu den Themen Partizipation, Kinder in „Krisen“ und Beschwerdemanagement auf den digitalen Vernetzungsforen. Nach jeder Veranstaltung tauschen Sie sich zu dritt über die Inhalte ihrer Workshops und die Fragen und Diskussionen mit den Teilnehmenden aus. Dabei beleuchten sie die thematischen Überschneidungen näher und erklären, was das eine mit dem anderen zu tun hat.
Sie können dabei zuhören!
Gespräch zum 1. Vernetzungsforum
Gespräch zum 2. Vernetzungsforum
Gespräch zum 3. Vernetzungsforum
Wir schaffen Raum
Die Wirkung des Raums auf das Wohlergehen von Kindern.
Ziel: Beratung und Konzepte zur Raumgestaltung in Kindertagesstätten
Laufzeit: März 2020 - Mai 2021
Teilnehmende: 6 Kindertagesstätten
Bundesländer: Berlin und Brandenburg
Geber: IKEA Stiftung
Das Projekt „Wir schaffen Raum“ wird im Rahmen von „Kinderleicht – Kinderstark“ umgesetzt. In sechs Kindertagesstätten aus Berlin und Brandenburg wird exemplarisch erfasst und diskutiert, inwiefern die Raumgestaltung Einfluss auf das Wohlergehen und die psychosoziale Stabilität des Kindes, der Gruppe sowie auf die Kommunikation und Interaktion zwischen Kindern und Fachkräften hat. Das Projekt wird von unserem Umsetzungspartner Now&Next e.V. mit seiner Raum-Expertise als auch pädagogisch-psychologischem Wissen begleitet. Sie beraten die Modell-Kitas individuell zu ihren Räumlichkeiten und unterstützen im Veränderungsprozess.
Insbesondere legen wir in dem Projekt den Fokus auf sogenannte sensible Themen, d.h. wir möchten Räume und Gelegenheiten in Kitas schaffen, in denen Kinder ihr Unwohlsein, Kritik und Veränderungswünsche äußern können – in Form von sogenannten "Mitteilungsräumen". Dies beinhaltet sowohl Abläufe in der Kita, das Miteinander unter Gleichaltrigen, aber auch Beschwerdemöglichkeiten. Hier setzen wir an den Ideen der Kitas und den Bedarfen der Kinder an.
Wir freuen uns, Ihnen in unserer Handreichung "Orte für Worte" Praxistipps, Methoden und einen Leitfaden mitzugeben, mit denen Sie auch in Ihrer Kita Mitteilungsräume einrichten können. Fühlen Sie sich herzlich eingeladen, es auszuprobieren!
Reportage: Raum schaffen auf allen Ebenen
Was haben Kommunikation und Raumgestaltung miteinander zu tun? Wie finden Wünsche und Kritik der Kinder ihren Platz? Diese Fragen stellen sich Kitas im Projekt "Wir schaffen Raum". Eine Potsdamer Kita zeigt, wie räumliche und pädagogische Konzepte gemeinsam wirken.
Von Katharina Zink