Unsere Arbeit in Deutschland im Bereich Migration und Flucht
Weltweit sind rund 110 Millionen Menschen auf der Flucht (Stand: Oktober 2023). Laut UNICEF haben seit 2015 über zwei Millionen geflüchtete und migrierte Menschen in Deutschland Asyl beantragt - darunter mehr als ein Drittel Kinder im Alter von 0-17 Jahren. Zusätzlich wurden in Deutschland im Jahr 2022 über eine Million Schutzsuchende aus der Ukraine registriert, davon sind ca. 350.000 Kinder unter 18 Jahren. Geflüchtete aus der Ukraine müssen in Deutschland kein Asylverfahren durchlaufen.
Die meisten Kinder flüchteten aus Kriegs- und Krisengebieten wie Syrien, Afghanistan, Irak und Türkei. Allein 2022 verdoppelte sich die Zahl der unbegleiteten Kinder auf über 7.000. Die Erfahrungen, die Kinder in ihren Herkunftsländern und auf der Flucht machen, bedeuten meist extreme physische und psychische Belastung. Und auch hier sind geflüchtete Kinder vielfältigen Risiken ausgesetzt. So gibt es in Deutschland keine einheitlichen Standards zu Unterbringung und Schutz von geflüchteten Kindern. Viele von ihnen wachsen isoliert von gesellschaftlichen Strukturen auf und müssen beispielsweise lange auf einen Schul- oder Kitaplatz warten. Sowohl in Unterkünften als auch Bildungseinrichtungen fehlt es oft an geschultem Personal und Strukturen, um Kinder mit belastenden Erfahrungen zu unterstützen.
Wir setzen uns dafür ein, dass geflüchtete und migrierte Kinder sofort nach ihrer Ankunft in Deutschland ihre Rechte auf Schutz, Bildung, Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe wahrnehmen können.
Unser Ansatz
Wir engagieren uns seit 2015 in verschiedenen Projekten unmittelbar und direkt vor Ort für die Situation geflüchteter Kinder in Deutschland. Die Erkenntnisse aus den Projekten fließen in unsere politische Arbeit ein, mit der wir die Situation geflüchteter Kinder in Deutschland nachhaltig und strukturell verbessern wollen. Wir entwickeln Ansätze, Maßnahmen und Produkte, die Verantwortliche und Praktiker*innen dabei unterstützen, einen kinderrechtsbasierten Ansatz in der Arbeit mit geflüchteten Kindern zu realisieren.
Stärkung von geflüchteten Kindern durch direkte Arbeit vor Ort
Wir entwickeln und realisieren Projekte, um die Situation für geflüchtete Kinder unmittelbar vor Ort zu verbessern. Wir befragen Kinder nach gewünschten Veränderungen und basieren unsere Projektansätze auf den identifizierten Bedarfen. Gemeinsam mit geflüchteten Kindern setzen wir Mikroprojekte um, die ihre Situation direkt verbessern und sie in ihren Rechten stärken. So erzielen wir eine unmittelbare und kurzfristige Verbesserung der Situation der Kinder. Kinder stehen immer im Mittelpunkt unseres Handelns und werden als Expert*innen ihres eigenen Lebens partizipativ in die Entwicklung unserer Projekte und Maßnahmen miteinbezogen.
Qualifizierung und Vernetzung
Die Umsetzung der Kinderrechte für geflüchtete und migrierte Kinder setzt voraus, dass Verantwortliche an einem Strang ziehen und gemeinsame Lösungsansätze umsetzen. Wir vernetzen Entscheidungstragende auf kommunaler und Landesebene mit Unterkünften, Bildungseinrichtungen oder Trägerschaften der Kinder- und Jugendhilfe und Zivilgesellschaft, um Kinder beim Ankommen in Deutschland umfassend zu unterstützen.
Wir begleiten Unterkünfte für geflüchtete Menschen dabei, ihre Unterbringung kindgerecht zu gestalten. Hierfür nutzen wir in der Praxis erprobte Instrumente, um mit Kinderrechtsbrille die Qualität der Unterbringung zu evaluieren und Verbesserungen anzustoßen.
Arbeit auf politischer Ebene
Um nachhaltig und langfristig die Situation von geflüchteten und migrierten Kindern zu verbessern, engagieren wir uns auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene aktiv für politische Veränderungen. Wir machen Kinderrechtsverletzungen sichtbar, beteiligen uns an Fachdiskussionen und beraten relevante Entscheidungsträger*innen und andere Verantwortliche.
So setzen wir uns unter anderem für einheitliche und verbindliche Unterbringungsstandards für geflüchtete Menschen mit dem Fokus auf Kindern und ihren Familien ein. Ein Schwerpunktansatz stellt hierbei die Beratung von Landesregierungen dar. In ausgewählten Bundesländern bringen wir hierfür ressortübergreifend Entscheidungsträger*innen an einen Tisch, entwickeln gemeinsame Ziele und unterstützen bei der Adaptierung von Verwaltungsvorschriften, Verträgen oder Gesetzen. Die notwendigen Veränderungen aus Kinderrechtssicht speisen wir hierbei aus Erfahrungen und Erkenntnissen aus unseren Projekten.
Internationale Expertise
Wir unterstützen Kinder an allen Orten auf ihrer Flucht – in den Herkunftsländern ebenso wie in den Transitstaaten oder den Zielländern. Dabei arbeiten wir eng mit unseren internationalen Kolleg*innen aus anderen Länderorganisationen von Save the Children zusammen. Auf diese Art und Weise wissen wir um die Situation der Kinder in den Kriegs- und Krisengebieten sowie auf der Fluchtroute und können Erfahrungen, Bedarfe sowie Potenziale von Kindern und ihren Familien entsprechend bei unserer Arbeit in Deutschland berücksichtigen. So können wir zudem auf international erprobte Konzepte aus der Arbeit mit geflüchteten Kindern zurückgreifen und diese für Deutschland adaptieren.
Unsere Schwerpunkte
Damit geflüchtete Kinder in Deutschland gut ankommen, das Erlebte verarbeiten und neue Perspektiven haben können, sind Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung, das Aufwachsen in einer geschützten Umgebung und die Teilhabe an der Gesellschaft zentral. Alle Kinder wollen mit Gleichaltrigen spielen, neue Freundschaften knüpfen und einfach „Kind sein“ können. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass geflüchtete Kinder in ihren Bedürfnissen geachtet, ihren Ressourcen gestärkt und der Umsetzung ihrer Rechte unterstützt werden.
Mit unserer programmatischen Arbeit setzen wir uns für eine kindgerechte Unterbringung, psychosoziale Versorgung, Schutzstandards in Unterkünften und Zugang zu Regelsystemen für geflüchtete Kinder ein.
Kindgerechte Unterbringung
Save the Children setzt sich grundsätzlich für die dezentrale Unterbringung von geflüchteten Menschen in eigenen Wohnungen ein. In der Realität werden Kinder aber weiterhin in Sammelunterkünften untergebracht, obwohl diese oft einer kindgerechten Unterbringung und damit entwicklungsfördernder Lebensumgebung widersprechen. Teilhabe, Bildung und Zugang zu weiteren Leistungen sind abhängig von Bundesland, Kommune und der Unterkunft, in der sie leben. Verbindliche und einheitliche Standards zur Unterbringung von Kindern existieren nicht. Damit bleibt die Sicherung des Kindeswohls abhängig von vielen Variablen.
Save the Children setzt sich dafür ein, dass Kinder ihre Rechte auf Gesundheit, Bildung, Schutz und Teilhabe im Unterbringungskontext realisieren können. Dazu kooperieren wir mit Landesregierungen, um Mindeststandards für eine kindgerechte Unterbringung in Landesvorschriften und Betreiberverträgen einzuführen oder qualitativ weiterzuentwickeln. Unser Ziel ist es langfristig, einheitliche Mindeststandards für die Unterbringung geflüchteter Kinder und ihrer Familien in ganz Deutschland zu bewirken.
Psychosoziale Unterstützung
Geflüchtete Kinder haben in ihren Herkunftsländern und auf der Flucht oft stark belastende und traumatisierende Erfahrungen gemacht. Nach ihrer Ankunft in Deutschland sind sie auf ein stabilisierendes Umfeld angewiesen, das angesichts eines oft ungesicherten Aufenthaltsstatus, mangelnder Rückzugsmöglichkeiten in Unterkünften und eingeschränkten Zugangs zu Bildungseinrichtungen nur bedingt gegeben ist. Zusätzlich tragen Kinder oft die psychischen Belastungen ihrer Eltern mit und übernehmen früh ein hohes Maß an Verantwortung, beispielsweise für ihre jüngeren Geschwister. Mangelnde psychische Gesundheit wirkt sich wiederum negativ auf die Integration von Kindern in Regelsysteme wie Kindergarten oder Schule aus.
Oft ist aber der Zugang geflüchteter Kinder zu psychosozialer Versorgung, beispielsweise in psychosozialen Zentren, stark eingeschränkt. Es sind nicht genügend Plätze vorhanden oder die Infrastruktur der Unterkunft gewährleistet eine derartige Betreuung nicht. Auch fehlt es oftmals an personellen und zeitlichen Ressourcen oder an fachlicher Expertise, um Kinder in den Unterkünften psychosozial unterstützen zu können.
Wir setzen uns dafür ein, dass Kinder ihr Recht auf psychosoziale Versorgung realisieren können. Dazu nutzen wir niedrigschwellige, international erprobte Methoden der psychosozialen Unterstützung, die Fachkräfte direkt vor Ort einsetzen können, um die Resilienz von Kindern zu stärken und sie für ihren weiteren Lebensweg zu kräftigen. Diese Methoden werden gemeinsam mit Kindern und Netzwerken relevanter Verantwortlicher weiterentwickelt, in Unterkünften erprobt und über innovative Formate gestreut.
Integration in Regelsysteme
Damit geflüchtete Kinder ihr Recht auf Teilhabe realisieren können, ist ihre Integration in Regelsysteme und gesellschaftliche Strukturen zentral. Dies bedeutet Zugang beispielsweise zu regulären Bildungseinrichtungen wie Kita und Schule. Dieser Zugang zu Regelsystemen sichert die Anknüpfung an gesellschaftliche Strukturen, erleichtert das Erlernen der deutschen Sprache und die Auseinandersetzung mit neuen kulturellen Gegebenheiten. Wir setzen uns dafür ein, dass Kindern langfristig ein Zugang zu regulären Systemen der Bildung und Gesundheitsversorgung gewährleistet wird.
Laufende Projekte
Abgeschlossene Projekte
Methoden
Toolkit: Genderspezifische Unterstützung von Jugendlichen mit Fluchterfahrungen
Toolkit: Psychosoziale Unterstützung für Mädchen mit Fluchterfahrung in Deutschland
Starke Kinder in Krisenzeiten – Ein Toolkit für herausfordernde Zeiten