Bürgergeld: Wie Totalsanktionen Kinder gefährden
Die geplanten Haushalteinsparungen der Bundesregierung sehen auch Verschärfungen der Sanktionen im Bürgergeld vor. In bestimmten Fällen soll es künftig sogar möglich sein, die Auszahlung des gesamten Regelsatzes der sanktionierten Person zu streichen. Diese Totalsanktionen wirken sich nicht nur auf die Betroffenen aus, sondern auch auf ihre Kinder.
Wer ist von den Totalsanktionen betroffen?
Alle Menschen, die ein Jobangebot vom Amt nicht annehmen möchten und Bürgergeld beziehen, sollen künftig im Wiederholungsfall mit Totalsanktionen bestraft werden können. Das bedeutet konkret, dass der Regelsatz des Bürgergeldes für bis zu zwei Monate komplett gestrichen werden kann. Bei alleinstehenden Erwachsenen wären das 563 Euro im Monat. Die Kosten für Wohnung und Heizung werden weiterhin übernommen.
Potenzielle Gefährdung von Kindern
Leidtragende dieser Totalsanktion wären nicht nur Erwachsene, sondern auch minderjährige erwerbsfähige Leistungsberechtigte sowie Kleinkinder, die dem Arbeitsmarkt richtigerweise nicht zur Verfügung stehen. Kinder haben keinerlei Einfluss auf das leistungsmindernde Verhalten ihrer Eltern oder Erziehungsberechtigten und können deren Leistungsminderungen nicht mit eigenem Zutun abwenden oder durch Zuverdienst ausgleichen. Auch wenn ihr eigener Regelbedarf bei den Sanktionen nicht betroffen ist, wirkt sich jeder Euro weniger in der Haushaltskasse auch auf sie aus. Hierdurch sind, zumindest potenziell, fast 2 Millionen Kinder in Bedarfsgemeinschaften im Bürgergeld-Bezug betroffen. Rund 1,7 Millionen davon sind im nicht erwerbsfähigen Alter (unter 15).
Gefährliches Narrativ der ‚Faulen Arbeitslosen‘ wird genährt
Mit der Einführung der Totalsanktionen wird außerdem das Vorurteil bedient, dass Arbeitslose zu faul zum Arbeiten seien. Doch die allermeisten arbeitslosen Erwerbsfähigen tun alles dafür, um ihren Leistungsbezug schnellstmöglich zu beenden. Statistiken zeigen, dass 95-98 Prozent der Menschen mit Bürgergeld überhaupt nicht sanktioniert werden. Sie stehen z. B. dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil sie krank sind, oder verdienen in ihrem Job so schlecht, dass sie ihr Gehalt ‚aufstocken‘ müssen.
Sozialverbände wie die Diakonie oder Tacheles e.V. befürchten, dass die Totalsanktionen vor allem die Menschen treffen wird, die psychische Probleme haben, nicht gut Deutsch sprechen oder nicht ausreichend lesen und schreiben können.
Unabhängig davon hat jedoch jedes einzelne Kind gemäß UN-Kinderrechtskonvention dieselben Rechte auf gesundes Aufwachsen, unabhängig von seinen Eltern.
So können sich Totalsanktionen auf Kinder auswirken:
Wir warnen:
Kinderrechte enden nicht im Bürgergeld. Der Bundestag muss die Gefährdung für Kinder durch Totalsanktionen verhindern.
Eric Großhaus, Advocacy Manager Kinderarmut und Soziale Ungleichheit bei Save the Children Deutschland
1. Kein Geld für Essen
Schon jetzt ist eine gesunde Ernährung für armutsbetroffene Kinder kaum möglich, weil es schlicht zu teuer ist. In den Regelsätzen des Bürgergeldes sind je nach Alter nur etwas mehr als 4 Euro bis etwa 7 Euro pro Tag für die Ernährung des Kindes vorgesehen. Fällt innerhalb eines Haushaltes ein kompletter Regelsatz weg, wird es noch schwieriger, sich gesund zu ernähren und die Gefahr der Mangelernährung für Kinder nimmt zu.
2. Kein Geld für Strom
Der Regelsatz enthält auch die Kosten für Strom. Wenn der Anteil eines Elternteils für zwei Monate fehlt, wird es schwer, die Stromkosten zu zahlen. Es drohen Schulden beim Anbieter und schlimmstenfalls das Abstellen des Stroms.
3. Mögliche psychosoziale und gesundheitliche Folgen
Die psychosozialen und gesundheitlichen Folgen von Sanktionen auf Kinder sind immer noch nicht hinlänglich erforscht. Eine Kindeswohlgefährdung und negative Konsequenzen auf ihre Entwicklung können nicht ausgeschlossen werden. Klar ist auch: Kinder von sanktionierten Arbeitslosen drohen noch weiter abgehängt zu werden.
Gefährliche Spirale aus Vorurteilen
Für uns steht fest: Die niedrigen Löhne der einen dürfen kein Argument dafür sein, andere in die Armut zu treiben. Die Würde aller Menschen und daraus abgeleitet das menschenwürdige Existenzminimum sind unantastbar – ob mit oder ohne Job, ob jung oder alt. Gesellschaftliche Gruppen dürfen nicht länger gegeneinander ausgespielt werden und der gefährlichen Spirale aus Vorurteilen gegenüber Bürgergeld-Beziehenden und ihren Kindern muss enden.
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Kinderarmut in Deutschland geht uns alle an und ist real. Wir fordern Chancengleichheit für alle Kinder. Setzen auch Sie sich gegen Kinderarmut in Deutschland ein und unterzeichnen Sie unsere Petition.