Verheerend: 20 Millionen Kinder leben in der EU in Armut
Immer mehr Familien in Europa rutschen in Armut ab. Die Zahl der Kinder, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, stieg im Jahr 2021 auf 19,6 Millionen – das ist jedes vierte Kind in Europa. In Deutschland betrifft es jedes fünfte Kind. Dies zeigt der neueste Report „Kindern eine Zukunft garantieren“, welcher die Kinderarmut in zehn EU-Staaten, darunter Deutschland, sowie in vier weiteren europäischen Ländern untersucht.
Die Zahlen des Berichts spiegeln bei weitem nicht den vollen Umfang an negativen Folgen der derzeit multiplen Krisen wider. Durch die COVID-19-Pandemie, Inflation bzw. die aktuelle Lebenshaltungskostenkrise und den Klimawandel werden nicht nur die Rechte der Kinder immer weiter eingeschränkt, sondern auch ihr psychisches und physisches Wohlergehen ist gefährdet. Denn Kinderarmut wirkt sich auf jeden Aspekt des Lebens eines Kindes aus: Auf seine Bildung, soziale Teilhabe sowie persönliche und berufliche Entwicklung. Besonders betroffen sind Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen, etwa Migrant*innen oder Geflüchtete, Kinder mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung, Angehörige ethnischer Minderheiten oder Kinder mit einem alleinerziehenden Elternteil.
Unterstützung durch die Europäische Kindergarantie
Mit der Einführung der Europäischen Kindergarantie setzt die EU jedoch nun einen neuen Impuls zur Stärkung von Kinderrechten. Als erstes politisches Instrument zielt es explizit darauf ab, Benachteiligung und Ausgrenzung in der Kindheit zu bekämpfen und den generationsübergreifenden Kreislauf armutsgefährdeter Kinder zu durchbrechen. Entsprechend sind die EU-Mitgliedstaaten angehalten, armutsgefährdeten Kindern kostenlosen Zugang zu hochwertiger frühkindlicher Bildung und Betreuung, kostenlosen Unterricht und schulische Aktivitäten, mindestens eine gesunde Mahlzeit pro Schultag, Gesundheitsversorgung, angemessenen Wohnraum und gesunde Ernährung zu bieten. Der Nationale Aktionsplan von Deutschland zur Umsetzung der EU-Kindergarantie liegt bislang noch nicht vor.
Kinderarmut ist kein abstraktes Phänomen, sondern hat direkte Auswirkungen auf Lebensqualität, Gesundheit und Zukunft von Menschen, die gerade erst heranwachsen. Deswegen ist die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans und eine solide Politik für den Schutz von Kindern dringender denn je.
Die Bundesregierung sollte vor diesem Hintergrund:
- die Kindergrundsicherung ambitioniert umsetzen. Dazu gehören eine Neuberechnung des Existenzminimums für Kinder genauso wie die Bündelung und Vereinfachung des Zugangs.
- das Instrument der EU-Kindergarantie nutzen und einen umfassenden nationalen Aktionsplan verfassen, umsetzen und monitoren.
- sicherstellen, dass Grundsicherungsleistungen (insbesondere SGB II/Bürgergeld) bis zur Umsetzung der Kindergrundsicherung den Bedürfnissen von Kindern gerecht werden, vor allem was die Höhe der Geldleistungen und deren Berechnung betrifft. Auch für Erwachsene müssen die Regelsätze ausreichend sein, denn Kinderarmut ist zumeist Familienarmut.
- arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Vermeidung von Armut verbessern - im Sinne eines besseren Zugangs zu existenzsichernder Beschäftigung.
- darauf hinwirken, dass flächendeckend bezahlbare Sozialtarife für öffentliche Verkehrsmittel eingeführt werden, um Kinder und ihre Familien finanziell zu entlasten und ihre Teilhabe zu steigern. Zum Beispiel durch Ermäßigungen auf das sogenannte Deutschlandticket.
Eine deutsche Übersetzung des Reports kann hier heruntergeladen werden. Der englische Bericht ist hier zu finden.