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Kinderarmut in DeutschlandPublisher Save the Children21.07.2023Kinderarmut in Deutschland

Kinderarmut: eine kollektive Katastrophe

In Deutschland leben rund 2,8 Millionen Kinder in Armut. Für eines der reichsten Länder der Welt sind das exakt 2,8 Millionen Kinder zu viel. Wenn wir als Kinderrechtsorganisation von Kinderarmut sprechen, denken noch immer zu viele Menschen in Klischees. Fehlende Markensachen oder ein ausbleibender Gang ins Restaurant seien ja zu verkraften, so die Kritiker*innen. Die Assoziationen könnten nicht ferner ab der bitteren Realität liegen.

Kind mit Knete in der Hand (posed by a model) © John Owens / Save the Children

In Deutschland reichen die vorberechneten Tagesätze für Ernährung in der Grundsicherung nicht für eine gesunde und ausgewogene Kinder-Ernährung. Besonders für Kinder unter fünf Jahren können Ernährungsdefizite zu irreversiblen Schäden in der Entwicklung, chronischen Krankheiten, Wachstumsstörungen des Gehirns, Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung oder Sprach- und Sprechstörungen führen. Familien, die in dieser katastrophalen Ausgangslage leben, trifft nun eine weitere harte Realität: die Inflation. 

Soziale Ungleichheit nimmt rasant zu



Inflation auf Rekordhoch

Zwischen 2000 und 2019 lag die Teuerung der Lebensmittel bei durchschnittlich 1,5 Prozent. Von November 2021 zu November 2022 stieg diese auf sagenhafte 21,1 Prozent. Auch das Bürgergeld der aktuellen Regierung schafft keine Besserungen für diese Familien. Gegenwärtig ist es eher eine Art Inflationsausgleich, der die Betroffenen auf dem Level stagnieren lässt, das gesundes Aufwachsen und eine Teilhabe an unserer Gesellschaft schon vorher kaum möglich machte.

Wir von Save sind nicht die einzigen, die Alarm schlagen, denn das Problem der sich zunehmend öffnenden Schere zwischen Arm und Reich betrifft jeden und jede einzelne Bürger*in, ob aktuell in Armut lebend oder nicht, hier in Deutschland und weltweit. Eine kürzlich von Oxfam veröffentlichte Studie zeigt die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen auf. Während ein sehr kleiner Prozentsatz von Bürger*innen innerhalb der – wie die Vereinten Nationen es nennen: größten Lebenshaltungskostenkrise des 21. Jahrhunderts – extreme Profite machte, wird der Großteil der Bevölkerung, immer ärmer. 81 Prozent des Vermögenszuwachses der Krisenjahre 2020 und 2021 sind an das ohnehin schon reichste Prozent der deutschen Bevölkerung gegangen. Weltweit leben 1,7 Milliarden Arbeitnehmer*innen und ihre Familien in Ländern, in denen die Inflation größer als die Lohnentwicklung ist.


Gegen Kinderarmut hilft Geld

Systematische Ungleichheit kann und muss durch politische Instrumente abgefangen werden – damit jedes Kind die Chance auf ein gesundes Aufwachsen und freie Entfaltung seiner Potenziale bekommt. Auch bisher finanziell stabile Familien rücken durch die derzeit multiplen Krisen - von Pandemie bis Klimakatastrophe - und den Anstieg der Lebenshaltungskosten, europaweit erstmals in ein erhöhtes Armutsrisiko. Darunter besonders Kinder in alleinerziehenden Familien, kinderreichen Familien, Familien, die einer sogenannten ethnischen „Minderheit“ angehören oder bei denen Behinderungen vorliegen. Die aktuellsten amtlichen Zahlen aus dem Jahr 2021 zeigen eine Armutsgefährdungsquote von 20,8% für die in Deutschland lebenden Kinder.

Unterstützung für akut betroffene Familien

Eine Möglichkeit zur Gegensteuerung ist die Erhöhung von Sozialleistungen, um sicherzustellen, dass Familien, die akut von Armut betroffen sind, genug Geld haben, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. Für Deutschland schlagen wir folgende Maßnahmen vor:

  • Eine weitere Erhöhung der Grundsicherungsleistungen mit einer Neuberechnung eines teilhabesichernden Existenzminiums (SGB II, SGB XII, AsylbLG).
  • Die Umsetzung eines flächendeckend kostengünstigen ÖPNV durch vergünstigte „Deutschlandtickets“.
  • Die Ambitionierte und schnelle Umsetzung der EU-Kindergarantie und der Kindergrundsicherung im Rahmen einer ganzheitlichen Armutsbekämpfung.
  • Die Evaluierung der Entlastungspakete mit besonderem Augenmerk auf ihre Wirkung für Kinder in einkommensarmen Haushalten.

Kinder brauchen eine Chance

Die Lebenshaltungskostenkrise ist eine Kinderrechtskrise. Wir müssen uns deshalb bewusst sein, dass Kinderarmut kein abstraktes Phänomen ist, sondern direkte Auswirkungen auf Lebensqualität, Gesundheit und Zukunft von Menschen hat, die gerade erst heranwachsen. Diese Kinder haben eine echte Chancen verdient, vollumfänglich am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Daher müssen die Antworten der Politik ambitioniert und zielgenau Kinder in den Blick nehmen, die auf eben diese sozialpolitische Unterstützung dringend angewiesen sind. Weitere Informationen zu dem Thema finden Sie auch in unserem Positionspapier

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