Kinder bestätigen: Corona-Lockdown hat negative Folgen für ihre mentale Gesundheit
In einer neuen Analyse von Save the Children wurden mehr als 13.000 Kinder in 46 Ländern zu ihrer mentalen Gesundheit vor und nach den weltweiten Corona-Lockdowns befragt. Eine Mehrheit gab an, zunehmend unter negativen Gefühlen und Angststörungen zu leiden. Am heutigen Welttag für psychische Gesundheit fordern wir alle Regierungen auf, dem mentalen Wohlbefinden von Kindern in und nach der Covid-19-Pandemie Priorität einzuräumen.
In fast allen Ländern der Welt waren Kinder während der Covid-19-Pandemie in irgendeiner Form von einem Lockdown und damit von Schulschließungen betroffen. Durchschnittlich haben sie seit Beginn der Pandemie in 2020 etwa 184 Tagen entweder unter gesetzlichen Schließungen oder Einschränkungen leben müssen. Das sind im Schnitt 184 Tage, an denen Kinder weltweit großen Belastungen ausgesetzt waren: Etwa durch das Lernen von zu Hause, dem fehlenden Anschluss zu digitalen Lernmethoden oder ihren Freund*innen in der Schule.
96 Prozent der Kinder melden einen Zuwachs an negativen Gefühlen
Dieser Zustand wirkt sich zwangsläufig auf ihre Psyche aus. Wie stark, zeigen die Umfrageergebnisse einer neuen Analyse von Save the Children. Dafür wurden mehr als 13.000 Kindern in 46 Ländern befragt. 83 Prozent der Kinder berichteten von einem Anstieg negativer Gefühle aufgrund der Pandemie. Nachdem Schulen bereits über 17 Wochen geschlossen waren, nahmen diese Gefühle bei der Mehrheit der Kinder – etwa 96 Prozent – noch einmal zu. Dazu gehört ein besorgniserregender Zuwachs an Fällen von Depressionen, Angstzuständen, Einsamkeit, und sogar von Selbstgefährdung.
Die Analyse stützt auf Daten des “Oxford COVID-19 Government Response Tracker“. Über dieses Messinstrument wurden systematisch Informationen über die Maßnahmen, die Regierungen seit 2020 in Reaktion auf die Pandemie ergriffen haben, gesammelt.
"Wir befinden uns in einer globalen psychischen Gesundheitskrise! Benachteiligte Kinder, etwa solche, die in Armut leben, bekommen den Lockdown besonders spüren", betont Marie Dahl, Leiterin des Bereichs psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung von Save the Children.
Soziale Interaktionen und wichtige Routinen der Kinder wurden gestört
In einkommensstarken Ländern wie Kanada mussten einige Kinder insgesamt 13 Monate oder 402 Tage lang zu Hause zu bleiben. In Europa waren es im Durchschnitt neun Monate. In Indien, wo mehr als 448.000 Covid-19-Tote verzeichnet wurden, verbrachten Kinder mindestens 100 Tage zu Hause.
Unabhängig von diesen Abweichungen kam es für Kinder an jedem Ort der Welt im Homeschooling zu einer erhöhten Bildschirmzeit und mehr Zeit alleine zuhause. Beides kann negative Folgen für Kinder haben. Aber auch die Unregelmäßigkeit des Online-Unterrichts hat wichtige Routinen im Alltag der Kinder gestört. Das wiederum wirkt sich auf soziale Interaktionen von Kindern, aber auch auf ihren Schlaf und ihr Wohlbefinden aus.
Um die psychische Gesundheit von Kindern zu unterstützen, richtete Save the Children kostenlose psychosoziale Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche in vielen Ländern weltweit ein. Bei einer dieser Anlaufstellen in Indien gingen allein in diesem Jahr mehr als 2.900 Anrufe ein. Stress, Angst aber auch das Gefühl von Unterforderung sowie die Ungewissheit über die Zukunft gehören zu den häufigsten Anliegen, die bei der Beratungsstelle eingegangen sind.
Der 18-jährige Rajesh aus Nepal wandte sich ebenfalls an Save the Children, nachdem er während des Lockdowns mit Gefühlen von Wut und Schlafmangel zu kämpfen hatte. Seine Schule konnte keinen Online-Unterricht durchführen, und als er versuchte, seine Wohnung zu verlassen, wurde er aufgrund der Ausgangssperre von der Polizei aufgehalten.
Durch die Betreuung schöpfte Rajesh wieder neuen Mut und hat gelernt, mit seinen Angststörungen besser umzugehen.
Kinder haben ein Recht auf mentale Gesundheit
Trotz dieser alarmierenden Raten psychischer Erkrankungen unter Kindern und Jugendlichen weltweit haben Regierungen zu wenig in die entsprechende Gesundheitsversorgung investiert. Das führt dazu, dass in Industrieländern bis zu 50 Prozent der psychischen Erkrankungen unbehandelt bleiben. In den Entwicklungsländern sind es sogar zwischen 76 Prozent und 85 Prozent.
Deshalb fordern wir alle Regierungen auf, der psychischen Gesundheit, dem Wohlbefinden und dem geregelten Lernen von Kindern während und nach der Covid-19-Pandemie Priorität einzuräumen und in sie zu investieren. Zudem muss das Wohlbefinden und die mentale Gesundheit von Kindern als ihr Recht anerkannt werden. Dafür müssen auch Stigmatisierung und Menschenrechtsverletzungen von Kindern mit psychischen Erkrankungen entgegengewirkt werden.