Krisenchat-Angebot für Kinder und Jugendliche aus der Ukraine
Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs mussten viele Familien ihre Heimat verlassen – sie suchten etwa in Nachbarländern und in Deutschland Schutz. Dank der großen Spendenbereitschaft können wir seit Sommer konkrete Projekte umsetzen - auch zur psychosozialen Unterstützung. Eine Maßnahme ist die Zusammenarbeit mit 'krisenchat Ukrainian'. Was genau das Chat-Angebot leistet und wie Kinder, Jugendliche und Familienangehörige die Beratung nutzen können, das erklärt in diesem Interview Max Herold, Projektleitung Förderprojekte im Bereich psychosoziale Unterstützung für Kinder und Jugendliche.
Warum und von wem wurde das Projekt 'krisenchat Ukrainian' ins Leben gerufen?
Max Herold: Krisenchat Ukrainian wurde am 1. März 2022, eine Woche nach Ausbruch des Angriffskrieges gelauncht – und zwar mit dem Ziel, möglichst vielen Betroffenen mittels psychologischer Online-Beratung zu helfen. Vorbild dafür war die bereits erfolgreiche deutsche krisenchat Plattform, welche im Frühjahr 2020 während des Corona-Lockdown entstanden ist, um jungen Menschen mentale Entlastung und Unterstützung anzubieten. Momentan bestehen beide Teams um die beiden Co-Founder Melanie Eckert und Kai Lanz aus rund 80 Angestellten und mehr als 350 Ehrenamtlichen.
Warum beteiligt sich SCDE – neben anderen Organisationen wie etwa terres des hommes - an diesem Projekt?
Max Herold: Psychosoziale Angebote, welche speziell auf die Bedarfe von Kindern eingehen, stehen bislang nicht ausreichend zur Verfügung. Hinzu kommt, dass geflüchtete Kinder und Jugendliche einen besonders hohen Bedarf an psychosozialer Unterstützung haben, da sie oftmals einer Vielzahl traumatischer Erlebnisse ausgesetzt sind. Dazu gehören etwa Flucht- und Kriegserlebnisse, Verlust von Familienangehörigen, Freunden und Heimat. Niedrigschwellige psychosoziale Versorgungsangebote wie von krisenchat Ukrainian können hier mentale Entlastung schaffen und etwa eine Chronifizierung von Belastungs-Symptomen verringern helfen.
Dabei ist es jedoch wichtig zu betonen, dass die individuellen Ressourcen verschieden sind, solche Erlebnisse zu verarbeiten. Nicht alle traumatischen Erlebnisse werden automatisch zu psychischen Erkrankungen führen. Expert*innen aus dem psychosozialen Bereich verweisen jedoch darauf, dass psychische Erkrankungen, wie beispielsweise Depressionen, mit einer größeren Häufigkeit bei geflüchteten Kindern und Jugendlichen auftreten als bei Kindern und Jugendlichen ohne Fluchterfahrung.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit krisenchat konkret aus?
Max Herold: Save the Children Deutschland unterstützt krisenchat Ukrainian finanziell, um mehr Beratungen und eine bessere Weitervermittlung in andere Unterstützungsangebote zu ermöglichen. Darüber hinaus stehen wir krisenchat mit unserer Expertise in Kinderrechtsfragen und institutionellem Kinderschutz beratend zur Seite. Zusammen stellen wir sicher, dass krisenchat ein sicheres Angebot für Kinder bleibt. Dazu gehören zum Beispiel die Einrichtung von Meldewegen und die Erstellung von Materialien, welche die Hilfesuchenden Chatter*innen über ihre Rechte und den Kinderschutz bei krisenchat informieren.
Wie wird die Qualität des Angebots gesichert?
Max Herold: Die wissenschaftliche Auswertung des Angebots ist krisenchat sehr wichtig. Einerseits besteht sie darin, nach der ersten Beratung ein vertrauliches Feedback abzugeben und über gesonderte Email-Adressen Rückfragen zum Datenschutz zu ermöglichen oder sich beschweren zu können. Hilfesuchende geben momentan in über 90 % der Fälle an, dass ihnen die Beratung geholfen hat. Andererseits wird die Wirksamkeit von krisenchat Ukrainian momentan in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig, der IPU Berlin und der Charité – Universitätsmedizin Berlin im Rahmen eines durch das Bundesministerium für Gesundheit geförderten Evaluationsprojektes untersucht.
Was sind die Ziele für 'krisenchat Ukrainian' und unsere Kooperation mit diesem Partner?
Max Herold: Bis Ende 2023 haben wir uns große Ziele gesetzt. Wir wollen mit unserer Unterstützung 12.000 Beratungen ermöglichen und die Netzwerkarbeit von krisenchat Ukrainian stärken und damit eine verlässliche Weitervermittlung in lokale Anlaufstellen in Deutschland und der Ukraine ermöglichen. Darüber hinaus unterstützen wir den Aufbau eines Spezialteams mit dem Fokus auf Kindeswohlgefährdung und Suizidalität. Dazu sind unter anderem Weiterbildungen, die Erarbeitung von Leitfäden und auch Notfallplänen geplant.