Neuer Bericht: Wenn sexuelle Gewalt zur Kriegswaffe gegen Kinder wird
Es sind erschütternde Zahlen, die der neue Bericht "Weapon of War: Sexual Violence against Children in Conflict" von Save the Children zutage fördert. Demnach ist jedes sechste Kind in Konfliktregionen weltweit sexueller Gewalt durch bewaffnete Gruppen ausgesetzt. Der systematische Einsatz sexueller Gewalt als Kriegswaffe gegen Kinder ist ein grausames Verbrechen und muss mit allen Kräften bekämpft werden.
Triggerwarnung: Dieser Artikel beinhaltet sensible Inhalte, die im Zusammenhang mit sexueller Gewalt stehen.
Derzeit leben etwa 426 Millionen Kinder weltweit in Krisen- und Konfliktregionen. Krieg, Flucht und Existenznöte prägen ihre Kindheit. Der neue Bericht von Save the Children "Weapon of War: Sexual Violence against Children in Conflict" offenbart, dass 17 Prozent dieser Kinder – also etwa 72 Millionen – zusätzlich zu dieser ohnehin lebensbestimmenden Kriegserfahrung sexuelle Gewalt durch bewaffnete Gruppen erleiden. Damit ist das Risiko für Kinder, sexuelle Gewalt in Konflikten zum Opfer zu fallen, 2019 fast zehnmal höher als noch 1990.
Sexuelle Gewalt als Kriegswaffe
Die Länder, in denen Kinder derzeit dem größten Risiko sexueller Gewalt ausgesetzt sind, leiden zum Teil unter jahrzehntelangen Kriegen und Konflikten: der Irak, der Jemen, Kolumbien, Somalia, der Südsudan und Syrien. Der Syrienkrieg wütet seit nunmehr zehn Jahren, der Jemen befindet sich seit sieben Jahren im Kriegszustand. Kinder, die unter solchen Bedingungen aufwachsen, kennen oft nichts anderes als den Krieg. Die Erkenntnis, dass Millionen von ihnen zusätzlich sexuelle Gewalt erfahren, überschreitet die Grenzen menschenunwürdiger Grausamkeit endgültig.
Zu diesen Formen sexueller Gewalt gehören etwa Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Zwangsprostitution, erzwungene Schwangerschaft sowie Abtreibung, Zwangssterilisation, sexueller Missbrauch und sexuelle Folter durch bewaffnete Gruppen, Regierungstruppen oder Strafverfolgungsbehörden.
Sexuelle Gewalt wird verstärkt als Kriegswaffe gegen Kinder und andere Zivilist*innen eingesetzt, um sie zu terrorisieren, Angst und Einschüchterung zu verbreiten, sowie um politische und militärische Vorteile zu erlangen. Zudem kommt sie oft systematisch zum Einsatz, wenn es darum geht, eine ethnische Minderheit zu demütigen oder zu vertreiben, oder um Zivilist*innen wegen mutmaßlicher Unterstützung gegnerischer Kräfte zu bestrafen.
Sexuelle Gewalt: Das Schweigen und damit das Stigma brechen
Die Vereinten Nationen (UN) registrieren Gewaltvorkommen weltweit. Seit 2006 wurden mehr als 20.000 Fälle konfliktbezogener sexueller Gewalt gegen Kinder durch die UN ermittelt. Ihr jüngster Bericht zählte 749 bestätigte Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder allein im Jahr 2019. Davon wurden 98 Prozent an Mädchen begangen. Doch die Gewalt gegen Jungen nimmt ebenfalls zu. Zudem haben sich die Delikte sexueller Gewalt, die staatlichen Kräften zugeschrieben werden können, gegenüber 2018 fast verdoppelt.
Doch wie der Bericht von Save the Children "Weapon of War: Sexual Violence against Children in Conflict" nun zeigt, dürften diese gemeldeten Fälle sexueller Gewalt an Kindern in Konflikten nur ein Bruchteil des tatsächlichen Ausmaßes sein. Denn oft werden Überlebende von Gewalt durch den Mangel an Informationen und Anlaufstellen daran gehindert, solche Verbrechen auch zu melden. Gesellschaftliche Stigmata und die Angst vor Ausgrenzung und Abweisung halten Betroffene ebenfalls oft davon ab, Täter*innen zu benennen. Obwohl Kinder besonders schutzbedürftig sind, fallen sie oft als erstes durch bestehende Sicherheitsnetze.
Kinderrechte stärken und Täter*innen zur Rechenschaft ziehen
Um diese schwerwiegenden Verstöße gegen die Menschenwürde und Rechte von Kindern zu bekämpfen, müssen Staats- und Regierungschefs, Expert*innen, Geberländer, Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen ihre Kräfte bündeln. Zudem fordert Save the Children die Weltgemeinschaft dazu auf, Kinder in den Mittelpunkt aller internationaler Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt in Konflikten zu stellen. Das beinhaltet auch, Programme zu fördern, die ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit und Bedürfnisse gerecht werden.
Zudem müssen die Strafverfolgung von Täter*innen weltweit verstärkt und besser koordiniert, sowie entsprechende Gesetze zum Schutz von Kindern in Konflikten durchgesetzt werden.
Save the Children wird weiterhin mit Kindern arbeiten, die von sexueller Gewalt in humanitären Krisen betroffen sind, um sicherzustellen, dass sie Zugang zu jeder möglichen Unterstützung erhalten, einschließlich psychosozialer Betreuung.