"Die Menschen sind mit Leib und Seele dabei, Kindern zu helfen."
Unser Geschäftsführer, Florian Westphal, hat Mitte Februar eine Reise nach Rumänien und in den Westen der Ukraine unternommen, um zwei Jahre nach Beginn der Ausweitung des Konfliktes einen Eindruck von der Situation ukrainischer Kinder zu bekommen. Er berichtet vom Alltag in Luftschutzkellern, psychosozialer Beratung am Smartphone und großer Hilfsbereitschaft.
Vor welchen Herausforderungen stehen Kinder und ihre Familien in der Ukraine zwei Jahre nach Beginn der Ausweitung des Konfliktes?
Florian Westphal: Es gibt kein Kind in der Ukraine, das nicht von diesem Konflikt betroffen ist. Da denkt man zuerst an die Kinder, die in Regionen leben, in denen gekämpft wird. Das sind Kinder, die sich oft vor Luftangriffen in Kellern in Sicherheit bringen müssen, die dort viele Stunden zubringen und sich große Sorgen machen um Familie und Freunde und traumatische Erlebnisse durchmachen. In der Region, wo ich während meiner Reise war, im Westen der Ukraine, ist es relativ sicher. Und trotzdem sind auch dort die Kinder direkt betroffen. Insbesondere wenn sie aus anderen Landesteilen in den Westen der Ukraine geflohen sind. Sie müssen mit dem, was sie erlebt haben, mit der Flucht, mit dem Verlust der vertrauten Umgebung, mit der Angst um ihre Liebsten zurechtkommen. Oft sind die russischsprachigen Binnenvertriebenen aus dem Osten und Süden mit dem Ukrainischen als einer neuen Sprache konfrontiert.
Was beschäftigt die Kinder und Familien, die in Nachbarländer geflohen sind?
Florian Westphal: Wir hatten während unserer Reise die Chance, in Rumänien, in Bukarest, die Arbeit von Save the Children Rumänien für geflüchtete Kinder aus der Ukraine kennenzulernen. Es ist schwer für geflüchteten Familien zu entscheiden, wie sie sich orientieren. Das heißt: Lernt mein Kind jetzt Rumänisch und versuchen wir es in der rumänischen Schule einzuschulen? Oder bleiben wir bei der ukrainischen Online-Beschulung, weil wir bald zurückkehren können? Das sind schwere Entscheidungen. Was Save the Children hier bieten kann, ist beispielsweise eine Möglichkeit, Hausaufgaben zu machen, Rumänisch- oder Englisch-Kurse zu belegen oder psychosoziale Beratung zu bekommen – und einfach mal wieder Kind sein zu dürfen. Es hat mich wirklich sehr beeindruckt, wie die Kolleg*innen in Rumänien mit viel Herz dabei sind, den Kindern diese Möglichkeiten zu eröffnen und sich gleichzeitig um die Eltern zu kümmern.
Was war das Ziel der Reise?
Florian Westphal: Im Zuge des furchtbaren zweijährigen Jubiläums wollten wir auf die Situation ukrainischer Kinder aufmerksam machen. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass gerade die Kinder, die in friedlicheren Gebieten leben, nicht vergessen werden und wir dort viel erreichen können, zum Beispiel beim Thema Zugang zu Bildung. Wir müssen bereit sein, diesen Kindern auch die Sicherheit zu geben, dass man sie längerfristig unterstützt. Der Prozess, mit dem Erlebten umzugehen und zu verarbeiten, braucht Zeit und Sicherheit. Und ich wollte deswegen auch unsere Kolleg*innen vor Ort in ihrer Arbeit bestärken, weil sie so wichtig ist, zusätzlich zu der Nothilfe, die in den Konfliktgebieten gebraucht wird.
Gibt es ein Erlebnis, das dich auf der Reise besonders bewegt hat?
Florian Westphal: Es gab tatsächlich sehr viele Erlebnisse, die unheimlichen Spaß gemacht haben. Wir waren zum Beispiel in einem digitalen Lernzentrum. Da war ein etwa 10-jähriger Junge, der mit einem Zeichenprogramm am Computer gearbeitet hat. Er wollte mir unbedingt eine Pizza malen und hat so konzentriert gemalt und korrigiert, dass am Ende ein großer Pizzakarton mit einem sehr kleinen Pizzastück in der Mitte übrigblieb. Ich war auch sehr berührt von der Ernsthaftigkeit und Leidenschaft unserer Kolleg*innen und lokalen Partner. Wir haben zum Beispiel eine Schuldirektorin getroffen, die seit zwei Jahren keinen Tag Urlaub gemacht hat. Oder die Leiterin einer Einrichtung für Kinder mit Behinderungen, die uns voller Begeisterung gezeigt hat, was baulich schon alles verändert wurde an einem Gebäude, damit es zugänglich wird für Kinder mit Rollstühlen. Das haben wir auch finanziell unterstützt. Die Menschen, die wir getroffen haben, sind mit Leib und Seele dabei, Kindern zu helfen. Das war inspirierend.
Psychosoziale Unterstützung für Kinder aus der Ukraine
Bei der Förderung von Kinder- und Jugendangeboten im Bereich psychosoziale Unterstützung arbeiten wir in Deutschland mit vielen wichtigen Partner*innen zusammen:
- Krisenchat Ukrainian
- PSZ Sachsen-Anhalt/ St. Johannis GmbH
- Mosaik Leipzig e.V.
- TU Dresden & Universität Greifswald
- Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.
So können wir noch mehr Kinder und Jugendliche erreichen.
Was macht Save the Children, um aus der Ukraine geflüchteten Kindern in Deutschland zu helfen?
Florian Westphal: Wir leisten zum Beispiel psychosoziale Unterstützung und arbeiten eng mit Krisenchat Ukrainian zusammen. Das ist eine Organisation, die Kinder und Jugendlichen durch Messaging-Apps Kontakt zu qualifizierten Berater*innen anbietet, um auf Ukrainisch oder Russisch über ihre Probleme zu sprechen, digital und niedrigschwellig. Diese Hilfe hat eine grenzüberschreitende Qualität, weil Kinder aus der Ukraine, egal wo sie jetzt sind, mit Krisenchat sprechen können. Außerdem haben wir Sammelunterkünften für Geflüchtete geholfen, Schutz- und Spielräume einzurichten für Kinder aus der Ukraine. Wir versuchen Partnerorganisationen und Akteuren hier in Deutschland, die schon was für Kinder aus der Ukraine tun, unter die Arme zu greifen. Finanziell, aber auch mit Know-how. Klar ist: alle, die Kindern aus der Ukraine helfen wollen, werden einen langen Atem brauchen.
Kinder und Familien in der Ukraine und weiteren Kriegs- und Krisengebieten brauchen langfristig Hilfe. Wir bitten deshalb um regelmäßige Spenden, die wir dort einsetzen, wo es am dringendsten ist. Herzlichen Dank!