Jemen: 2,7 Millionen Kinder können nicht zur Schule gehen
Florian Westphal, Geschäftsführer von Save the Children Deutschland, ist gerade im Jemen – ein Land, das seit über acht Jahren von Krieg und Leid geprägt ist. Dort hat er unter anderem eine Schule besucht, die von Save the Children unterstützt wird. Hier erzählt er von seinen Eindrücken, der großartigen Hilfe vor Ort und bewegenden Gesprächen mit Lehrer*innen und Eltern.

Das neue Schuljahr im Jemen hat gerade angefangen, die langen Ferien sind vorbei und die Kinder gewöhnen sich langsam wieder an den Unterricht, auch in einer Grundschule in einem kleinen Dorf im Gouvernement Hodeidah im Westen des Landes. Allerdings ist es sogar in dieser eigentlich immer heißen Gegend mit über 40 Grad zu heiß, sodass die Kinder teilweise hitzefrei haben. Entweder geht der Unterricht von 7:30 Uhr bis 10:00 Uhr oder von 15.00 Uhr bis 17:30 Uhr, damit die Kinder zumindest die Mittagsstunden nicht im Klassenzimmer verbringen müssen.
Von Unterricht im Freien zu ausgestatteten Klassenräumen
Dass diese Schule überhaupt Kinder empfängt und noch unterrichten kann, hat viel mit den Eltern zu tun – und mit Save the Children. Der Schulleiter zeigt stolz die zusätzlichen Klassenzimmer, welche die Eltern unter der Anleitung von Handwerkern selbst mitgebaut haben, und die Solaranlage, von der die Schule jetzt mit Strom versorgt wird. So können unter anderem die dringend benötigten Deckenventilatoren laufen. Ermöglicht wurde die Mitarbeit der Eltern durch die Bargeldhilfe, die Save the Children ihnen für die tatkräftige Beteiligung ausgezahlt hat. Auch die 150 neuen Pulte, die jetzt in den Klassenzimmern stehen, wurden von Save the Children finanziert.
Wenn man die Eltern fragt, was sich dank der Neubauten verändert hat, kommt immer wieder dieselbe Antwort:
Bevor die neuen Klassenräume für den dringend benötigten Platz sorgten, musste der Unterricht oft im Freien stattfinden, unter Bäumen, kaum geschützt vor Sonne und Wind. Die Bedingungen waren so schlecht, dass einige Eltern ihre Kinder lieber in eine andere Grundschule schickten, die allerdings fünf Kilometer entfernt liegt. Viele Kinder mussten auf dem Schulweg eine dicht befahrene und gefährliche Straße überqueren.
Motivierte Schüler*innen und hoffnungsvolle Eltern

Eine Arabischlehrerin, die an der Schule unterrichtet und deren fünf Kinder auch dort den Unterricht besuchen, berichtet, dass die Kinder jetzt viel motivierter und aufmerksamer an den Schulstunden teilnehmen. Früher, sagt sie, hätten viele Mädchen und Jungen einfach keine Lust gehabt in die Schule zu kommen, weil die Bedingungen so schlecht waren. Das hat sich jetzt grundlegend geändert.
Auch für die Eltern, die an den Bauarbeiten teilgenommen haben, hat sich einiges verändert. Ein stolzer Vater von zwei Kindern an der Schule erzählt mir, wie er dank der Ausbildung beim Schulbau jetzt selbst als Bauarbeiter seine Familie versorgen kann. Eine Frau berichtet, sie habe das Geld, das sie beim Schulbau verdient hat, genutzt, um sich eine Nähmaschine zu kaufen und jetzt als Schneiderin zu arbeiten. Andere haben kleine Läden eröffnet oder in ein Moped-Taxi investiert. So ist also nicht nur eine schönere Schule entstanden, sondern dieses Projekt von Save the Children hat vielen Familien ein zusätzliches wirtschaftliches Standbein geschaffen – genau das, was so vielen Familien im Jemen nach acht Jahren Krieg und in der Wirtschaftskrise fehlt.
Recht auf Bildung für Kinder gefährdet
Wenn Schulen keine sicheren Orte sind und der Schulweg lebensgefährlich, bleiben viele Kinder allein aus Sicherheitsgründen zu Hause.
Hinzu kommt, dass viele Familien im Jemen zu wenig Geld haben, um ihre Kinder zur Schule zu schicken. Am Straßenrand sieht man viele Kinder, die Wasserflaschen und Obst verkaufen oder die betteln; andere arbeiten auf den Feldern oder hüten Ziegen, um zum Familieneinkommen beizutragen. Aber die Eltern haben oft keine Wahl: In einem Gesundheitszentrum berichtete eine Mutter mir, dass sie leider dieses Jahr nicht genug Geld gehabt habe, um die Anmeldegebühren für ihre fünf schulpflichtigen Kinder zu bezahlen. Die Familie lebt in einer ärmlichen Hütte von der Hand in den Mund. Als Tagelöhner ohne eigenes Land finden die Eltern nur gelegentlich Arbeit bei anderen Bauern auf den Feldern, oder sie bekommen von Nachbarn und Verwandten Almosen. Das Geld reicht hinten und vorne nicht, und auf den Tisch kommt fast nur Fladenbrot und Reis, selten Gemüse und so gut wie nie Fleisch oder Fisch.
Eltern wünschen sich bessere Zukunft für ihre Kinder
Und sie sind überzeugt, dass der Weg dorthin über die Bildung führt. Die Schule eröffnet das Tor zu einer besseren Zukunft, sagt mir die Arabischlehrerin. „Wenn meine Kinder erstmal lesen und schreiben können, haben sie die Chance im Leben etwas zu erreichen und Glück zu finden.“
Ihre Spende kommt an
Save the Children leistet seit 1963 Nothilfe im Jemen, unter anderem in den Bereichen Bildung, Kinderschutz, Gesundheit und Ernährung. Seit der Konflikt im März 2015 eskaliert ist, haben wir mehr als drei Millionen Menschen mit unserer Hilfe erreicht – darunter mehr als zwei Millionen Kinder.
Damit wir unsere wichtige Arbeit für Kinder und Familien in Not weltweit fortsetzen können, benötigen wir dringend finanzielle Mittel. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit im Jemen mit Ihrer Spende. Vielen Dank.