Wintereinbruch: Hunderttausende Kinder brauchen Schutz vor Kälte
Die Versorgung in den Flüchtlingscamps weltweit ist oft ohnehin menschenunwürdig. Nun verschlimmert der Winter die Situation für Geflüchtete zusätzlich – vor allem für die Kinder. Besonders in Afghanistan, Serbien, Bosnien und Herzegowina wird dringend Hilfe benötigt. Viele Minderjährige schlagen sich mittlerweile bei eisigen Temperaturen auf der Straße durch. Ein Überblick über die Situation für Geflüchtete im Winter - und über Wege zu helfen.
Kein Strom, kein Wasser und im schlimmsten Fall nicht einmal ein Dach über dem Kopf: Die Situation für Menschen auf der Flucht, darunter Hunderttausende Kinder, verschlechtert sich stetig. Nun steht ihnen ein weiterer harter Winter bevor, von dem sie oft nichts weiter trennt als eine dünne Zeltwand.
Afghanistan: 300.000 geflüchtete Kinder leiden unter Kälte
In Afghanistan kam der Winter durch einen Schneefall früher als erwartet. Hier sind viele Geflüchtete der Kälte schutzlos ausgeliefert, denn es fehlt an angemessener Winterkleidung, Holz und Kohle zum Kochen und Heizen, sowie Nahrung und Decken. Für die Jüngsten unter den Notleidenden ist dieser Zustand unhaltbar: Nach Erkenntnissen von Save the Children sind etwa 300.000 geflüchtete Kinder durch die Kälte in Afghanistan von Krankheit oder sogar Tod bedroht. Und der Winter fängt gerade erst an: Derzeit liegen die Temperaturen in der nördlichen Provinz Balkh nachts bei minus zehn Grad, in den kältesten Regionen Afghanistans sinken sie möglicherweise auf bis zu minus 27 Grad. Viele Kinder sind bereits erkrankt, wie Betroffene aus einem Camp in Balkh berichten. Familien suchen mittlerweile auf den Straßen im Müll nach Brennbarem, um sich zumindest ein wenig Wärme zu verschaffen.
Serbien: Unbegleitete Minderjährige leben auf der Straße
In der serbischen Hauptstadt Belgrad schlagen sich laut Berichten der Deutschen Welle unbegleitete Minderjährige auf der Straße durch. Die meisten sind aus Afghanistan geflohen und versuchen, über Serbien weiter nach Ungarn oder Kroatien zu kommen. Viele von ihnen haben auf der Flucht Gewalt und Missbrauch erlebt und stehen oftmals unter der Kontrolle von Schmugglerbanden. Das fand unter anderem die Psychologin und Forscherin Katarina Jovanović heraus, die für den "Balkan Migration and Displacement Hub" von Save the Children mit ihrem Team minderjährige und unbegleitete Flüchtlinge auf den Straßen von Belgrad befragte. Oft sind es die Eltern, die sich in ihrer Not an die Schmuggler wenden, in der Hoffnung, so mit ihren Kindern in Kontakt bleiben zu können. Ihr großes Leid behalten die Minderjährigen oft für sich, einerseits aus Angst vor den Schmugglern, andererseits, weil sie ihre Eltern nicht zusätzlich beunruhigen wollen, erklärt Jovanović.
Den unbegleiteten Minderjährigen in dieser Situation zu helfen, sei besonders schwierig, da sich viele nicht registrieren lassen wollten, so Bogdan Krasić von Save the Children. "Sie wollen nach Westeuropa und vermeiden Hilfsorganisationen und die Polizei", erzählt Krasić und verweist damit auf die schlechten Erfahrungen, die diese Kinder oft mit Behörden vor Ort gemacht hätten.
Bosnien: Nach Brand in Lipa harren Menschen im Schnee aus
Bereits im vergangenen Dezember war klar: Das Flüchtlingscamp in Lipa im Nordwesten von Bosnien und Herzegowina wird dem Winter nicht standhalten. Kurz vor der Räumung brach ein Feuer aus, tausende Geflüchtete verloren dabei noch ihre letzten Habseligkeiten. Die Umsiedlung in ein neues Camp wurde durch Proteste von Einheimischen erschwert, hunderte Menschen mussten im Freien bei kalten Temperaturen ausharren.
In einem gemeinsamen Appell forderte Save the Children mit anderen Organisationen die Regierung von Bosnien und Herzegowina nun dazu auf, die sichere Unterbringung der Geflüchteten zu garantieren und sagte weiterhin Unterstützung zu.
Jetzt helfen und Wärme spenden
Denn Hilfe ist jetzt im Winter wichtiger denn je. Wie wichtig, weiß zum Beispiel der sechsjährige Omar*, der mit seinem Vater aus dem Irak in das bosnische Grenzgebiet floh. Die Anstrengungen der Flucht bei Minusgraden ließen ihn dort krank und erschöpft ankommen.
An der bosnischen Grenze wurde Omar* im Winter 2019 geholfen: Save the Children stattete ihn mit dicker Kleidung und Schuhen aus. Gemeinsam mit Kinderschutzbeauftragten verarbeitet er die Geschehnisse und ist nun auf dem Weg der Besserung. Omars* Fall zeigt, was möglich wird, wenn Hilfe ankommt. Deshalb müssen wir jetzt dafür sorgen, die Not von Kindern auf der Flucht und ihren Familien zu lindern – bevor der Winter uns weiter zuvorkommt.
*Name zum Schutz geändert