Flüchtlingskrise im Irak: “Jeden Tag kommen mehr Familien”
Tue Jakobsen arbeitet als Communication Officer bei Save the Children im Irak. In den letzten sechs Wochen flohen hier schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen vor anhaltenden gewaltsamen Kämpfen. In seinem Blogbeitrag berichtet Tue von einer wachsenden Zahl von Menschen, die auf der Flucht sind – und wie Save the Children ihnen hilft.
Ein Lagerhaus als Zuhause
Iraq, 23. Juli 2014: Für die meisten Menschen wäre es nur eine Lagerhalle, mit einem staubigen Betonboden, flackernden Leuchtstofflampen und Sonnenstrahlen, die sich mühsam durch die verdreckten schmalen Fenster knapp unter der Decke kämpfen. Doch für 32 irakische Familien ist es ein Zuhause.
Als ich das Lagerhaus betrete, schlägt mir heiße, stickige Luft entgegen. Ein paar Kinder blicken neugierig in meine Richtung. Ich fange ihre Blicke auf und bemerke, dass die meisten erschöpft und von der drückenden Hitze geschwächt aussehen. Zwischen kleinen Zelten liegen Familien auf Decken und dünnen Matratzen. Einige schlafen, andere unterhalten sich leise. Ein paar Luftkühler rattern, um die Temperaturen in dem großen offenen Raum erträglicher zu machen – doch sie scheitern kläglich.
Das Lagerhaus befindet sich in einem kleinen Ort in Khanaqeen, nur 45 Fahrminuten entfernt von der Front, wo die anhaltenden Kämpfe täglich mehr Menschen zur Flucht zwingen. Lagerhäuser wie dieses und provisorisch aufgeschlagene Camps bieten den Flüchtlingen dringend benötigten Schutz. Doch viel mehr auch nicht. Schätzungsweise 4.500 Flüchtlinge haben sich allein in diesem kleinen Ort niedergelassen.
Jeden Tag kommen mehr
Die erste Familie kam vor ca. sechs Wochen an, erzählt mir der Ortsvorsteher. Die Einwohner nahe des Lagerhauses tun ihr bestes, um die Flüchtlinge zu unterstützen – zum Beispiel kochen sie jeden Tag für die Menschen. Es sei nicht viel, doch es helfe den Menschen zu überleben.
Doch es sind nicht nur ein paar Familien, die Schutz suchen. Und je mehr Menschen kommen, desto schwerer wird es, allen zu helfen. „Jeden Tag kommen mehr Familien“, wiederholt der Ortsvorsteher immer wieder. Bevor ich im Lagerhaus ankam, besuchte ich das örtliche Fußballstadion und eine Schule, die über den Sommer geschlossen hat. Auch hier leben derzeit hunderte Familien. Sie alle werden durch die örtliche Gemeinschaft und Hilfsorganisationen wie Save the Children unterstützt.
Ein Flüchtlingscamp im Nirgendwo
Auf einer Grasfläche außerhalb und weit entfernt von jeglicher Zivilisation wird gerade ein neues Camp mit Platz für tausende Menschen errichtet. Erst vor wenigen Tagen begann der Aufbau und bisher stehen nur wenige Zelte. Doch da immer mehr Flüchtlinge kommen und es keinen anderen Platz gibt, ziehen sie in das unfertige Camp – ohne Latrinen, ohne Wasser, ohne etwas zu Essen, nur Zelte. Während wir hier stehen kommen immer mehr Menschen an – und finden nur einen leeren Platz, auf dem bald Zelte stehen werden. Bis dahin werden sie bei anderen Familien Unterschlupf suchen oder unter freiem Himmel leben müssen.
Die Nothilfe von Save the Children
Während ich dies schreibe, baut Save the Children gerade Latrinen für das Camp. In den nächsten Tagen soll ein kinderfreundlicher Raum eröffnet werden, in dem die Kinder ein Stück Normalität in ihrem auf den Kopf gestellten Leben finden sollen.
Save the Children arbeitet seit mehr als sechs Jahren im Irak. So konnten wir schnell auf den plötzlichen Flüchtlingsstrom vor einem Monat reagieren. Seither verteilen wir Nahrungsmittel und Hygiene-Sets an tausende Menschen, der erste von mehreren kinderfreundlichen Räumen konnte eröffnet und Duschen und Latrinen aufgebaut werden.
Als ich Khanaqeen verlasse und zurück Richtung Norden, in die bergige Region Kurdistan fahre, kommen mir permanent Pickups und kleine Autos mit zusammengedrängten Familien entgegen. Sie alle wurden aus ihrem Zuhause vertrieben, sind auf der Suche nach einem sicheren Platz für die Nacht – und es scheint, dass noch viele folgen werden.