Eine ungerechte Verteilung von Impfstoffen gegen Covid-19 verschärft globale Ungleichheiten
Bei dem virtuellen G7-Treffen am Freitag haben die Bundesregierung, USA und die EU weitere 5,3 Milliarden Euro für die weltweite Bekämpfung der Pandemie zugesagt. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur globalen Solidarität, denn eine ungerechte Impfstoffverteilung verstärkt bestehende Ungleichheiten: Die Pandemie richtet gerade dort besonders große Schäden an, wo Gesundheitssysteme ohnehin überlastet sind. Um die Pandemie wirksam einzudämmen und Fortschritte bei der Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung nicht rückgängig zu machen, müssen multilaterale Verteilungsmechanismen entschieden unterstützt werden.
"Es ist nicht vorbei, bis es für alle vorbei ist" – das haben wir in der COVID-19-Pandemie oft gehört, als es um die Entwicklung und Verteilung der neuen Impfstoffe ging. Trotz dieser Versprechen ist die COVID-Impfung inzwischen zu einem umkämpften Produkt geworden, anstatt als globales öffentliches Gut behandelt zu werden. Länder mit hohem Einkommen haben sich bereits vier Milliarden Impfdosen gesichert, besonders durch bilaterale Verträge, während Länder mit niedrigem Einkommen nur 670 Millionen Impfdosen gesichert haben. Dadurch wird in vielen Ländern die Impfung bis 2023 nicht verfügbar sein.
Ohne gerechte Impfstoffverteilung verwehren wir Millionen Kindern eine Zukunft
Dabei richtet die Pandemie dort besonders verheerende Schäden an, wo die Gesundheitssysteme ohnehin extrem überlastet sind. Eine ungerechte Impfstoffverteilung verstärkt damit globale Ungleichheiten, anstatt sie zu bekämpfen. Sozial schwache und arme Bevölkerungsgruppen leiden besonders stark unter den indirekten Folgen der Pandemie und des Lockdowns, wodurch vielen Kindern ihre Zukunftsperspektive genommen wird: Durch die Überlastung der Gesundheitssysteme können grundlegende Schutzmaßnahmen, etwa gegen Mangelernährung, nicht mehr durchgeführt werden.
Wenn das Familieneinkommen durch Eindämmungsmaßnahmen abrupt wegfällt, verlieren Kinder oft ihren Zugang zu ausgewogener Ernährung und Gesundheitsversorgung. Im Jahr 2020 wurde der Schulbesuch von 1,6 Milliarden Kindern unterbrochen und fast 10 Millionen unter ihnen werden eventuell nie in die Schule zurückkehren. Gerade den Kindern, die schon vor der Pandemie von Armut und Ausgrenzung betroffen waren, werden jegliche Bildungschancen genommen, da sie oft nicht an digitalen Lernangeboten teilhaben können.
Stärkung durch multilaterale Initiativen
Natürlich ist es wichtig, in Ländern mit hohem Einkommen Risikogruppen zu schützen und eine Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen. Aber da die Pandemie selbst keine Grenzen kennt, ist nur eine weltweite Bekämpfung wirksam. Daher sollten die anfänglichen Solidaritätsbekundungen nun in die Praxis umgesetzt werden. Dafür wurde im April 2020 der multilaterale Mechanismus ACT-A (Access to Covid-19 Tools Accelerator) ins Leben gerufen. Diese Initiativen haben bereits einige wichtige Ergebnisse erzielt: Im Rahmen von COVAX – der Impfstoffsäule von ACT-A – wurden Verträge für drei Milliarden Impfdosen abgeschlossen. Damit diese nun effizient verteilt werden können, muss die Finanzierung von ACT-A langfristig sichergestellt werden. Umso mehr freuen wir uns, dass die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangeht und weitere 1,5 Milliarden Euro bereitstellt, um Finanzierungslücken bei ACT-A zu schließen und eine faire Impfstoffverteilung zu fördern.
Der ACT-A und COVAX
Der ACT-A (Access to Covid-19 Tools Accelerator) ist ein Zusammenschluss aus multilateralen Institutionen, Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft, bei dem gemeinsam die Produktion und Verteilung von Impfstoffen, Tests und Behandlungen gegen COVID-19 beschleunigt werden soll. Dazu zählen drei Säulen (Diagnostika, Therapeutika, Impfstoffe) und der Health Systems Connector zur Stärkung besonders betroffener Gesundheitssysteme.
Durch die Impfstoff-Säule COVAX sollen bis Ende 2021 zwei Milliarden Impfdosen an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen bereitgestellt werden. Dafür schließt COVAX ebenfalls Verträge mit Impfstoffherstellern ab und wird dabei u.a. über die Weltgesundheitsorganisation und die Impfallianz GAVI finanziert.
Gesundheitssysteme spielen eine zentrale Rolle
Aber selbst wenn der Zugang zu Impfstoffdosen gegeben wäre, stehen Länder mit niedrigem Einkommen oft vor enormen Herausforderungen bei der Impfstoffverteilung. Um Risikogruppen schnell zu erreichen, muss der Impfstoff innerhalb der Länder effizient verteilt werden, wofür verlässliche Infrastruktur und geschultes Personal erforderlich sind. Zum Beispiel muss eine ununterbrochene Kühlkette aufrechterhalten werden. Ausstattung wie Impfnadeln und Schutzausrüstung könnten ebenfalls knapp werden. Außerdem sollte die Impfung nicht dazu führen, dass andere überlebenswichtige Gesundheitsmaßnahmen, z.B. Routineimmunisierungen und Maßnahmen gegen Mangelernährung, vernachlässigt werden. Konfliktgebiete und abgelegene ländliche Regionen sind von diesen Herausforderungen besonders betroffen.
Diese Zusammenhänge unterstreichen nochmals die zentrale Rolle von starken und resilienten Gesundheitssystemen, um in Zukunft auf Krisen und Pandemien reagieren zu können. Auch hier ist globale Solidarität und Unterstützung gefragt, damit vergangene Fortschritte bei der Bekämpfung von Mangelernährung und vermeidbaren Krankheiten nicht rückgängig gemacht werden und bestehende Ungleichheiten nicht verstärkt werden. Der ACT-A-Mechanismus, über den neben der Impfstoffverteilung auch Gesundheitssysteme gestärkt werden sollen, benötigt insgesamt 38,1 Milliarden US-Dollar. Deswegen hoffen wir, dass andere Akteure dem Beispiel der Bundesregierung folgen und langfristige Finanzierung für eine globale und solidarische Pandemiebekämpfung bereitstellen.