Ukraine: Anzahl unbegleiteter Kinder auf der Flucht steigt
In den vergangenen Wochen sind schätzungsweise eine Million Kinder aus der Ukraine geflohen. Mittlerweile ist die Zahl der Geflüchteten insgesamt auf über zwei Millionen angestiegen. Zudem sind immer mehr Kinder unbegleitet auf der Flucht. Einige von ihnen wurden im Chaos der Fluchtbewegungen von ihren Familien getrennt. Andere Familien hatten in ihrer Verzweiflung keine andere Wahl, als ihre Kinder alleine auf die Flucht zu schicken.
"[Viele] Eltern greifen zu den verzweifeltsten und herzzerreißendsten Maßnahmen, um ihre Kinder zu schützen. Dazu gehört, dass sie ihre Kinder zu Nachbarn und Freunden schicken, um außerhalb der Ukraine in Sicherheit zu gelangen (…)", berichtet Irina Saghoyan, Osteuropa-Direktorin von Save the Children.
Beobachtungen zufolge kommt eine stetig wachsende Zahl an Kindern aus der Ukraine ohne Begleitung in den angrenzenden Ländern an. Viele wurden von Familienmitgliedern auf die Flucht geschickt, die nicht in der Lage waren, die Ukraine zu verlassen, ihre Kinder aber vor den immer weiter eskalierenden Bodenangriffen und Explosionen in Sicherheit bringen wollten. Andere wurden im Chaos der Flucht von ihren Eltern getrennt.
Viele der allein ankommenden Kinder sind unter 14 Jahre alt. Einige reisen mit ihren älteren Geschwistern oder Bekannten. Die Trennung von ihren Eltern macht sie besonders schutzbedürftig und stellt eine große psychische Belastung zusätzlich zu den Herausforderungen der Flucht dar.
Save the Children arbeitet gemeinsam mit anderen Organisationen an der Einrichtung von Verfahren zur Familiensuche und -zusammenführung, um die Kinder mit ihren Angehörigen und Bekannten in den Nachbarländern wieder zu vereinen, sowie an der Einrichtung von Kinderschutzsystemen und Meldemechanismen, um die Kinder zu schützen.
Schutzräume für Kinder aus der Ukraine
Seit der Eskalation des bewaffneten Konflikts in der Ukraine sind unsere Mitarbeitenden auf der Fluchtroute im Einsatz und stellen Hilfsgüter sowie psychosoziale Betreuung und Zugang zu Rechtsberatung für Geflüchtete bereit. Dabei kümmern wir uns insbesondere um gefährdete Kinder, etwa durch die Einrichtung von Schutz- und Spielräumen.
Humanitäre Krisen kennen keine Grenzen
Die humanitäre Krise in der Ukraine hat große Auswirkungen auf Kinder – und das weit über die Landesgrenzen hinaus. So wird sich die Eskalation der Gewalt auch auf Kinder in anderen Ländern in und außerhalb Europas auswirken.
Denn viele Länder weltweit, wie etwa der Jemen oder der Libanon, sind von Weizenlieferungen aus Russland und der Ukraine abhängig. Wenn die Produktion einbricht, könnte das zu großen Versorgungengpässen führen und ohnehin bedürftige Kinder und ihre Familien treffen. Dies könnte zu einem dramatischen Anstieg des Hungers führen.
Die psychische Gesundheit von Kindern ist durch diese Krise ebenfalls stark gefährdet, insbesondere von Kindern aus der Ukraine, aber auch von Kindern, die über Nachrichten oder Gespräche mit dem Konflikt in Berührung kommen. Viele dieser Kinder beginnen zu verstehen, welche Folgen eine solche Katastrophe auf andere Kinder haben kann, erklärt Ane Lemche, Psychologin und Kinderberaterin bei Save the Children: "Was in der Ukraine geschieht, kann sowohl für Kinder als auch für Erwachsene beängstigend sein. Das Thema zu ignorieren oder zu vermeiden, kann dazu führen, dass sich Kinder verloren, allein und noch ängstlicher fühlen, was sich auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden auswirken kann." Deshalb empfiehlt Lemche, offene und ehrliche Gespräche mit Kindern zu führen, um ihnen zu helfen, die Geschehnisse zu verarbeiten.
Ein weiteres Problem stellt die instabile Energieversorgung dar. Die Abhängigkeit der Welt – und insbesondere Europas – von russischem Öl und Gas ist nunmehr in den Fokus gerückt. Dan Paskins, Direktor von UK Impact bei Save the Children, sagt: "Die Aussicht, dass die Energiepreise noch stärker steigen werden als bisher prognostiziert, ist für Haushalte mit geringem Einkommen äußerst beunruhigend. Millionen von Eltern werden sich fragen, wie sie ihre Familien in den kommenden Monaten über Wasser halten können."
Die Gewalt in der Ukraine muss daher zum Schutz von Kindern in und außerhalb des Landes sofort gestoppt werden. Wir setzen unsere Nothilfe für Kinder und Familien auf der Flucht fort und stimmen uns mit lokalen Partnern ab, um die Lage vor Ort zu beurteilen und so schnell wie möglich auf die wachsenden Bedürfnisse der Betroffenen zu reagieren.
Dabei möchten wir uns herzlich für Ihre große Unterstützungsbereitschaft bedanken. Jede Spende hilft uns, Kindern aus der Ukraine in dieser denkbar schwierigen Notsituation beizustehen.