Ein Jahr nach Beirut-Explosion: "Sie überleben, aber nur knapp."
Vor einem Jahr wurden bei einer schweren Explosion in Beirut, Libanon, über 200 Menschen getötet und mehr als 7.000 verletzt. Neben den direkten Folgen der Brandkatastrophe setzt die sich zuspitzende Wirtschaftskrise im Land vielen Familien zu. Viele Kinder sind akut von Hunger bedroht. Um die monatlichen Grundbedürfnisse von besonders gefährdeten Familien zu decken, müssen schnellstmöglich ein Sicherheitsnetz und Bargeldtransfers eingerichtet werden.
Am 4. August vergangenen Jahres erschütterte eine Explosion den Hafen der libanesischen Hauptstadt. Ausgelöst wurde die Katastrophe durch eine große Menge eingelagertes hochexplosives Ammoniumnitrat. Dieses wurde durch ein Feuer im Lagerraum entfacht und setzte eine Welle der Zerstörung in Gang – mit zahlreichen zu beklagenden Opfern.
Für die Familie der 13-jährigen Mariam* und ihrer beiden Brüder Said* und Jad* änderte sich am Tag der Explosion alles. Als die riesige Rauchwolke über dem Hafen aufsteigt, stehen Mariam* und ihre Schwester Cidra mit ihren Eltern vor ihrem Haus. Als kurz darauf die Explosion einsetzt und ganze Gebäude zu Schutt und Asche zusammenfallen lässt, wird Cidra tödlich getroffen.
Mariam* und ihre Eltern kommen damals mit schweren Verletzungen davon. Die innerlichen Narben, die sie von den Folgen der verheerenden Brandkatastrophe mit sich tragen, sind auch ein Jahr später nicht verheilt. Vor allem die beiden kleinen Brüder trauern um ihre verlorene Schwester und haben nachts oft Angst. Zudem hat die Familie, die aus Syrien in den Libanon geflohen ist, mit den Auswirkungen der Wirtschaftskrise im Land zu kämpfen – und dem höchsten Anstieg von Lebensmittelpreisen weltweit. Dieser Anstieg, der zu einer Verdreifachung der Preise im Land geführt hat, macht es den Eltern fast unmöglich, ihre Kinder mit dem Nötigsten wie Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen. Durch die Explosion verloren sie ihr Haus und mussten Beirut verlassen.
Hunger und Armut nehmen im Libanon zu
Zahlreiche Kinder und ihre Familien befinden sich ein Jahr nach der Explosion in einer ähnlichen Notlage. So konnten wir im Rahmen einer Analyse feststellen, dass sich etwa 47 Prozent der libanesischen Bevölkerung nicht mehr mit Dingen des täglichen Bedarfs versorgen kann. Das betrifft zudem auch den Großteil der syrischen Geflüchteten, die auf der Suche nach Schutz in den Libanon gekommen sind. Fast 90 Prozent von ihnen kann sich keine Grundversorgung mehr leisten. Güter wie Linsen, Speiseöl, Windeln, Damenbinden und Treibstoff sind für rund die Hälfte der Libanesen und den Großteil der syrischen Geflüchteten unerschwinglich.
Aus allen Einkommensschichten sind viele Familien tiefer in die Armut gerutscht. Dadurch sehen sich immer mehr Familien gezwungen, ihre Kinder zum Arbeiten zu schicken. Der Hunger nimmt vielerorts zu. "Sie überleben, aber nur knapp", sagt Jennifer Moorehead, Landesdirektorin von Save the Children im Libanon.
Kinder im Libanon brauchen jetzt ein Sicherheitsnetz
Die Situation für Kinder und ihre Familien im Libanon hat sich seit der Explosion durch deren direkte Folgen und die wachsende Wirtschaftskrise stark verschlechtert. Sie brauchen umgehend Zugang zu Nahrungsmitteln, Strom, Gesundheitsversorgung und sauberem Wasser. Nur so kann ihr Überleben und darüber hinaus sichergestellt werden, dass betroffene Kinder weiterhin zur Schule gehen können. Daher fordern wie die internationale Gemeinschaft auf, Mittel für Bargeldleistungen für die bedürftigsten Familien aller Nationalitäten im Libanon bereitzustellen. Zudem könnte ein auf Bargeld basierendes soziales Sicherheitsnetz der libanesischen Regierung dabei helfen, die monatlichen Grundbedürfnisse der Familien zu decken.
Save the Children hat seine Hilfsprogramme im Libanon seit der Explosion im vergangenen Jahr ausgebaut – dank der großen Unterstützung unserer Spender*innen war dies möglich. Wir werden weiterhin alles daransetzen, Familien und Kindern in Not vor Ort zur Seite zu stehen.
*Name zum Schutz geändert